10. Kapitel

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Sophia und Denise zicken sich weiter an. Schon lustig, dass sie das jeden Montag machen. Ich muss mal fragen, ob das zu ihrer Tradition geworden ist.

"Schluss jetzt ihr beiden!", ruft Frau Sturm. " Denise, hör auf so ein Mist über deine Mitschüler zu reden. Vielleicht denkst du mal nach, was du hier in der Klasse mit Alex machst.
So Lucy und Sophia, kommt jetzt nach vorne. "

Sophia und ich gehen lachend zum Klavier. Früher wäre ich am Boden zerstört gewesen, wegen Denise Sprüchen, doch jetzt kann ich nur darüber lachen. Vorallem wegen Frau Sturm, die eigentlich immer zu uns hält.
Vielleicht etwas ungerecht gegenüber den anderen, aber was solls.

Ich setzte mich vor das Klavier auf einen sehr bequemen Hocker.
Sophia dagegen nimmt eine Geige und stellt sich neben mich. Das Lied, was wir spielen werden, hat eine große Bedeutung für uns. Auch wenn das Lied eigentlich über Liebe ist. Freundschaft ist auch eine Art von Liebe.
Und ich denke, dass Freundschaft wichtiger ist.

Als ob wir uns abgesprochen haben, fangen wir gleichzeitig an 'All of me' zu spielen, einer unserer Lieblingslieder.

Sophia war zum ersten Mal in meinem Zimmer, als wir das Lied gehört haben. Es war eine Woche nachdem sie mich auf dem Klo angesprochen hat. Alles war noch so neu für mich, wieder mit einer Person zu reden, die nicht meine Eltern sind. Wir beide waren noch etwas zurückhaltend. Doch als das Lied im Radio lief, da hatte ich noch ein Radio im Zimmer, fingen wir beide sofort an zu quitschen und sangen mit.
Uns war es total egal, dass wir beide überhaupt nicht singen können.
Das einzige was zählte war, dass wir beide das gleiche Lied mögen.
So haben wir auch herausgefunden, dass wir beide Instrumente spielen.
Wir haben uns entsetzt angeguckt und angefangen zu lachen.
Danach hab ich mir das Lied auf mein Handy gezogen und auf Dauerschleife angehört. Den ganzen Tag haben wir es gehört und mit gesungen, bis wir heiser waren und danach auch noch. Meine Eltern waren sichtlich genervt von dem Gesang, aber auch glücklich, dass ich wieder gelacht habe.
Ich liebe dieses Lied einfach. Vorallem ist der Text so wunderschön.
Dieses Lied ist das Erste, was ich mir auf den Klavier beigebracht habe.
Es ist das erste Lied, was ich, nachdem Alex mich betrogen hat, gehört habe.

Leise summe ich die Melodie mit, um dem Takt zu halten. Würden wir alleine sein, würde Sophia und ich sofort anfangen mitzusingen. Was heißt singen? Ich meine doof rumquitschen, als ob man seinen Lieblingspromi gesehen hat.

Als wir mit Spielen fertig sind, legt Sophia die Geige weg und ich stehe auf.
Frau Sturm fängt an zu klatschen. Auch andere steigen mit ein.
Das Alex und Denise nicht klatschen, muss ich jetzt nicht erwähnen.

"Wir haben letzte Woche doch drüber gesprochen, dass viele Musiker nicht mit Gefühl spielen. Deswegen habe ich die zwei spielen lassen, damit ihr mal seht, wie es eigentlich sein müsste. Es war echt schön. Man konnte gut erkennen, dass euch das Lied viel bedeutet. Ihr könnte euch wieder hinsetzten. Ihr habt es echt gut gemacht. Hut ab von mir.", sagt Frau Sturm begeistert, was mich zum Grinsen bringt.

Statt sich hinzusetzten, umarme ich Sophia. "Du hast gut gespielt Pudel.", flüster ich zu ihr.
"Du auch Pudel.", flüstert sie zurück und lässt mich los, damit wir uns hinsetzten können.

Das wir uns Pudel nennen ist zur Tradition geworden, nachdem wir etwas gespielt haben. Warum wir es machen, weiß keiner von uns beiden genau. Es hat sich einfach mal so ergeben.

Sophia setzt sich neben Helen.
Wir dürfen beide nicht nebeneinander sitzen, weil wir sonst die ganze Zeit reden würden.
Da hat sich Sophia zu einer aus ihrer Klasse gesetzt und ich sitze alleine vorne. Aber jetzt nicht mehr.

"Ihr seit echt ein gutes Team.", sagt Fabian leise zu mir.

Meine Wangen werden leicht rot. Muss das jetzt schon wieder anfangen?

"Danke.", sage ich und versuche mich auf den Unterricht zu konzentrieren.

Was in meiner momentanen Situation ziemlich schwierig ist. Immer wieder denke ich an das kommende Gespräch. Was sie mir wohl sagen werden? Insgeheim hoffe ich, dass es nicht allzu schlimm wird.
Und dann muss ich die ganze Zeit noch an Fabian denken, was mich echt wundert.

Die Doppelstunde vergeht wie im Flug. Was wir gemacht haben, weiß ich gar nicht. Die besten beiden Stunden heute, war ich in Gedanken. Und ich wette, dass ich gleich vollkommen anwesend bin, in den Fächern, die mich nicht wirklich interessieren.

"Du bist hier an der Schule?", frage ich Fabian, beim Sachen einpacken.

Erstaunt dreht er sich um.
Was ist den jetzt los? Hab ich was im Gesicht? Heute ist wohl der 'Lucy anstarren'-Tag, was mich total nervt.

"Ähm ja. Heute ist mein erster Schultag. Sorry, aber mich wundert es, dass du jetzt mit mir redest. Vorhin im Unterricht hast du mich ignoriert, dass ich gedacht habe, dass du sauer auf mich wärst.", sagt Fabian zu mir.

Ich muss mir das verträumt durch die Gegend starren und nicht zu merken, wenn jemand mit mir reden will, unbedingt abgewöhnen. Das ist ja furchtbar und total peinlich.

" Warum sollte ich sauer auf dich sein? Ich habe es gar nicht mitbekommen. Tut mir leid, ich bin heute etwas verpeilt.", versuche ich ihm zu erklären.

"Was weiß ich, warum du sauer auf mich sein könntest. Schon gut, aber lass uns mal in die Pause gehen. Wir sind die letzten.", sagt Fabian beschämt. Warum ihm das peinlich ist muss ich jetzt nicht verstehen, oder?

Überrascht schaue ich mich um. Stimmt wir sind die letzten.
Sogar Sophia ist schon gegangen, was sehr merkwürdig ist. Sonst wartet sie immer auf mich. Vielleicht muss sie noch ein Lehrer etwas fragen.

Mit Fabian hinter mir, gehe ich auf den Schulhof. Der Pausenhof ist relativ klein, im Gegensatz zu dem Gebäude. Beim Schulhofbau hatte die Stadt wohl kein Geld mehr. Sophia ist weit und breit nicht zu sehen.
Jetzt hör doch auf dir so Sorgen zu machen. Sie ist bestimmt nur auf Klo oder bei Helen. Trotzdem ist es ungewöhnlich. Sonst ist sie ja immer bei mir. Ehrlich gesagt, fühle ich mich etwas einsam ohne sie.

Ich setzte mich zu meinen Stammplatz an meinen Baum.
Es ist etwas Abseits der anderen Schüler. Nicht von kleinen Nervensägen umgeben. Schon immer hab ich mich hier hin gesetzt. Andere finden es verrückt, dass ich mich unter diesen alten Baum setze, doch ich finde das relativ normal. Das einzige was mich an den Baum stört, ist das reingeritzte L+A=♡ im Baumstamm. Und das ich es nicht mehr weg bekomme, als ob es mit Zauberei versehen ist.
Vielleicht ist der Baum, der gleiche Baum wie bei Harry Potter. Heißt der nicht die peitschende Weide?
Aber dann könnte ich hier nicht sitzten, weil der Baum mit seinen Ästen jeden weg schlägt, der zu nahe kommt.
Ich muss mir nochmal die Harry Potter Bücher durchlesen.

Wenn die Kommentare von Alex mich zu sehr nerven, dann kletter ich auf den Baum bis nach oben. Sodass keiner mich sieht. Da Sophia Höhenangst hat, kann sie nicht zu mir kommen, was manchmal echt ein Vorteil ist. Auch wenn ich sie ganz doll lieb habe, kann sie auch nerven. Ich nerve sie aber auch zwischendurch mal.

Aber heute bliebe ich ausnahmsweise mal auf den Boden. Fabian setzt sich überraschenderweise neben mich.

"Das ist ein schöner Platz. Hier hat man alles in Blick und ist für sich.", sagt er, was mich zum lächeln bringt.

Da hat er recht. Man hat alles im Blick. Leider auch Alex und Denise, die sich wieder am ablecken sind. Doch was solls. Mit ihm bin ich durch. Für mich fängt jetzt alles neu an. Mein ganzes Leben wird neu werden und vielleicht ist Fabian auch ein Teil davon.

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