[A/N: Die erste Leserrückmeldung hat mich gestern erreicht ❤️ Es flossen Tränen, so viel ist sicher :D Also bei mir, weil es so süß war. Aber vielleicht ja auch bei ihr? Wer weiß ;) Jedenfalls! Ich weiß, ich brauche immer Aufmerksamkeit. Aber es wäre meeeega, wenn ihr mir eure Fotos von Everyday zeigen könntet. Entweder vom rosa Buch, vom blauen Buch, von beiden ? Vom ebook - Mir ist das egal ❤️ Wer mir auf instagram folgt, weiß, dass ich schonmal eine Collage erstellt habe und das zu sehen macht mich unglaublich happy ❤️ So. Aufmerksamkeitsersuch vorüber. Ab zum richtigen Kapitel. 2 folgen noch, dann dürft ihr ENDLICH zum vierten Teil!]
Als ich am Morgen erwache, frage ich mich, wann ich eingeschlafen bin. Ich wollte Jo die ganze Nacht beobachten, ihre Gesichtszüge studieren, es genießen, sie im Licht zu sehen. Wenn es auch so unschöne Umstände sind.
Sie ist wach, was mir erneut nicht viel Zeit gibt, um nachzudenken. Aber genau das ist, was ich tun muss. Ich muss sie überreden mit mir zu den Behörden zu gehen. Wir müssen klären, wer dieses Arschloch war und wir müssen etwas gegen ihn unternehmen. Wir müssen dafür sorgen, dass das nie wieder passieren kann. Und wir müssen sie ärztlich versorgen.
»Ich glaube, ich habe mich in dich verliebt«, murmelt Jo neben mir und lächelt leicht. Sie liegt flach auf ihrem Rücken, den Kopf leicht zur Seite gedreht. So wie ihr Brustkorb aussieht, hat sie mindestens zwei Rippen geprellt, vielleicht gebrochen. Sie kann von Glück reden, dass sie noch laufen kann. Und ich Trottel nehme sie auf meinem Roller mit. Was bin ich für ein toller Held.
»Da spricht nur die Müdigkeit aus dir«, erwidere ich und küsse sie vorsichtig auf den Mundwinkel, wo die Lippe nicht aufgeplatzt ist. Dabei weiß ich, dass ich sie ganz sicher liebe. Ob Verliebtheit oder Liebe, ich sehe keinen Unterschied. Ich weiß nur, dass ich sie nicht mehr verlieren will. Oder kann.
Wir liegen eine halbe Ewigkeit still da. Schauen uns an. Küssen uns. Irgendwann bricht sie ihr Schweigen, erzählt von ihrem Zuhause, von ihrer Mutter, die vor einigen Jahren fortgegangen ist. Von ihrem Vater Arne und ihrem älteren Bruder Florian, die Jo und ihre Schwester seit Jahren einsperren und bevormunden und Jo, die sich vor einem Jahr das erste Mal dagegen gewehrt hat.
»In der Nacht kam Florian das erste Mal in mein Zimmer«, sagt sie zitternd und ich drücke sie so eng an mich wie ich kann, ohne sie zu verletzen. »Er hat mich gewürgt, bis ich bewusstlos wurde. Und als ich am nächsten Morgen unserem Vater davon erzählte, hat er nur gelacht und gefragt, wieso Florian nicht gleich weiter gemacht hat. Die Familie hätte ja Josie als Tochter, das reicht.«
Ich ... weiß ... nicht ... weiter. Meine Gedanken fahren alle Karussell. Bewegen sich zu schnell. Im Kreis. Wut und Zorn und Abneigung und Entrüstung und Empörung und Ärger wirbeln herum und lähmen mich. Menschen wie Arne und Florian sind keine Menschen, denen es erlaubt sein sollte, draußen umherzulaufen. So etwas einem hilflosen Mädchen anzutun ... Sie auszulachen. Ihre Schwester zu verschonen und Jo als die unnütze Tochter darzustellen ...
»Ich bin ein paar Mal weggelaufen, aber sie finden mich immer wieder«, beendet sie ihre Ausführung und weint an meiner Schulter. Heiße Tränen, die meinen Pullover einnässen. Zu mehr ist sie eine lange Zeit nicht mehr fähig.
Kurz darauf schläft sie wieder und endlich habe ich Zeit. Zeit um nach meinem Handy zu greifen. Zeit um die siebenundsechzig verpassten Anrufe und die dreihundertneun Nachrichten zu ignorieren, die darauf eingetroffen sind. Stattdessen schreibe ich Nora, dass ich morgen nicht zur Schule komme und mich später wieder bei ihr melde. Dann stelle ich das Handy wieder aus. Was ein Fehler ist. Ein riesiger, katastrophaler Fehler, den ich keine fünf Minuten später bereue. Denn Tante Pennie kommt in die Wohnung gestolpert. Mit hochroten Wangen, wirren Haaren und einem Ausdruck im Gesicht, der ... nun, sie sieht aus wie eine Furie.
»Du bist sowas von im Arsch«, sagt sie atemlos und stützt sich an der Wand ab. Ihre Brust hebt und senkt sich schnell. Jo neben mir jammert, als sie sich aufrichtet.
Fuck. Fuck. Fuck. Fuck. Fuck.
Habe ich vergessen Tante Pennie zu sagen, dass ich zu meiner Bank fahre? Ja. Habe ich vergessen ihr zu schreiben, dass ich über Nacht wegbleibe? Ja. Habe ich vergessen ihr gerade eben zu schreiben oder sie anzurufen, um ihr mitzuteilen, dass es mir gut geht? Ja.
»Weißt du eigentlich wie beschissen es ist, wenn man aufgeweckt wird, weil du fehlst? Wie demütigend es ist, zu merken, dass du den Eltern-Code der Alarmanlage kennst und ihn benutzt hast, um dich aus dem Haus zu schleichen? Weißt du wie furchterregend es ist, mit deiner besten Freundin zu telefonieren und sie weiß nicht, wieso du nicht Zuhause bist und dass du eigentlich nur zu deiner Bank fahren wolltest?«
Ich lasse Tante Pennie reden, während Jo langsam den Reißverschluss ihrer Jacke schließt. Auch sie scheint sich schlecht zu fühlen und es tut mir leid. Sie diesem Theater hier auszusetzen, tut mir leid. Tante Pennie verängstigt zu haben, tut mir auch leid. Doch ich würde es immer wieder tun. Denn Jo braucht jemanden und dieser Jemand bin nun einmal ich.
»Hast du auch nur die leiseste Ahnung, wie es ist, wenn man vierzigmal bei der Polizei und in den Krankenhäusern anruft, um zu erfahren, ob jemand mit deiner Beschreibung eingeliefert oder festgenommen wurde? Und weißt du wie scheiße es ist, wenn man deine Mütter anruft, um ihnen zu sagen, dass du verschwunden bist und dein Handy nicht angeschaltet ist und dass kein beschissener Mensch in der Stadt eine Ahnung zu haben scheint, wo du bist?«
Ihre Stimme wird beängstigend laut. Wirklich beängstigend. Und doch ... Ich kann nicht sagen, dass es mich jetzt beeinflusst, was sie sagt. Ja klar, ich wollte nicht, dass sie sich Sorgen macht. Ich wollte auch nicht, dass sie Ma oder Mum anruft. Ich wollte nur meine Freundin zu einem sicheren Ort bringen und ich bin nicht der einzige Teenager, der sich nachts rausschleicht und erst am nächsten Abend wiederkommt. Es ist gerade einmal neunzehn Uhr. Ich bin noch keine 24 Stunden weg gewesen. Wieso macht sie gleich so eine riesige Sache draus?
Ihr das zu sagen ist eine dumme Idee, nicht wahr? Kein Wunder, dass ich es getan habe.
Tante Pennie gibt mir eine Ohrfeige. Woraufhin Jo erschrocken aufschreit und aus dem Haus rennen will. Nur mit Mühe und einem Sprung, den man Olympia-klasse nennen könnte, halte ich sie davon ab.
»Jo, geh nicht«, raune ich und halte mir meine Wange. Ich drehe mich zu Tante Pennie um, die mich geschockt ansieht. »Ich verstehe allmählich, wieso Ma nicht wollte, dass du in meiner Nähe bist«, ist das letzte, was ich sage, bevor ich mit Jo verschwinde. Um nach Hause zu fahren. In mein richtiges Zuhause. Scheiß drauf, was Tante Pennie sagt. Scheiß drauf, was sonst passiert. Ich bleibe bei meiner Meinung, dass ich nur Jo beschützen wollte. Und das auch weiterhin tue. Der Rest ist mir egal.
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Everyday at midnight {I look up to the stars}
RomanceSie riecht nach Kaffee, Büchern und Orangen. Sie hat sturmgraue Augen, die an verregnete Tage erinnern. Mit einem kleinen Strahlen darin, das Nacht für Nacht mit den Sternen am Himmel konkurriert. Sie ist seit kurzem immer da. Immer hier. Und nie wo...