Kapitel 16

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Kapitel 16

Praktisch sofort nachdem ich aufgehört hab zu weinen, hab ich einen neuen Plan gefasst. Wenn Michael nichts von mir will, nicht mal mein Freund sein will, dann...
Sagen wir so, ich hatte recht unschöne Gedanken, und sobald meine Wut auf ihn verflogen ist, war ich froh sie niemandem gegenüber ausgesprochen zu haben, aber der Plan ist geblieben. Ich habe Luke nur die halbe Wahrheit erzählt, indem ich das alles mit dem Kuss und meinen eventuellen Gefühlen für Michael weggelassen habe. Er hat mich getröstet und gesagt, dass ich Michael etwas Zeit geben muss.
Er sieht es aber genauso wie ich. Wenn wir alle zusammenhalten, dann können sie uns nichts anhaben und auch er will Michael auf jeden Fall helfen. Niemand sollte sowas durchmachen müssen. Trotzdem sagt er, dass ich ihm einfach Zeit geben muss, damit er das sieht und dann wird er sich auch nicht mehr gegen meine Freundschaft sträuben.
Aber mein Plan sieht anders aus und ich setze ihn direkt am nächsten Tag um. Wir laufen in die Schule und ich zupfe an Lukes Ärmel, um seine Aufmerksamkeit von einem Vogel, der vor ihm wegfliegt ab- und auf mich zu lenken.
„Ich warte auf Ashton, okay?", frage ich lieb und deute auf den Schulparkplatz.
„Uhh... klar?", sagt Luke und wirft mir einen fragenden Blick zu. Ich weiß, dass er gestern bemerkt hat, dass mir Ash manchmal etwas unheimlich und zu viel war.
„Er...", ich lache unbeholfen auf und streiche mir das Pony etwas aus der Stirn: „Er hat mich gestern wieder geküsst."
Luke und Calum starren mich aus großen Augen an.
„Es könnte sein, dass ich danach einen kleinen Ausraster bekommen hab und weggelaufen bin?", füge ich unbehaglich hinzu und Luke schlägt sich mit der Hand gegen den Kopf. Dann schlägt er mir aber gegen den Arm.
„Au!", brülle ich und reibe über die Stelle. Ich funkle Luke wütend an und er lacht mich nur aus: „Das ist dafür, dass ich erst jetzt davon erfahre!"
„Sorry, dass ich gestern andere Probleme hatte!", gebe ich zurück und sofort hört Luke auf zu lachen.
„Okay, okay... Wir gehen auch weg, sobald er ankommt", sagt Luke und dann gehen wir zu dritt zum Parkplatz.
„Warum nimmt er dich eigentlich nicht mit, wenn er mit dem Auto fährt?", fragt Luke und Calum verzieht das Gesicht.
„Er hat es mir angeboten, aber er fährt vorher seine Geschwister zur Schule und dann müsste ich früher los, als wenn ich einfach mit euch mit dem Bus fahre..."
„Wie ätzend", meint Luke und ich nicke. Es wäre schon cool, wenn Ash uns alle zur Schule fahren könnte...
„Das ist er", sagt Calum und deutet auf einen relativ alten, kleinen Wagen.
„Okay, bis nachher Liv", sagt Luke und drückt mich kurz mit einem Arm an sich, dann gehen die Beiden weg.
Ich warte lächelnd auf Ashton und gehe dabei langsam auf sein Auto zu. Er bemerkt mich nicht und steigt aus. Er geht an den Kofferraum und holt sich seine Tasche raus. Ich mustere ihn von hinten. Er hat wieder eine schwarze Jeans an, aber heute hat er dazu einen ziemlich fluffig und kuschelig aussehenden grauen Pullover an. Natürlich sieht er darin gut aus und sobald er sich umdreht, die Tasche an einer Schulter hängen hat und sich wieder die Brille mit einem Finger hochschiebt, sieht er einfach schon aus wie ein Collegestudent.
„Hey!", rufe ich und winke ihm zu. Er schaut zu mir und er sieht erst verwirrt, dann unsicher und zuletzt glücklich aus. Ich laufe zu ihm rüber und schlinge meine Arme um seinen Nacken. Ich drücke ihm einen Kuss auf die Wange und lasse ihn erst danach wieder los.
Ich hab Angst, dass er fragt, was in mich gefahren ist, aber das tut er nicht. Er strahlt mich einfach nur breit an und legt seine Hand an meinen Rücken.
„Guten Morgen", begrüßt er mich dann und ich erwidere es mit einem leichten Kichern.
„Musst du noch an deinen Spind oder so?", frage ich ihn und er nickt: „Ja, ich will ein paar Sachen reinlegen."
„Gut", sage ich und diesmal greife ich nach seiner Hand und verschränke unsere Finger miteinander. Er drückt meine Hand leicht und ich lasse mich von ihm zu seinem Spind führen. Er ist irgendwo ganz am Ende des Gebäudes, weil er ja erst später im Jahr dazugekommen ist.
„Können wir vor Mathe auch noch schnell an meinem Spind vorbei?", frage ich ihn.
„Können wir. Wieso denn?"
„Ich will meine Jacke ablegen", sage ich und zupfe an meiner Jeansjacke herum. Ich hab darunter ein Top und einen dünnen Pulli und jetzt ist mir damit doch zu warm.
„Gib her", sagt Ash aber und greift an die Jacke. Ich schaue ihn verwundert an, aber er geht hinter mich und zieht mir die Jacke aus – auch wenn es etwas umständlich ist, weil ich erst noch eilig meinen Rucksack absetzen muss. Dann legt er sie ordentlich in seinen Spind hinein und grinst mich an: „Erledigt!"
Ich lache auf und will sie wieder rausziehen, aber er hält mich auf: „Ist doch egal, ob sie bei mir oder dir drin liegt. Wenn du sie wiederhaben willst sagst du nur Bescheid und ich bin gleich da und gebe sie dir."
Ich werde ein bisschen rot und nicke dann aber. Ash ist wirklich toll...
Er macht seinen Spind wieder zu, greift meine Hand und dann gehen wir zusammen zu Mathe. Es ist ein gutes Gefühl Ashton an meiner Seite zu haben... Wie auch gestern gibt er mir einen kurzen Kuss auf die Wange, bevor er sich auf seinen Platz setzt. Ich lächle ihn kurz an und drehe mich dann nach vorne und mache mich für den Unterricht bereit.
Etwas bringt mich dazu mich im Unterricht kurz umzudrehen und ich folge meinem Bauchgefühl. Hinten sitzt Michael und schielt zu mir rüber. Sobald er mich hinschauen sieht, setzt er sich ein bisschen auf und schenkt mir ein kurzes Lächeln. Ich beiße die Zähne zusammen und versuche das automatische Lächeln, dass bei Michael immer kommt, abzustellen. Stattdessen drehe ich mich noch weiter rum und grinse Ashton an. Er grinst sofort total niedlich zurück und zeigt dann mit dem Stift nach vorne und sagt dann ganz leise: „Zuhören, sonst muss ich dir noch Nachhilfe geben!"
Es bringt mich zum Lachen, aber ich drehe mich wirklich um und mache mir weiter Notizen. Der Tag verläuft gut und ich gewöhne mich daran, dass plötzlich immer Ashton an meiner Seite ist. Das Essen könnte etwas komisch sein, weil unter Garantie jeder gemerkt hat, dass zwischen Michael und mir etwas nicht stimmt, aber Ashton war ein Engel und hat einfach nur mit mir ein bisschen Blödsinn gemacht und ganz viel mit mir geredet, damit es gar nicht zu einer peinlichen Stille kommen kann. Ashton begleitet mich heute auch zu Bio und fragt nicht, warum ich von gestern auf heute meine Meinung geändert habe. Dabei muss es so seltsam für ihn sein, weil ich gestern noch regelrecht darum gebettelt hab, dass er mich da nicht begleitet...
Und Bio ist dafür wieder so richtig unangenehm. Michael und ich sitzen schweigend nebeneinander und ich spüre regelmäßig seine Blicke auf mir, versuche ihn aber so gut es geht zu ignorieren... Es ist echt schlimm. Es tut mir fast physisch weh, wenn ich seinen enttäuschten Blick aus dem Augenwinkel sehen muss, aber...
Ich seufze einfach und hoffe, dass die Stunde ganz schnell vorbeigeht.
Sobald sie rum ist sprinte ich aus dem Raum raus und renne Ashton beinahe um. Er fängt mich ab mit einem gelachten „Woah!" und ich schließe für eine Sekunde die Augen, um durchzuatmen, weil das doch recht peinlich war gerade.
„Nicht so stürmisch, junge Lady", lacht er dann und ich entschuldige mich leise. Er schaut aber dann auch schon über mich hinweg.
„Hey Michael", sagt er und ich zucke bei Michaels Namen richtig zusammen.
„Uh... ja?", höre ich ihn sagen.
„Ich kann dich auch mitnehmen, wenn du willst. Ich fahre schon Calum und Luke und Liv heim, da kann ich dich auf Fahren", schlägt Ash vor und schlingt einen Arm um meine Taille.
Ich sehe genau, wie Michael die Bewegung verfolgt und leicht das Gesicht verzieht.
„Ist in Ordnung, ich kann laufen", sagt er und Ashton zuckt mit den Schultern: „Ich kann dich echt fahren."
„Nein, nein... ein anderes Mal vielleicht", sagt Michael und will gehen.
„Ich werde jetzt wohl jeden Nachmittag Fahrdienst spielen... also schließ dich einfach an, wenn du magst, okay?", sagt Ashton und fängt ihn nochmal ab.
Michael blinzelt ihn überrascht an: „O-okay..."
Wir verabschieden uns mit einem kleinen Winken und auch Michael winkt nur etwas halbherzig und geht davon. Ich schaue ihm hinterher, bis Ashton mich langsam zum Parkplatz zieht. An seinem Auto lehnen schon Luke und Calum und Luke grüßt mich mit einem breiten Lächeln. Ich lächle zurück und wir steigen ein. Luke und Calum auf der Rückbank und ich auf den Beifahrersitz. Ash macht laut Musik an und die Jungs brüllen lachend bei diversen Songs mit, bis Luke Ashton genau sagen muss, wo er langfahren muss. Am Ende bleibt er direkt vor unserem Haus stehen.
„Okay, danke fürs Fahren, Ash", lächelt Luke und verabschiedet sich mit einem leichten Handschlag von Calum.
„Bis dann, Luke", meint auch Ash und winkt ihm von vorne zu.
„Bye Cal", sage ich und drehe mich zu Calum um. Der winkt mir fröhlich zu und ich lächle und drehe mich wieder nach vorne. In dem Moment, in dem ich Ashton anschauen will, greifen zwei Hände nach mir, legen sich an meine Wangen und ohne eine Warnung oder mir auch nur eine Sekunde zu geben, lehnt er sich rüber und presst seine Lippen in einem nicht sehr sanften Kuss auf meine. Es dauert auch nur vielleicht eine Sekunde, dann lässt er mich los und zieht sich zurück.
„Bis morgen", grinst er dann, als ob er mich nicht gerade vor einem Freund und meinem Bruder einfach so geküsst hätte.
Etwas perplex sitze ich da und Luke muss am Ende die Tür aufmachen und mich rausziehen, bevor ich wieder auf irgendetwas reagieren kann. Dann schlägt er die Tür zu, winkt nochmal und zieht mich zu den Stufen vor unserem Haus. Am Auto in der Auffahrt erkenne ich, dass Mum oder Dad zuhause sein müssen und lasse mich auf die Treppen fallen. Luke setzt sich neben mich und grinst mich an.
„Ash scheint dich echt zu mögen", grinst er und ich bin immer noch ein bisschen schockiert von dem plötzlichen Kuss.
„Jetzt sei doch nicht so schockiert... Wenn er bald dein richtiger, fester Freund ist, dann wird er dich öfter küssen", sagt Luke und stupst mich an.
„Warum muss er es immer genau dann machen, wenn ich es absolut nicht erwarte?", frage ich Luke und er zuckt mit den Schultern.

Highschool Nightmare - Michael Clifford FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt