Die eine Nachricht

674 61 41
                                    


*POV Stegi*

Ich hatte mich endlich getraut, ihn anzuschreiben. Seine Reaktion allerdings, machte all die anfängliche Hoffnung zunichte, verletzte mich und ließ mich wünschen, diese eine Nachricht nie geschrieben zu haben.

Natürlich war mir von vornerein klar, dass ich nicht der Beliebteste aus der Klasse war und gewillt war, den nahezu begehrtesten Jungen des Jahrgangs näher kennenzulernen, aber diese Blicke, das kann ich mir doch nicht eingebildet haben...oder? Diese braunen Augen, die während des Unterrichts immer und immer wieder zu mir schweiften, mich geradezu anstarrten. So auffällig und doch unbemerkt. Jedes Mal aufs Neue mit diesem gewissen Glänzen in den Augen und dem leichten Lächeln auf den schön geschwungenen Lippen.


Aber vielleicht sollte ich etwas weiter ausholen.

Von meinen Mitschülern wurde ich bisher die meiste Zeit ignoriert. In Gruppenarbeiten war ich immer nur der Lückenfüller, gesprochen wurde mit mir quasi nie und wenn dann nur die nötigsten Worte. Ich wusste nicht, was genau ich machte, was genau an mir war, was die Menschen dazu brachte, mich wie Luft zu behandeln, mich denken zu lassen ich wäre nichts wert. Jedenfalls hatte ich das Ganze satt. Ich wollte nicht mehr der Typ sein, der jede Pause alleine herum sitzt, jeden Tag darauf wartet von jemandem beachtet zu werden, der in den Gängen hin und her geschubst wird, weil er nicht auffällt. Vermutlich hatte mich inzwischen eine gewisse Gleichgültigkeit eingeholt.

Was sollte schon Schlimmeres passieren? Freunde hatte ich nicht zu verlieren, einen Ruf ebenfalls nicht, was sollte also geschehen?

Eventuell würde er sich ja ein wenig mit mir unterhalten, mal etwas mit mir unternehmen, mir einfach eine Chance geben. Eigentlich musste ich doch keine Angst vor ihm haben, oder? Ich meine es handelt sich bei ihm und seinen Freunden keineswegs um eine dieser Schlägergangs, lediglich um eine sehr respektierte und autoritäre Gruppe von Jugendlichen...oder?

Und so kam es dann schließlich, dass ich Tim anschrieb. Eine einfache kleine Nachricht, die mich trotz allem unendlichen Mut kostete, in der ich ihn um ein einfaches Treffen fragte, ob er Zeit und Lust hätte mal etwas mit mir zu unternehmen. Zugegeben war ich ziemlich gespannt auf seine Reaktion und genau das verleitete mich dann auch dazu, ihn direkt in der Schule anzuschreiben. Im Unterricht saß, wie fast immer, 50% der Schüler am Handy, immer wieder aufschauend und Ausschau nach dem Lehrer haltend. Als ich die Nachricht dann in den sonst komplett leeren Chatverlauf von Tim und mir schickte, blickte ich sofort auf, suchte Blickkontakt zu ihm und stellte auch gleich fest, dass er die Nachricht zu lesen schien.

Zunächst erschien eine Falte auf seiner sonst so glatten Stirn, dann jedoch stupste er Rafael neben sich an und hielt ihm, weiterhin unter dem Tisch, etwas hin, wobei es sich vermutlich um das Handy handelte. Augenblicklich begann dieser zu lachen, bekam sich aber unter dem strengen Blick der Lehrerin schnell wieder ein und wechselte ein paar Worte mit Tim. An seiner Reaktion konnte man definitiv sehen, dass ihm das, was sein Sitznachbar vorhatte eindeutig gegen den Strich ging, ließ sich aber anscheinend darauf ein, was mir Rafaels triumphierender Blick verriet. In der nächsten Minute ging ein Raunen durch die Sitzreihen. Einigen entfloh ein Lachen, andere wiederum schauten verstört auf das Display ihres Handys. Was alle gemeinsam hatten war, dass einer nach dem Anderen seinen Blick anhob und mich mit einem undefinierbaren, abschätzigen Blick ansah.

Und in dem Augenblick hatte ich eine Vermutung, was hier vorging. Mit einem schnellen Handgriff zog ich mein Handy erneut hervor, entsperrte es mit unruhigen Fingern und las die neusten Nachrichten aus der Klassengruppe. Darunter befanden sich tatsächlich einige Bilder, verschickt von Tim und wie selbstverständlich, Screenshots unseres Chats.

Stexpert ~ Mini OS-SammlungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt