Lilienmond

Weil man niemanden quälen kann, der nichts mehr hat, was man ihm nehmen kann.

Castiel hatte alle wieder zurück zu Bobbys Haus teleportiert. Crowley war wieder zurück in die Hölle gegangen. Jetzt hatte er ja die Information, die er so unbedingt haben wollte.

„Der Tod hat also Sophia aus dem Käfig geholt", fasste Ellen zusammen, nachdem Bobby ihr alles erzählt hatte. „Hat er auch gesagt, warum er es getan hat? Ich schätze mal, dass er es nicht aus reiner Herzensgüte tat ..."

„Der Tod besitzt kein Herz", warf Castiel kopfschüttelnd ein. Er vermied es stur, Dean direkt anzusehen. Was Sophia da offenbart hatte ... Dean hätte das niemals hören dürfen ...

„Cas, kannst du irgendwas zu Sophias Zustand sagen? Wird sie wieder gesund?", fragte Sam, der Sophia keine Sekunde losgelassen hatte, seit sie in seinen Armen ohnmächtig geworden war.

„Rein physisch ist mit ihr alles vollkommen in Ordnung. Ihre Hülle ist unverwundet", erklärte Castiel nach einem kurzen prüfenden Blick. „Ihr Leiden findet in ihrem Kopf statt. Sie muss von selbst irgendwann davon aufwachen."

Wie auf Kommando schlug Sophia die Augen auf und richtete sich, nach Luft schnappend, auf. Als sie Sam sah, wurde sie hysterisch und stieß sich von ihm weg. „Nein, fass mich nicht an! Du bist nicht Sam!", kreischte sie und rutschte zitternd mit dem Rücken an die Wand. Ihr Blick wanderte hektisch über alle Leute im Raum. „Nein", hauchte sie und kniff die Augen zu. „Hör endlich auf, Luzifer!", rief sie kopfschüttelnd.

Sam schritt ganz langsam auf sie zu. „Sophia, du bist nicht mehr im Käfig. Du bist hier bei uns. Mach die Augen auf. Schau mich an. Du bist nicht mehr da unten."

„Ja, klar, nochmal falle ich auf die Masche nicht rein, Bruder", schnaubte sie. „Wie oft wolltest du mir schon weismachen, dass ich frei bin, bloß um mir im nächsten Augenblick zu zeigen, dass ich immer noch mit dir und Michael festsitze? Lass mich doch einfach mal in Ruhe!"

„Sophia, denk mal nach!", mischte sich Castiel ein. „Du bist auf dem Friedhof aufgewacht. Ich habe dich gefunden und dann hierher gebracht. Du konntest dich an nichts erinnern, bis Crowley deine Erinnerungen freigesetzt hat. Dann ist der Tod aufgetaucht und hat offenbart, dass er dich aus dem Käfig geholt hat. Der himmlische Reiter des Todes hat dich befreit, Sophia. Er hat dich aus dem Käfig geholt. Du bist nicht mehr mit Luzifer und Michael im Käfig."

„Alles nur Illusion ... nicht real ... hat sich Luzifer bloß ausgedacht ...", murmelte sie vor sich hin.

„Wieso willst du uns denn nicht glauben?", fragte Castiel frustriert.

„Luzifer würde mich niemals gehen lassen", antwortete sie kopfschüttelnd.

„Du bist schon seit fast einer Woche frei und hier bei uns. Wieso sollte Luzifer dich das alles halluzinieren lassen?", fragte Dean.

„Weil man niemanden quälen kann, der nichts mehr hat, was man ihm nehmen kann", erwiderte Sophia. Er schenkte ihr diese schöne Illusion, bloß um sie dann wieder kaputt zu machen ...

„Sophia, komm schon, sieh mich an", bat Sam und kniete sich zu ihr.

„Nein", schüttelte sie vehement den Kopf. „Wenn ich mir auch nur einen Augenblick gestatte, zu hoffen ... nein, ich kann nicht ... nein ..." Sie begann zu weinen.

Sam setzte sich neben Sophia und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand. Sophia zuckte zusammen, als sich ihre Schultern berührten, und riss die Augen auf, um Sam entsetzt anzustarren.

„Was kann ich tun, damit du uns glaubst?", fragte Sam und bemühte sich, ruhig und entspannt zu wirken, obwohl es ihn schmerzte, dass sie ihn so ansah. Da wünschte er sich schon fast, dass sie ihn wieder wie gestern anschaute, als er noch ein Fremder für sie war.