12. Kapitel

265 27 21
                                    

Ein Kumpel von Alex zieht ihn von mir weg. Ich spüre nur noch Schmerzen. Überall Schmerzen, wo man Schmerzen haben kann.
Das schon vorherig blaue Auge, pocht wie verrückt. Mein restliches Gesicht fühlt sich an, als ob ein Nashorn drüber gelaufen wäre.
Meine Fingergelenke sind offen und bluten. Alles auf einmal, mir tut alles weh. Von Kopf bis Fuß. Außer meinen Füßen, denen geht es gut oder ich merke es einfach nicht mehr.
Mir tanzen schwarze Punkte vor dem Auge. Oh nein, das ist kein gutes Zeichen.

Alex sieht nicht viel besser aus als ich. Etwas überrascht bin ich schon, dass er so zugerichtet ist. Ich muss zugeben, das ich etwas stolz auf mich bin. Flo wäre es auch, wenn er es wüsste.

Alex Lippe ist aufgeplatzt und geschwollen. Ein Bluterguss kann man am Auge schon erkennen. Er steht gekrümmt und gestützt auf den Typen, von dem ich den Namen nicht kenne. Alex sieht so aus, wie ich mich fühle.

Die Menge um uns rum hat sich etwas verringert. Anscheinend haben sie keine Lust mehr, oder sie finden es nicht unterhaltsam genug.
Immer noch ist kein Lehrer zu sehen. Ich habe schon die Hoffnung aufgegeben, dass einer kommen wird. Es ist jetzt sowieso zu Ende. Jedenfalls für mich und ich denke auch für Alex.
Ich drehe mich um und versuche etwas nach vorne zu gehen. Fabian fängt mich auf, bevor ich auch nur annähernd den Boden berühren kann.

Das Adrenalin ist wohl aufgebraucht. Bei meinem 'Kampf' war ich nicht so schlapp. Jetzt könnte ich auf der Stelle schlafen.

" Lucy, geht es dir gut ?", fragt Fabian.

Natürlich geht es mir gut. Warum soll es mir nicht gut gehen? Es ist doch auch gar nichts passiert. Überhaupt nichts, nichts weltbewegendes.

" Mir geht's gut, lass uns hier nur weg gehen.", lüge ich ihn an.

Hinter mir fängt jemand an zu schreien und trampelnde Schritte kommen näher. Ich drehe mich instinktiv um, was ich nicht hätte machen soll.

Alex kommt mit einem rasanten Tempo angerannt, bei dem ich nicht reagieren kann, hätte ich es gekonnt.
Sein Kumpel hinter ihm versucht noch ihn aufzuhalten, doch vergeblich.
Fabian sieht es zu spät, um etwas zu machen.

So habe ich, wie oft heute schon, eine Faust in meinem Gesicht. Dann noch einen Schlag gegen den Kehlkopf.
Diesmal härter als vorher. Regelrecht werde ich von den Füßen gerissen. Nie hätte ich gedacht, dass mir so etwas passieren würde.

Fabian hat auch keine Chance mich aufzufangen. Ich falle wie ein nasser Sack auf den Betonboden. Das ist sehr, sehr, sehr angenehm für den Körper. Jedenfalls verliere ich nicht mein Sarkasmus, sondern nur langsam mein Bewusstsein.
Nur noch nebenbei höre ich Buhrufe und Schimpfwörter gegen Alex. Jedenfalls haben die Leute eingesehen, was für ein Vollidiot Alex ist, wenn sie es vorher noch nicht wussten. Es hat sich definitiv ein bisschen gelohnt, für den Schmerz, den ich haben werde. Denn jetzt spüre ich gar nichts.

Mir tanzen schwarze Punkte vor den Augen. Ich fühle mich, als ob ich schweben würde, als ob ich auf einer Wolke fliege.

Eine Person kniet sich neben mich und fühlt meinen Puls ab. Sieht er denn nicht meine offenen Augen? Der Himmel ist wunderschön, wäre es jetzt Nacht, wäre es noch besser.
Ich liebe es, wenn man die Sterne sehen kann.

Mein Atem wird langsamer.
Mein Blickfeld wird schwärzer und schwärzer. Kann man an einer Prügellei sterben? Ich habe mal gehört, wenn man auf den Kehlkopf geschlagen wird, dass man ersticken kann. Ist es das, was grade mit mir passiert, dass sterben? Wenn ja, will ich noch nicht sterben. Ich will erstmal herausfinden, wer meine Eltern sind.

Ich kämpfe gegen die Dunkelheit an. Es wird besser. Jemand schüttelt an mir. Mein Kopf fällt nach rechts. Ich sehe mein Baum, mein Baum wo ich vorhin noch saß. Den Baum, an den ich immer mit Sophia sitze.
Sophia. Was wird sie von mir denken, wenn sie das alles erfahren wird? Wird sie sauer, oder stolz auf mich sein?
Ich hoffe doch, dass sie stolz ist. Stolz, das ich gegen Alex gekämpft habe und nicht weg gelaufen bin.

Something True Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt