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»Ich bin Jo.«

»Jo?«, frage ich nach und beiße in meinen Regenbogen-Cupcake. Gefüllt mit Smarties. Wie Ma es hinbekommt, dass sie beim Backen nicht schmelzen, weiß ich nicht, aber sie sind genial. Weswegen ich mir heute einen mitgebracht habe und der mysteriösen Fremden – namens Jo – erneut einen Kokosnuss-Cupcake.

»Kurz für Johanna.« Sie lächelt mich an, lehnt sich auf der Bank zurück und hält einen Arm auf der Lehne. Nacht für Nacht dieselbe Kleidung. Ob sie sie jeden Tag wäscht? Überhaupt wäscht? Alles, was ich an ihr rieche, ist dieser penetrante Geruch nach Orangen. Und etwas anderem.

»Schön einen Namen zu deinem schönen Gesicht zu haben.«

Sie lacht. Gutes Zeichen, nicht wahr?

»Elias hat auch ein schönes Gesicht«, erwidert sie grinsend. »Und er hat einen hartnäckigen Charakter.«

»Man muss für das kämpfen, was man will.« Der Leitspruch meiner Mum. »Außerdem hat es sich ja ausgezahlt. Ich entdecke endlich das Geheimnis hinter dir.«

»Geheimnis? Es gibt kein Geheimnis zu lüften.« Kurz verschwindet ihr Grinsen. Als hätte sie kein Geheimnis. Jeder hat welche. »Ich bin nur ein gewöhnliches Mädchen.«

Jetzt lache ich. »Klar. Du tauchst eines Nachts hier auf, bist ganz alleine und verschwindest in die Dunkelheit. Vollkommen normal.«

»Jeder läuft doch vor einer Sache davon. Ich sitze gerne hier. Die Bäume erinnern mich an mein Zuhause.«

Ich sage ihr nicht, dass ich dasselbe denke. Dass sie mich an meine Mütter erinnern, an mich, an uns. Sie ist seltsam, vielleicht bin ich es auch, der seltsam ist. Auf alle Fälle ist es witzig, mit ihr zu sprechen. Ihre Stimme hat etwas melodisches an sich.

»Ich bin nicht allein«, sagt sie nach einigen Minuten des Schweigen.

Ich weiß, was sie gleich sagen wird. »Ich habe ja dich«. Und ich werde sagen: »Wollen wir uns nicht einmal tagsüber treffen?« Denn dann kann ich sie besser ansehen.

Was sie stattdessen sagt, trifft es jedoch nicht ganz. Aus ihrer Jackentasche holt sie ein kleines Buch, kaum größer als eine Handfläche. Könnte ein Notizbuch sein oder eins der Reclam-Heftchen. Sie hält es kurz hoch, ehe sie es wieder wegsteckt.

»Ich führe Buch.«

»Worüber?«, frage ich sie, erhalte jedoch keine Antwort mehr.

Everyday at midnight {I look up to the stars}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt