Du hast mich lang genug warten lassen.

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„Castiel!"

„Du hast gerufen, Schwester?", erschien er gleich in der nächsten Sekunde.

„Sag mir, Bruder, was siehst du hier?", machte Sophia mit ihren Händen eine allumfassende Geste. „Nein, warte! Bevor du jetzt anfängst, mir jedes einzelne Molekül zu beschreiben, mache ich es kurz: Dieses Hotel, in dem Gabriel angeblich gestorben sein soll, ist verschwunden. Ich hab stundenlang gesucht, aber es ist einfach weg. Haben Sam und Dean wirklich mit eigenen Augen gesehen, wie Luzifer Gabriel getötet hat?"

„Nein, Gabriel hat es ihnen in einem Porno gesagt", antwortete Castiel.

„Und wie könnt ihr euch dann so sicher sein, dass er tot ist?!", stemmte sie die Hände in die Hüften. „Weißt du, was ich glaube? Gabriel hat seinen Tod vorgetäuscht und ist irgendwo untergetaucht."

„Gabriel hat Luzifer mit einem Erzengelsschwert bedroht. Denkst du wirklich, Luzifer hätte ihn einfach davon kommen lassen? Meinst du, Gabriel hätte es tatsächlich geschafft, Luzifer zu überlisten? Wir reden hier von Luzifer!

Sophia, ich würde auch gern daran glauben, dass unser Bruder noch lebt, aber ..."

„Ich weiß, die Chancen stehen nicht gerade gut, aber solange ich mich nicht mit eigenen Augen davon überzeugt habe, dass er tot ist, werde ich die Hoffnung nicht aufgeben, verstanden?! Er könnte immer noch irgendwo da draußen sein! Ich werde ihn suchen", beschloss Sophia. „Und wenn ich ihn gefunden habe, trete ich ihm erst mal gehörig in den Arsch, weil er mir diese Qualen bereitet hat."

„Aber was ist mit unserem Plan, Luzifer wieder einzusperren?"

„Du wirst Sam und Dean sagen, dass es mir Leid tut", seufzte sie. „Ihr werdet den Tod ohne mich suchen müssen. Ich muss Gabriel finden. Ich kann mich jetzt auf nichts anderes konzentrieren. Ich brauche Klarheit."

„Warum sagst du es ihnen nicht selbst?", entgegnete Castiel vorwurfsvoll.

„Weil ich nicht zulassen kann, dass sie mich davon abbringen, nach Gabriel zu suchen", antwortete Sophia.

„Du meinst, du willst nicht, dass Sam dich davon abbringt", riet Castiel. „Ich bin zwar noch kein wirklicher Experte in Emotionen, aber selbst ich habe mitbekommen, dass du mit Sam eine innigere Verbindung teilst als mit Dean. Dean könnte dich bestimmt nicht dazu überreden, die Suche nach Gabriel aufzuschieben."

„Gut aufgepasst, kleiner Bruder", schnaubte sie. „Mir ist übrigens auch nicht entgangen, wie viel Dean dir inzwischen bedeutet ... Jetzt tu nicht so überrascht! Ich bin nicht blind! Euer ständiger Blickaustausch ist nicht zu übersehen ... Wie wär's damit? Ich frag dich nicht weiter wegen Dean, wenn du mir keine Fragen über Sam stellst. Deal?"

***

„Tut mir Leid, Sophia, wir haben nichts von ihm gehört", meinte Rachel.

„Glaubst du wirklich, er lebt noch?", fragte Tyrus zweifelnd.

„Ich glaube ganz fest daran", nickte Sophia. „Könntet ihr euch etwa ein Universum ohne ihn vorstellen? Naja, wie auch immer, ich danke euch trotzdem, dass ihr euch Zeit für mich genommen habt. Wie sieht es denn derzeit im Himmel aus?"

„Wir warten alle gespannt auf den finalen Kampf. Luzifer muss nur noch Sam Winchester besetzen, dann kann es eigentlich schon losgehen ...", erklärte Tyrus.

„Wie jetzt? Hat Michael etwa ...", blinzelte Sophia.

„Er hat diesen Halbbruder der Winchesters überwältigt. Du weißt ja, wie überzeugend Michael sein kann ... Ich kann immer noch kaum fassen, dass es schon bald so weit sein soll ..."

„Moment, wer sagt, dass Sam auch 'Ja' zu Luzifer sagen wird?!", entfuhr es Sophia.

„Ich bitte dich, Schwester!", lachte Tyrus. „Wir sprechen hier von Luzifer! Es ist ein Wunder, dass Sam Winchester ihm schon so lang entkommen konnte, aber wenn Luzifer ihn erst einmal gefunden hat, gibt es kein Entrinnen mehr für den Jungen ..."

„Du solltest Sam nicht unterschätzen", warnte Sophia ihren jüngeren Bruder. „Er ist stärker als du denkst ..."

„Wegen dem Dämonenblut? Pah, und wenn schon", schnaubte er. „Gegen Luzifer kommt er niemals an ... Luzifer wird ihn besetzen und dann werden sie beide von Michael ein für alle Mal vernichtet."

„Ach, was weißt du schon?!", fuhr Sophia ihn schroff an und verschwand. Dabei fragte sie sich im Stillen, wieso die Jungs ihr nicht gesagt hatten, dass Michael sich Adam geholt hatte. Bobby musste ihn raus gelassen haben ... Wenn sie Adam nicht davon überzeugt hatten, Michael seinen Körper zu verweigern, hätte Bobby ihn doch mit Sicherheit nicht frei gelassen, oder? Bobby hätte es bestimmt nicht getan, ohne sich sicher zu sein. Aber wenn Adam den Engeln seinen Standort nicht im Traum mitgeteilt hat, wie haben sie ihn dann gefunden?

Sophia fand dann später heraus, dass Adam in Bobbys Haus die Treppe runter gestürzt war und sich dabei ein paar Rippen leicht angeknackst hatte. Dadurch wurden die henochischen Sigillen beschädigt. Auch wenn der Schaden nur sehr geringfügig war, hatte das ausgereicht, um den Schutz zu brechen.

***

„Hey Sophia", hörte sie Dean zu ihr beten. „Ich weiß, Sam war dafür, dir deinen Freiraum zu lassen, weil du Zeit brauchst, um mit Gabriels Tod klarzukommen, und ich weiß auch, dass wir beide uns nicht immer super gut miteinander verstanden haben, aber eins haben wir gemeinsam: Sam ist uns wichtig.

Jedenfalls hoffe ich, dass es für dich so ist. Du musst sofort herkommen. Sam steckt in großen Schwierigkeiten.
Mir ist klar, dass du trauerst oder auch nicht wahrhaben willst, dass Gabriel tot ist, aber bitte, es geht um Sam. Wenn dir mein Bruder annähernd so viel bedeutet wie du ihm, dann beweg gefälligst deinen geflügelten Arsch auf der Stelle hierher! Ich bin hier mit Cas und Bobby in Detroit."

Sophia spürte Castiel auf und fand sich am Rand einer verlassenen Straße wieder. „Was ist passiert?", fragte sie sofort.

„Sam hat zu Luzifer 'Ja' gesagt und jetzt sind die beiden mit dem Schlüssel zum Käfig weg!", fasste Dean das Wesentliche zusammen.

„Was?! Nein! Wieso?!", brachte Sophia geschockt hervor.

„Nachdem wir alle Ringe zusammen hatten, wollten wir dir eigentlich Bescheid sagen", erklärte Bobby. „Aber Sam war dagegen. Er wollte dich da nicht mit reinziehen und wir mussten ihm versprechen, es dir nicht zu sagen.

Er ist dann auf die Idee gekommen, Luzifer in sich aufzunehmen und dann mit ihm in den Käfig zu springen ... Doch jetzt hat Luzifer die volle Kontrolle in Sams Körper."

„Ihr hättet mich rufen sollen! Egal, was Sam gesagt hat! Wie konntet ihr ihn das bloß machen lassen?!", schrie Sophia fuchsteufelswild.

„Danke, wir wissen schon, dass wir verkackt haben!", entgegnete Dean nicht weniger wütend. „Die Frage lautet jetzt: Was sollen wir nun machen?"

„Es hätte niemals so weit kommen dürfen", murmelte sie kopfschüttelnd.

„Willst du damit sagen, dass du überhaupt keinen Weg siehst, das wieder hinzukriegen?", ließ Dean die Schultern sacken.

„Sophia ... komm zu mir ...", säuselte eine Stimme in ihrem Ohr. Sie riss die Augen weit auf, als sie die Stimme wieder erkannte. Sie hatte seine wahre Stimme schon seit Ewigkeiten nicht mehr gehört ...

„Was ist?", fragte Castiel mit zusammen gekniffenen Augen.

„Luzifer", hauchte Sophia. „Er ruft mich zu sich ..."

„Wo ist er?", wollte Dean wissen.

Sophia presste sich die Hände schmerzhaft auf die Ohren, als er plötzlich ganz laut brüllte: „SAG ES IHM NICHT!!! SAMMY WÜRDE NICHT WOLLEN, DASS DU SEINEN BRUDER DERART IN GEFAHR BRINGST!!! KOMM ZU MIR!!! KOMM ALLEIN!!! NUR DU UND ICH!!!"

„Sophia!", rüttelte Castiel sie an den Schultern. „Hörst du mich, Schwester? Du musst seine Stimme ausblenden! Du musst ..." Auf einmal zuckte Castiel vor Sophia zurück, als hätte er sich an ihr verbrannt. Er sprang ein kleines Stück nach hinten.

„WARTE!!", schrie Dean noch, als Sophia sich dematerialisierte ...

„Du hast mich lang genug warten lassen."

LilienmondWo Geschichten leben. Entdecke jetzt