FABIANS SICHT
Ich halte die Hand von der schlafenden Lucy. Sie schläft so ruhig, als ob nichts passiert wäre. Man kann nur an ihren Verletzungen und der Tatsche, dass sie im Krankenhaus ist, erahnen, was passiert ist. Lucy hat sich gegen Alex super geschlagen. Ich bin so stolz auf sie. Nur habe ich solche Schuldgefühle.
Ich hätte dazwischen gehen sollen.
Ich hätte Alex verprügeln sollen, wie ich es auf meiner alten Schule immer getan habe.
Nur weil ich nicht wollte, dass die Leute mich als Schläger abstempeln, ist Lucy im Krankenhaus.Dieser Arsch von Alex musste ihr unbedingt gegen die Kehle schlagen. Sie hätte ersticken, wenn nicht sogar sterben können. Dann wäre es vorbei gewesen und ich hätte sie nicht noch mehr kennenlernen können. Doch Schluss jetzt mit den Gedanken. Lucy wird es wieder gut gehen. Sie wird Schmerzen haben, aber keine bleibenden Schäden. Hoffe ich, sonst bekommt Alex es mit mir zu tun.
Persönlich habe ich auch Schmerzen. Meine Lippe ist aufgeplatzt und ein Veilchen ziert mein Auge. Die Kopfschmerzen nerven mich, doch ich habe kein Arzt an mich ran gelassen. Mir geht's gut. Natürlich bin ich etwas unter Schock, aber körperlich geht es mir gut. Ich spüre nur leichte Schmerzen, die ich ignoriere. Lucy ist viel schlimmer, als ich dran, da muss ich nicht jammern.
Sophia und ich haben uns gestritten, wer mit dem Krankenwagen mitfahren darf. Eigentlich dürfte keiner von uns mitfahren, weil wir nicht zur Familie gehören. Aber der Rettungsdienst war sehr nett und ich habe gesagt, dass ich mit Lucy zusammen bin. Ich hoffe sie nimmt es mir nicht übel. Irgendwas musste ich ja sagen, warum ich mitfahren will. Also hab ich gesagt, ich wäre ihr Freund. Sophia war auch sehr überrascht. Ihr Blick war einfach urkomisch, als ob das was weltbewegendes wäre.
Mein Herz schmerzt Lucy so zu sehen. Sie soll jetzt auf wachen. Ich will sie lachen sehen, glücklich sehen. Nicht so, als sie bei mir übernachtet hat. Da war sie auch schon traurig.
Ich frage mich warum? Warum ist sie so traurig? Im Unterricht war sie die ganze Zeit in Gedanken. Ist das alles wegen Alex und Denise? Ich habe mich nicht getraut zu fragen. Was wäre, wenn sie es falsch verstehen würde? Wir kennen uns nicht wirklich, doch möchte ich sie genauer kennen lernen, doch dafür muss sie erstmal wach werden. Ein junger Mann, der ein soziales Jahr im Krankenhaus macht, meint, dass sie bald aufwachen wird.Der Typ sieht Lucy erstaunlicherweise ähnlich. Irgendwie ist das angsteinfössend.
Ich werde meine Krankenhausphobie für sie einen Moment verdrängen. Seitdem mein Vater und meine kleine Schwester in einem Krankenhaus waren, habe ich Angst vor denen. Es riecht ekelhaft nach Definitionsmittel und beeinhaltet so viel Traurigkeit, dass es schon abfärbt.
In jeder Ecke findet man Trauer. Ein Tag auf den anderen waren sie weg, fort, für immer.Eine kleine Träne kullert mir die Wange runter, doch wische ich sie nicht weg. Es werden immer mehr. Ich kann sie nicht stoppen. Früher war ich überhaupt nicht so. Da war ich kalt und herzlos. Louisa hat versucht mich zu ändern, aber es war erfolglos. Ich habe sie nicht als Schwester gesehen, sondern nur als jemand, der im gleichen Haus wie ich wohne. Alles war mir egal. Meine Eltern, meine Schwester, meine Freunde. Doch waren sie nicht meine Freunde. Die wollten nur was mit mir zutun haben um beliebt zu sein. Ich wünsche mir die Zeit zurück, als wir noch zu viert waren und nicht nur noch zu zweit. Ich wünschte mir, dass ich früher nicht so zu meiner Schwester gewesen war. Zu meinem Vater hätte ich auch anders sein sollen. Jetzt ist alles zu spät. Ich kann nichts mehr ändern....
Lucy erinnert mich sehr an Louisa. Nicht vom Aussehen her, aber vom Charakter. Beide sind verrückt und selbstbewusst, aber auch schüchtern in Situation, die sie nicht kennen. Beide sind so liebenswert, wie sie sind. Nur ein Unterschied gibt es. Lucy ist frecher und macht Kampfsport. Louisa hingegen hat getanzt, wie eine prima Ballerina. Als sie getanzt hat, waren alle bezaubert. Louisa wollte eine berühmte Ballerina werden, vielleicht in New York leben. Doch ist es soweit nie gekommen. An allem ist mein Vater Schuld und gleichzeitig auch nicht. Ich habe aufgehört ihm die Schuld zu geben. Es nützt nix einem Toten die Schuld zu geben.
Die Situation erinnert mich sehr an Louisa. Ich habe auch ihre Hand gehalten und gehofft das sie wach wird. Einen Unterschied gibt es auch hier. Lucy schläft nur und wird sich erholen. Louisa hingegen war im Koma und ist nicht mehr aufgewacht. Ihr Herz hat aufgehört zu schlagen. Urplötzlich sind Ärzte rein gelaufen und haben mich raus geschickt. Alleine habe ich im Flur auf dem Boden auf Gute Nachrichten gewartet. Insgeheim wusste ich schon, dass es nicht gut enden würde. Als der erste Arzt raus kam, war ich mir zu 100 Prozent sicher. Er hatte diesen einen Ausdruck im Gesicht, es war Trauer und Mitleid. Ich habe angefangen zu weinen. Still schweigend. Stunden saß ich noch auf den kalten Boden und habe gewartet, dass meine kleine Schwester hüpfend zu mir gelaufen wäre, doch ist das nie passiert. In diesem Moment war ich so sauer auf meinem Vater. Ich hatte nicht mal die Chance ihn zu beschimpfen. Meine Mutter war am Boden zerstört. Sie hat mir geholfen, so viel es ging, doch selber ging es ihr auch nicht gut. Wir beide haben uns gegenseitig Kraft gegeben. Waren beide einverstanden, dass wir umziehen würde, als wir es nicht mehr im Haus ausgehalten haben. Heute hänge ich mehr den je an ihr. Würde meine Mutter sterben, wäre ich verloren. Ich bin mir sicher, dass ich mich davon nie erholen würde.
Darüber sollte ich mir keine Gedanken machen. Ihr geht es blendend. Jedenfalls gesundheitlich. Mein Vater war ihre große Liebe und wird es immer bleiben. Ich bereue es, nie wirklich was mit ihm gemacht zu haben, außer sich zu streiten. Das gleiche gilt auch für Louisa.
Immer mehr denke ich über die beiden nach. Dabei lasse ich die Hand von Lucy nicht los. Sie ist so weich, aber unnatürlich kalt. Es erinnert mich an ein Märchen, was mir immer als kleiner Junge vorgelesen wurde, auch wenn ich es nie wollte. Ich weiß nicht mehr wie es heißt, doch weiß ich, dass der Prinz eine junge Frau geküsst hat, damit sie wach wird. Soll ich das bei Lucy auch machen? Vielleicht wird sie dann auch wach.
Die Tränen haben aufgehört mir übers Gesicht zu laufen. Trotzdem bin ich mir aber sicher, dass man es erkennen kann. Oft habe ich es, dass ich auf einmal eine Heulattacke habe. Aber nur, wenn ich mich an sie erinnere. Früher wäre es mir peinlich gewesen zu weinen, doch jetzt nicht.
Nicht der, der seine Gefühle nicht zeigt, ist stark, sondern der, der offen damit umgeht.
Ich weiß nicht von wem das ist.
Es kann auch sein, dass ich mir es selber ausgedacht habe.Lucys Hand fängt an in meiner Hand zu zucken. Das Computerding, was anzeigt, wie das Herz schlägt, piepst durchgehend.
Wie bei Louisa kommen die Ärzte angelaufen und schicken mich raus. Die Tränen kommen wieder hoch.
Ich setzte mich auf dem Boden. Bitte lass es nicht so ausgehen wie bei Louisa. Bitte!
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Something True
Novela JuvenilLucy ist ein 16-jähriges Mädchen, das ein Teenager Leben führt. Ein Mädchen, dass wie jede andere auch ihre Hobbys betreibt. Aber was ist, wenn ihre Eltern etwas sagen, womit sie gar nicht gerechnet hat? Wird sie es gut verarbeiten, oder es so gar...