Something True

6. Kapitel

"Lucy, wann kommst du denn mal nach Hause ?",fragt diesmal mein Vater.
Anscheinend hat meine Mutter das Handy auf Lautsprecher gemacht.
Was sehr ungewöhnlich ist, dass sie das kann.
" Ähm also..", stottere ich vor mir her, "ich übernachte bei Sophia."

In mir breitet sich schon das Schuldgefühle aus. Jetzt habe ich auch noch Sophia mit rein gezogen.

"Willst du uns jetzt veräppeln?", fragt meine Mutter zickig.

"Ne weißt du, ich verarsche euch.", zicke ich zurück.

Was du kannst, kann ich schon lange. Nein, ich bin gar nicht sauer.

Wie ich dich doch liebe, Sarkasmus. Was soll ich nur ohne dich machen.

Ich setzte mich auf den Boden und lehne mich an die Wand, hinter mir, an.

"Hattest du das mit Sophias Mutter abgemacht, dass du bei ihr übernachten darfst ? Oder war das eine spontane Idee von dir?"

Spontan trifft zu. Und soweit ich weiß, ist Sophias Mutter gar nicht zu Hause, sondern noch am arbeiten. Sie muss für sich und 2 Kinder sorgen und das alles, als eine alleinerziehende Frau.
Anna ist grade erst 35 geworden. Und die, die in Mathe etwas aufgepasst haben, wissen, dass sie dann Sophia mit 18 bekommen hat. Denn Sophia ist ein Jahr älter als ich. Das beste war aber, als ihr Vater, dann als Sophia 1 Jahr alt war, einfach abgehauen ist.

Anna hat mir mal erzählt, dass ihr Ex-Freund ein neues Leben angefangen hat, mit neuer Frau und sogar eine Tochter hat, die jetzt 16 ist.
Also ist der Typ einfach abgehauen für eine andere, hat sie dann ungefähr nach paar Monaten geheiratet und geschwängert. Und nicht ein Gedanke an seine andere Tochter verschwendet.
Woher Anna das alles weiß, frage ich mich heute immer noch.
Dies hab ich alles Sophia nicht erzählt. Und finde, dass es besser so ist, das sie es nicht weiß.
Sophia musste erstmal verkraften, dass ihr eigener Vater abgehauen ist und später ihr Stiefvater. Nur wissen wir nicht, wo er ist und was er macht. Soph hat sich schuldig gefühlt. Jetzt geht es einigermaßen.

Wenn ich einen von beiden sehe, vorallem ihr richtigen Vater, kann der was erleben. Dann kommen meine geheimen Kampfsporttechniken zum Einsatz.

"Das war nicht spontan. Ich habe nur vergessen euch Bescheid zusagen.", lüge ich sie an.

" Und jetzt lege ich auf, weil Sophia auf mich wartet."

Ohne drauf zu achten, dass sie noch was sagen wollen, lege ich auf.

Bin ich jetzt zu einen Teenie mutiert, der seine Eltern an lügt ?
Aber sie sind ja nicht meine Eltern.
Ach was denke ich da für ein Mist.
Ich sollte trotzdem nicht Lügen.

Ich mache mein Handy wieder an und rufe Sophia an. Hoffentlich hat sie ihr Handy noch nicht ausgemacht, wie sonst oft nach 22 Uhr.

"Lou was ist los ?", fragt Sophia sofort.
Sie weiß sofort, ohne was gesagt zu haben, da etwas passiert ist, nur weil ich so spät anrufe.

" Du weißt, ich würde dich nie bitten für mich zu lügen.", fange ich vorsichtig an.

" Jaaaaa. Das weiß ich, warum ?", fragt Sophia.

"Soph. Meine Eltern..", es schmerzt mich das zu sagen ", ..werden gleich bei dir anrufen. Bitte sag ihnen, dass ich bei dir übernachte und das es schon länger geplant war. Bitte. Ich werde dir morgen alles erklären."

Daumen drücken. Bitte lass mich nicht im Stich.

" Ja. Ja ich werde sagen, dass du bei mir bist. Aber wo bis-"

Da wird sie unterbrochen von Aiden, ihrem kleinem Halbbruder.

"Sophia, hier ist eine Frau, die mit dir reden will. Ich habe schon geschlafen, aber dann hat das Telefon geklingelt und ich bin dran gegangen. Bekomme ich Ärger ?", redet er mit seiner kleinkind Piepsstimme.

Aiden ist einfach ein Goldschatz. Ich hoffe, dass er so bleibt und nicht später ein Assi wird, wie heutzutage viel zu viele.

Sophia sagt irgendwas zu ihrem Bruder, was ich nicht verstehe, doch kurz danach redet sie schnell zu mir.

" Ich muss auflegen. Keine Sorge ich werde es machen."

Wie konnte ich nur an Sophia zweifeln, dass sie das nicht macht.

Ich stehe auf, nur um mich auf den Stuhl zu setzen. Der Boden ist etwas zu kalt geworden. Beim hinsetzen meldet sich mein Handy.

"Es ist alles geklärt. Sie glauben mir. Ich weiß nicht, wie lange die Lüge halten wird. Wenn unsere Eltern sich über den Weg laufen, sind wir tote Menschen. Trotzdem habe ich es gerne gemacht für dich. Ich weiß, dass irgendwas los ist. Deine Mutter war richtig sauer, hat mich sogar fast angeschrien, hätte dein Vater sie nicht beruhigt. Ich mache mir Sorgen um dich, weil ich nicht weiß, wo du bist. Morgen möchte ich eine Erklärung von dir. Pass auf dich auf. Gute Nacht, wo immer du grade bist.'

Und wieder wird mir klar, was für eine gute Freundin ich habe.
Viele andere Freundinnen würde erst fragen warum sie meine Eltern anlügen sollen.
Was macht Sophia ? Sie tut es einfach ohne Fragen zu stellen. Erst ein Tag später will sie wissen warum.
Sie ist einfach die beste von allen. Sowas sagen viele zu ihren Freunden, doch bei mir stimmt es.
Sie lenkt mich ab, wenn ich nervös bin.
Sie ist immer für mich da, egal wenn sie riskiert Ärger zu bekommen, so wie jetzt zum Beispiel.
Sie hilft mir da, wo es geht und mehr.
Sie würde mich überall auf der Welt suchen gehen, nur um mich zurück nach Hause zu bringen.

Mir laufen Tränen über das Gesicht.
Warum genau weiß ich selbst nicht. Vielleicht, weil mir grade alles zu viel ist. Eigentlich sollte ich hoch gehen, zurück zu Fabian. Sonst kommt er gleich runter und sieht mich hier wie ein häufchen Elend.
Ich hasse es, wenn man mich sieht, wie ich weine. Nicht nur weil ich aussehe, wie, ja keine Ahnung. Einfach doof, komisch, schrecklich. Wie man will.

" Lucy.", flüstert Fabian neben mir.
Ich zucke zusammen. Was ist nur los mit mir ? Sonst war ich nie so schreckhaft.

" Was ist los ?", fragt er.

Doch ich antworte nicht. Ich will nicht reden. Gar nichts will ich.
Ich bin am Ende. Doch weiß ich, dass es noch schlimmer wird mit meinen "Eltern ", wenn ich morgen früh meine Sachen holen muss.
Bei den Wort " Eltern " zucke ich zusammen.
Ich habe es noch nicht mal laut ausgesprochen.

" Ich habe dein Gespräch mit bekommen." versucht Fabian mich irgendwie zum Reden zu bekommen.

Also hat er gelauscht. Auch egal. Soll es doch die ganze Welt mit bekommen, dass ich nicht zu meinen, wie auch immer will.

" Hast du Streit mit deinen Eltern, dass du nicht nach Hause willst ?", fragt Fabian weiter.

Schon wieder beim Wort " Eltern" zucke ich zurück.
Es sind viele Menschen Eltern. Irgendwann vielleicht selbst ich. Doch viele haben es nicht verdient Eltern genannt zu werden. Weil viele Eltern ihre Kinder misshandeln, sich nicht um sie kümmern, ihnen egal ist was sie machen. Doch weiß ich nicht, ob meine richtigen Eltern es verdienen " Eltern" genannt zu werden. Vieles weiß ich nicht. Doch eins weiß ich, dass ich vor der Zukunft Angst habe.