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Kennt ihr das, zu große Angst zu haben, etwas zu tun und deswegen tut ihr genau diese Sache nicht? Auch wenn es euer ganzes Leben verändern könnte? So geht es mir, als ich vor meinem Computer sitze und facebook offen habe. Oft benutze ich es nicht, sehe nicht den Sinn der Seite. Falsche Leute, die mit falschen Details versuchen sich ins falsche Licht zu rücken.

Falschheit, wohin man sieht.


Morgen geht die Schule wieder los. Ich habe Jo gesagt, dass ich heute Nacht nicht kommen kann und sie hat wissend genickt, bevor sie wieder geschlafen hat.


»Elias, hast du Za gesehen?«

Tante Pen steckt den Kopf zur Tür herein und hat die Stirn in Falten gelegt. Sie ist jünger als Ma, hat die Haare blond gefärbt und ist Schauspielerin gewesen. Irgendwann einmal. Jetzt leitet sie das zweite MoonHour der Stadt.

»Heute noch nicht, wieso?«

An Sonntagen ist meine Familie meistens auch komplett. Heute jedoch ist der letzte Ferientag, Fia und Luca sind mit ihren Freunden das Ende der freien Zeit betrauern und sonst lebt niemand mehr hier. X ist gestern abgeholt worden und Mum hat versprochen, dass es das erst einmal war. Sie selbst braucht etwas Ruhe im Haus und will endlich anfangen, den Ostflügel zu renovieren, wie schon vor ewigen Wochen angekündigt.

»Mist«, flucht Tante Pen und wendet sich ab, bevor sie zurückkommt. »Was machst du da?«

Ertappt.

»Es geht um deine Geisterfreundin, nicht wahr?« Das Lächeln in ihrem Gesicht ist enorm, als sie in mein Zimmer kommt und sich auf das Bett setzt. »Ich werde dich nicht ausfragen, das ist uncool, aber hast du sie schon geküsst?«

Ich rolle mit den Augen.

Tante Pen ist der ewige Single. Seitdem sie vor sieben Jahren in unser Leben getreten ist – aktiv in meins, meine ich. Ich wusste vorher schon, dass ich eine Tante habe, durfte sie aber nie kennenlernen – hat sie immer wieder wechselnde Freunde. Nie bleibt einer lange. Sie hat also auch nie geheiratet oder Kinder bekommen, was schade ist. Einen Cousin oder eine Cousine zu haben, fänd ich irgendwie cool. Das ist wie ein Geschwisterchen, nur ... entfernter. Man ist automatisch befreundet und muss einander nicht täglich sehen. Wie ein Traum.

»Ich glaube, sie ist krank«, sage ich und erzähle ich, was ich von Jo weiß. Mit Tante Pen kann ich das. Sie macht keine allzu dummen Kommentare oder schaut mich mit Herzchenaugen an. Sie war die Erste, die gesagt hat, dass mir ein männlicher Bezug fehlt und hat mich bei einigen Sportclubs angemeldet. Was schief gegangen ist. Anschließend hat sie mich sehr oft ins zweite MoonHour mitgenommen, wo Lucian arbeitet. Er war sowas wie mein erster Babysitter überhaupt. Arbeitet schon seit vor meiner Geburt für Ma und ist ein richtig cooler Typ. Er hat drei kleine Schwester und weiß deswegen, wie es für mich ist, von lauter Frauen umgeben zu sein. Ab und an sehe ich ihn noch und ich weiß, dass er Tante Pennie mag. Wenn sie es nur auch sehen würde ...

Wenn ich mal ein Drehbuch schreibe, lasse ich die beiden zusammenkommen. Es wäre eine hervorragende Liebesgeschichte und ich würde Preise gewinnen. Und auf den ganzen Partys würde ich die beiden tatsächlich verkuppeln. Was bin ich doch für ein alter Romantiker.

»Darf ich dir einen Rat geben?«, fragt sie vorsichtig und beißt sich auf die Unterlippe. »Pass auf dich auf. Es klingt so, als hättest du eine ... Bindung zu diesem Mädchen aufgebaut. Aber sollte sie wirklich krank sein ...«

»Ich weiß«, unterbreche ich sie. »Ist auch egal. Ich werde sie eh nicht mehr wiedersehen können. Die Schule geht ja wieder los.«

Mit einem weiteren Lächeln erhebt Tante Pennie sich von ihrem Platz und geht langsam hinaus. Mir wird bewusst, dass ich sie nicht noch einmal gefragt habe, was sie von Ma wollte.

Everyday at midnight {I look up to the stars}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt