Ich bin nicht der, den du meinst zu kennen.

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"Ich...ich denk drüber nach, okay?"

Stegi hatte in den ganzen fünf Jahren noch nie verstanden, warum sein bester Freund sich konsequent nicht mit ihm treffen wollte. Sicher, es wäre ihr erstes Treffen und damit nicht gerade etwas Alltägliches, aber er für seinen Teil wollte Tim schon immer gerne sehen, ihn in den Arm nehmen und ihm zeigen, wie viel er ihm bedeutete. Aber wie sollte er das je tun, wenn Tim vehement dagegen hielt, ihm nicht einmal einen Grund lieferte. "Tim...wenn du irgendwas gegen mich hast, dann raus damit. Alles ist besser als dieses Vor-sich-her-Geschiebe der Ablehnung. Ganz ehrlich, da hab ich keine Lust mehr drauf.", wütend drückte er 'Strg'und 'D' und hörte kurz darauf das "Disconnected" ertönen. Seufzend stieß Stegi die Luft aus, riss das Headset von seinem Kopf, nur um seine Hände frustriert in den blonden Locken zu vergraben. Warum? - Es war nicht das erste Mal, dass ihm dieses Wort im Kopf rumspukte, ihn nicht entspannen und langsam aber sicher immer mehr an sich selbst zweifeln ließ. Stegi war sich ziemlich sicher, dass sein bester Freund keinen Grund hatte, sich zu schämen. So, wie er das in den Jahren mitbekommen hatte, schien er beliebt zu sein, gut auszusehen und des Öfteren abends auszugehen. Wenn dann war Stegi es selbst, der sich Gedanken darum machen sollte, wie er wirkt. Doch ihm war es schlicht und einfach egal, dass er nicht allzu viele Freunde hatte, denn er war voll und ganz zufrieden mit dem was er hatte und Tim war nicht ganz unschuldig daran. Stegi wusste, dass Tim ihn akzeptieren würde, ihn nicht verurteilen würde, aufgrund von solch irrelevanten Dingen. Was in aller Welt sollte ihn denn also von einem Treffen abhalten? Langsam stand er auf, bewegte sich schlurfend zu seinem Bett, um sich entkräftet darauf fallen zu lassen. Es machte doch eh keinen Sinn, sich den Kopf weiter zu zerbrechen. Er würde zu keinem Ergebnis kommen und Tim würde nicht reden. Auch sein Disconnecten in dieser Situation war nicht neu und noch nie hatte es Tim dazu bewegt ihm davon zu erzählen. Das beinahe schon erwartete Vibrieren seines Handys riss den Blonden aus seinen Gedanken und er musste nicht nachschauen, um zu wissen, dass die Nachricht von Tim kam und 'Stegi? :(' lautete. Sie war in die Stammprozedur mit eingeflossen, ähnlich wie der Disconnect, die sich jedes Mal nach einer erneuten Frage Stegis nach einem Treffen ereignete. Murrend drehte er sich auf die Seite, griff nach der Bettdecke und zog sie bis unter die Nasenspitze. Er würde wieder nicht antworten, bis zum nächsten Tag warten, um den Kontakt wieder aufzunehmen, einfach weil er nicht ohne Tim konnte. Und wie immer dauerte es an diesem Tag lange, bis er sich genug entspannt hatte, um einschlafen zu können, doch er hatte den Schlaf viel zu nötig, um auch dieses Mal zu wiederstehen.

Das Klingeln seines Handys riss ihn aus seinem mehr oder weniger erholsamen Schlaf und ein Blick auf die hellgrün leuchtenden Ziffern seiner Digitaluhr, welche 3:58 anzeigte, ließ ihn murren. Nur langsam wurde ihm bewusst, dass der Anrufer nicht aufgeben zu wollen schien, ihn nicht weiterschlafen lassen würde, solange er nicht abnahm, oder das klingelnde Ding an die Wand warf. Schläfrig richtete Stegi sich also auf, schob sich mit den Armen in eine sitzende Position und griff zum Smartphone. 'Timmi' prangte groß der Name des Störers auf dem viel zu hellen Display und endlich erbarmte sich der Blonde und nahm den Anruf an. "Was ist los, Tim?!", maulte er in das Mikro, doch ein Schluchzen auf der anderen Seite, ließ sämtliche Wut verpuffen und der Sorge weichen. "Was ist passiert, Großer?", fragte er nun vollkommen verändert, die Stirn in Falten gezogen. "Ich... Ich kann das einfach nicht mehr. " Die Sorgenfalte vertiefte sich, er schien nicht nur zu weinen, sondern auch zu tief ins Glas geschaut zu haben, sein Lallen war nicht zu überhören. Noch nie hatte Tim sich so bei Stegi gemeldet, noch nie hatte er in seinem Beisein Schwäche zugelassen. "Es tut mir leid, Stegi. So verdammt leid. Es ist schon viel zu spät um die Wahrheit zu sagen, aber ich hatte solche Angst...Es war so dumm, aber ich wollte doch nur einen Freund und ich hab' einfach nicht nachgedacht. Und als ich dich dann hatte, wollte ich dich nicht mehr verlieren, das hätte ich nicht gepackt, verstehst du? Ich wünschte ich könnte die Zeit zurückdrehen, das alles ungeschehen machen...Verlass mich nicht, Stegi.", fing Tim an zu erklären und seine Worte klangen auf einmal unheimlich klar, keine Spur mehr von dem Lallen. Klar und verzweifelt.

Stexpert ~ Mini OS-SammlungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt