Man sollte meinen, dass es Michael und mir am nächsten Tag endlich besser geht, aber nein. Ich fühle mich wieder total steif und der dumpfe Schmerz pulsiert immer noch durch meinen Arm und Fuß. Ich hoffe ja immer, dass das bedeutet, dass der Körper etwas tut und es heilt...
Dafür hat sich auf sämtlichen von unseren kleinen Kratzern und den aufgeplatzten Lippen ein schöner fester Wundschorf gebildet und ich kann die ersten kleinen Stückchen von der Kruste abfummeln. Die blauen Flecken vergilben langsam und ich fühle mich unfassbar unattraktiv mit meiner gelb-blauen Wange.
Aber eine Sache macht das alles viel besser: Ich wache am Samstagmorgen neben Michael auf. Ich habe schon das Gefühl früh aufzuwachen, aber Michael scheint schon vor mir wach zu sein. Ich liege auf der Seite, mein gesunder Arm unter meinem Kopfkissen und von hinten spüre ich Michaels warmen Körper. Ich liege ziemlich in der Mitte vom Bett, was Michael hinter mir nicht besonders viel Platz gibt, aber er berührt mich kaum. Nur eine von seinen Händen spielt am Rücken mit meinen Haaren herum und ich kriege eine Gänsehaut, weil seine Finger immer wieder über meinen Rücken geistern, um eine neue Strähne von meinen blonden Haaren einzufangen und sie um seinen Finger zu drehen.
Das reicht aus, um all den Schmerz für ein paar Minuten zu vergessen und ich schlafe unter seinen zarten Berührungen wieder ein.
Vielleicht zwei Stunden später wache ich wieder auf, weil Calum und Luke leise auf dem Fernseher ein Kampfspiel spielen und dabei fluchen. Dieses Mal liegt Michaels warme Hand unter der Decke auf meiner Seite, aber ansonsten berührt er mich wieder nicht. Er ist ebenfalls wieder eingeschlafen und ich schließe auch wieder die Augen und tue einfach so, als ob ich schlafen würde, bis Jack an die Zimmertür klopft und uns zum Frühstück ruft.
Kurz danach ruft Mum kurz an und sie will unbedingt mit mir reden, um zu fragen, ob es mir inzwischen bessergeht und sie will sicherstellen, dass ich mir wirklich nur den Magen verdorben habe und nicht krank bin. Ich versichere ihr, dass alles wieder okay ist und Jack bestätigt es.
Für den Rest des Tages sitze und liege ich wieder nur rum. Calum muss mittags nach Hause, weil seine Mutter ihn anruft und möchte, dass er zum Mittagessen zuhause ist. Das ist der Moment indem Michael auch nach Hause gehen möchte, aber ich biete ihm sofort an, dass er noch bleiben kann. Er ist sich unsicher, aber Jack und Luke beteuern, dass es in Ordnung ist und so bleibt Michael wieder den ganzen Tag und leistet mir auf dem Sofa Gesellschaft, während Luke Sport macht und sich um Molly kümmert.
Noch vor dem Abendessen geht Michael dann aber. Ich biete ihm an, dass Jack ihn fahren könnte, aber er will es einfach nicht und beteuert, dass er locker mit dem Bus fahren könnte und unsere Gastfreundschaft schon genug strapaziert habe. Unwillig lasse ich ihn gehen und schaue ihm aus der Haustür noch nach. Das leichte Humpeln ist nicht zu übersehen, aber je weiter er geht, desto besser wird es.
Jack und Luke machen zum Abendessen ein paar einfache Sandwiches und Luke hilft mir in unser Zimmer hoch. Wir beschließen dort vor dem Fernseher zu essen und Jack ist es egal. Er geht einfach auch in sein Zimmer, um zu Essen. Wir schauen ein paar Folgen How I Met Your Mother, aber ich werde schnell müde und drohe wegzudösen.
Luke spürt es wohl und macht den Fernseher und das Licht aus. Ich kuschle mich in mein Kissen und schenke ihm einen dankbaren Blick. Er lächelt nur kurz und legt sich dann auch in sein Bett. Eine Weile sitzt er am Handy und ich kann sein Gesicht in dem bläulichen Schein vom Display sehen. Er lächelt ab und an ein bisschen und tippt danach etwas. Er schreibt wohl mit jemandem.
Aber dann legt er das Handy plötzlich auf seine Matratze und ich kann ihn nicht mehr sehen. Das kleine Ding vibriert hörbar gegen sein Bett, aber er hebt es nicht mehr auf.
„Jetzt erzähl", fordert er mich auf.
„Was?", frage ich, obwohl ich eine gute Vorstellung davon habe, was er möchte.
„Du und Michael."
Jap, genau das hatte ich gedacht.
Ich ziehe die Decke unter mein Kinn und versuche mich bequem hinzulegen. Luke wartet geduldig, obwohl er weiß, dass ich nur eine neue Position suche, um mich zumindest noch für ein paar Sekunden vor der Antwort zu drücken. Aber irgendwann kann ich es nichtmehr weiter hinauszögern und erzähle ihm leise von den Küssen, die wir ausgetauscht haben. Ich überlege einen Moment ihm auch von Michaels Leben zuhause, Michaels Unsicherheiten und dem Grund für die Situation in der Schule zu erzählen, aber das ist nicht meine Geschichte.
Ja, ich erzähle Luke alles, aber nichts, was nicht zu mir gehört und das ist definitiv Michaels Sache, ob er möchte, dass Luke es weiß. Ich erkläre ihm nur, dass es Michael nicht sonderlich gut geht und reiße seinen Blick auf sich selbst kurz an, damit er versteht, warum ich ihn ein zweites Mal geküsst habe.
Er hört wie immer aufmerksam zu und gibt mir damit das Gefühl, dass alles in Ordnung ist und ich ihm nur eine Gute Nacht-Geschichte erzähle. Am Ende gebe ich ihm auch einen Moment, bis er antwortet.
„Du weißt, ich mag Michael. Ashton wäre mir zwar immer noch lieber, aber jetzt ist es nun mal so. Ich bin froh, wenn du damit glücklich bist, Liv", sagt er langsam.
„Ash kannst du knicken", schnaube ich halb genervt, halb lachend heraus: „Er wäre denkbar dumm, wenn er immer noch etwas mit mir anfangen wollen würde."
„Würdest du es wollen?", fragt Luke berechtigterweise zurück.
„Nein", antworte ich sofort: „Ich liebe ihn einfach nicht, Luke. Ich mag ihn sehr, aber das reicht eben nicht immer."
„Und Michael?"
Jetzt warte ich doch ein wenig mit meiner Antwort und überlege. Ich denke an all die kleinen Situationen zwischen Michael und mir, wie toll er zu mir ist, wie viel er mir bedeutet und wie gefasst ich von ihm war, von der ersten Sekunde an in der ich ihn gesehen habe.
„Glaubst du an Liebe auf den ersten Blick?", frage ich meinen Zwillingsbruder.
Er lacht leise auf: „Ehrlich gesagt? Nein. Aber seit ich dich und Michael gesehen habe? Ja."
Und das war's. Damit ist das Gespräch vorbei. Ich habe nichts mehr zu sagen und Lukes Fragen sind beantwortet. Wir drehen uns beide um und schlafen ein.
Am Sonntag schaut tatsächlich unsere Nachbarin Mrs Channer vorbei und wie versprochen hat sie einen Kuchen dabei. Weil wir ja wirklich brave Kinder sind, macht Jack schnell einen Tee für uns alle und ich überschminke eilig die sichtbaren Verletzungen und ziehe mich ordentlich und mit langen Ärmeln und einer langen Jeans an, bevor Luke mit mir zusammen langsam ins Wohnzimmer auf das Sofa geht. Jack und Mrs Channer setzen sich zu uns und wir reden vielleicht eine Stunde mit der älteren Dame, bevor die wieder nach Hause geht, aber nicht ohne zu beteuern, dass wir immer zu ihr kommen könnten, wenn wir Probleme haben. Wir bedanken uns und verabschieden uns mit nettem Winken.
Danach besteht der Tag für mich daraus die Sachen von Freitag zu wiederholen und Hausaufgaben zu machen. Jack stellt sicher, dass ich am Montag in die Schule gehen kann und befindet, dass ich es durchaus schaffen sollte. Ich habe auch ehrlich gesagt nicht vor, noch einmal einen Schultag ausfallen zu lassen und noch weniger habe ich Lust, es Mum und Dad zu erklären, wenn sie wiederkommen.
Montagfrüh quäle ich mich also aus meinem Bett, aber zu meiner Verwunderung tut der Fuß heute mal wirklich weniger weh. Das beflügelt mich regelrecht und mit einem Lächeln humple ich ins Bad, um mich zu duschen. In meiner Unterwäsche und in ein Handtuch gewickelt trete ich ins Zimmer und auf Lukes Gesicht breitet sich ein Lächeln aus, als er sieht, dass ich einigermaßen Laufen kann. Dann steht er von seinem Bett auf und geht ins Bad hinein. Ich ziehe mir meine Lieblingsjeans an und nehme mir dann wieder einen von Lukes Pullis. Ich ziehe ihn über den Kopf und merke, dass mein Arm immer noch ein wenig streikt, aber auch der fühlt sich besser an.
Erleichtert, dass meine Verletzungen jetzt wirklich abheilen, packe ich meine Tasche und föhne mir die Haare. Luke macht sich auch seine Haare und dann gehen wir gemeinsam in die Küche. Dort sitzt schon Jack auf der Anrichte und löffelt Müsli aus einer kleinen Schüssel.
„Ihr seid heute vor mir zuhause, richtig?", fragt er mit vollem Mund.
„Jup", stimme ich zu und demonstriere ihm stolz, dass es mir besser geht. Er lächelt liebevoll auf mich hinunter und wuschelt mir durch die Haare.
„Soll ich euch fahren?"
„Woah, woher kommt das Angebot?", lacht Luke und reicht mir auch einen Apfel aus dem Obstkorb. Ich beiße hinein und lasse mich auf einen Stuhl am Tisch fallen.
„Darf ich nicht mal nett sein? Außerdem fällt mir heute früh Englisch aus und deswegen hab ich genug Zeit euch zu fahren", erklärt er und stellt seine Schüssel in die Spüle.
„Okay, aber dann muss ich Calum schreiben, damit er nicht auf uns wartet...", sagt Luke.
„Ihn kann ich auch mitnehmen", schlägt Jack sofort vor, aber Luke schüttelt den Kopf: „Ich denke er fährt mit Ashton."
„Alles klar... Wie sieht's mit Michael aus?", fragt Jack dann an mich gewandt. Ich zucke mit den Schultern und ziehe mein Handy heraus, um Michael anzuschreiben. Ich schaffe es den Apfel fast aufzuessen, bis Michael antwortet.
Von: Mikey
Schon gut. Bin schon in der Schule. Bis gleich!
Überrascht lese ich die Nachricht und halte mein Handy Jack hin, damit er lesen kann, weil ich gerade einen riesigen Bissen aus meinem Apfel genommen habe. Er zuckt mit den Schultern und wirft einen Blick auf die Uhr über der Küchentür.
„Lasst euch nicht zu viel Zeit", warnt er uns vor. Luke und ich essen noch gemütlich unsere Äpfel zu Ende und holen dann unsere Sachen. Ich quetsche meinen verbundenen Fuß irgendwie in meine Chucks hinein und binde sie kräftig zu, damit der Schuh meinen Fuß auch noch stabilisiert. So vorbereitet kann ich wirklich locker humpeln und brauche keine Hilfe mehr.
Faszinierend was eine gute Nacht bewirken kann...
Naja, der Fuß hatte aber auch schon drei Tage Zeit zu heilen, also...
In der Schule wartet Michael vor unseren Spinden auf uns und Calum steht auch schon bereit. Sie lächeln uns breit an und ich kann an Michaels Knie einen Verband durch die Jeans erahnen. Auch er humpelt wesentlich weniger und seine anderen Wunden hat er auch mit einem langärmligen Shirt verdeckt. Ich biete an mal wieder die verblassenden blauen Flecken in seinem Gesicht zu verdecken. Er bedankt sich und wir verschwinden mit Luke und Calum im Schlepptau auf die kleine Toilette. Wir lassen die Tür offen, während Michael auf der Toilette sitzt und ich auf seinem Schoß, damit ich nicht so lange stehen muss. Luke kommentiert das mit einem leichten Grinsen, aber Calum scheint nur interessiert daran zu sein, wie ich es hinkriege, dass man nichts mehr sieht.
Danach bringen sie uns ganz brav wieder zu Mathe und nehmen uns das Versprechen ab, dass wir im Klassenraum warten, bis sie uns abholen. Eingeschüchtert von den Erinnerungen an letzten Donnerstag versprechen wir es ihnen wirklich und Luke schenkt mir noch einen durchdringenden Blick, in dem ich sehe, wie wichtig es ihm ist.
Eine größere Überraschung, die meine Laune noch besser macht, macht mir allerdings noch jemand anderes, mit dem ich wirklich nicht gerechnet hätte.
Wieder gerade als Mr Gorden den Matheunterricht beginnen will und die Tür zum Klassenraum schließt, kommt Ashton in den Raum gehuscht. Er lächelt Mr Gorden mit seinem typischen, charmanten Grinsen an und schüttelt seine Locken einmal durch. Mr Gorden schickt ihn einfach mit einer saloppen Handbewegung durch und grinst ihm auch hinterher. Das ist der Vorteil, wenn einen die Lehrer mögen, man sympathisch ist und gute Noten hat, denke ich mir.
Aber die Überraschung ist eigentlich, dass als Ash an mir vorbeigeht, aus seiner Hand ein Zettel auf meinen Tisch plumpst. Ich hebe ihn auf und will mich schon zu ihm drehen und ihn zurückgeben, aber dann sehe ich aus dem Augenwinkel, dass von außen etwas auf dem karierten und gefalteten Blatt Papier steht.
LIV
Mein Name steht dort in Ashtons geschwungener Schrift drauf und das lässt mich innehalten. Anstatt den Zettel also zurückzugeben, setze ich mich wieder ordentlich hin und falte den Zettel auf. Am Ende ist es eine A5 Seite und am Papier erkenne ich, dass Ashton die Seite aus seinem kleinen Notizblock, in dem er seine Hausaufgaben notiert, rausgerissen haben muss.
Ich ziehe den Zettel auf meinen Schoß. Er hat ziemlich groß geschrieben und anstatt ordentlich auf den Linien zu schreiben, gehen die Buchstaben über zwei Kästchen hinweg und sind ein bisschen schief. Ich muss lächeln, als ich das sehe und konzentriere mich erst danach auf den Inhalt.
Hey Liv,
Eigentlich wollte ich nur mal nachfragen, wie es dir geht? Warst du im Krankenhaus oder beim Arzt? Ich hab mir ein bisschen Sorgen gemacht, als du am Freitag nicht in der Schule warst, aber Calum meinte, es sei alles okay.
Mach dir übrigens um die Leute aus dem Fußballteam keine Gedanken mehr. Falls sie dir doch mal Dumm kommen sollten, sag mir Bescheid und ich weise sie wieder in ihre Schranken.
Ich hoffe, zwischen uns kann wieder alles so werden, wie vorher,
Dein Ash
Ich beiße mir auf die Lippe und lese den kleinen Brief erneut durch. Es sieht nicht so aus, als ob er ihn in Eile geschrieben hätte, nein, seine Schrift sieht fein säuberlich aus. Er muss den Brief schon vorbereitet haben und ihn nicht erst heute früh geschrieben haben.
Zwei Aussagen bereiten mir allerdings ein bisschen Sorgen.
Einerseits, dass er meint, er würde das Fußballteam in „ihre Schranken weisen", was bedeutet das? Ich habe ja gesehen, wie eindrucksvoll er zuschlagen kann, wenn er möchte... Auch Jake hatte damals doch schon ähnliches angedeutet, oder? Ich möchte nicht, dass ein guter Mensch wie Ashton wegen mir zum Schläger wird. Das ist die Sache nicht wert.
Und dann macht mir natürlich die letzte Zeile sorgen. Was meint er damit? „Es soll so werden wie vorher"? Welches vorher meint er?
Dass er den Brief mit „Dein Ash" unterschrieben hat, macht es auch nicht besser. Mein Ash?
Ich sitze die ganze Mathestunde über wie auf heißen Kohlen. Es lässt mich nicht in Ruhe und ich will nicht den selben Fehler begehen wir am Anfang. Ich möchte sofort mit Ashton klären, was er meint. Ich spüre auch seine Blicke in meinem Rücken und das pusht meine Nervosität in ungeahnte Höhen. Aber es pusht auch meine Fröhlichkeit – schließlich besteht die Möglichkeit, dass Ashton und ich uns wieder anfreunden.
Deswegen packe ich nach Mathe eilig zusammen und stopfe alles einfach in meine Tasche hinein und stehe dann auf, bevor Ashton einfach an mir vorbeigehen kann. Ich lasse Hayley durch und schaue dann auf Ash, der seine Sachen noch packt. Michael, scheinbar von meiner Hektik angesteckt, ist nur einen Moment nach mir fertig und kommt zu mir rüber.
„Wir sollen doch hier auf Calum und Luke warten?", wispert er mir halblaut zu und ich nicke: „Ich will mit Ash reden."
Michaels Blick wird fragend und auch er schaut auf den dunkelblonden, der jetzt endlich fertig ist. Er schaut auf und direkt auf Michael und mich. Ich halte seinen Brief hoch und er fährt sich mit einer Hand durch die Haare und blickt an uns vorbei nach vorne. Ich schaue auch kurz über die Schulter, aber Mr Gorden scheint in seine Unterlagen vertieft zu sein.
„Ash...", sage ich leise.
„Geht es dir gut?", fragt er sofort zurück und ein besorgter Ausdruck legt sich auf sein Gesicht.
„Ich werde es überleben... Ash, ich...", ich atme tief durch und überlege, wie ich das ganze möglichst sanft anspreche und erkläre.
„Also...", beginne ich wieder und halte inne. Anfangs wirklich ohne Hintergedanken lehne ich mich an den Tisch hinter mir, weil es anstrengend wird mein Gewicht auf einem Fuß zu stützen, und stütze mich mit den Händen links und rechts von mir ab. Michael hat aber genau das schon vor mir gemacht und so lege ich meine Hand prompt auf seine. Und ich weiß nicht, ob er es extra macht oder nicht, aber seine Hand dreht sich sofort unter meiner um und er verschränkt unsere Finger miteinander.
Mein Blick fliegt sofort zu Ashton hoch. Seine Augen kleben für einen Moment an unseren vereinten Händen und dann senkt er den Kopf.
„Alles klar... Ist... ist okay", seufzt er und schaut dann wieder auf. Er hält kurzen Blickkontakt mit mir und ich spüre, wie Michael ganz sanft beginnt meinen Handrücken zu streicheln. Dann schüttelt Ashton mit einem traurigen Lächeln den Kopf und atmet tief durch.
„Das Angebot steht trotzdem und ich meine es ernst: Vom Fußball fasst dich vermutlich niemand mehr an", nickt er mir zu und schaut dann kurz auf Michael.
Dann geht er langsam los, bleibt aber direkt neben Michael stehen und legt ihm eine Hand auf die Schulter: „Kümmere dich gut um sie", wispert er mit einem resignierten Ton und Mikey nickt und drückt meine Hand. Damit verschwindet Ashton und lässt uns alleine.
Wir stehen eine Sekunde einfach nur leise nebeneinander und lehnen uns auf den Tisch, bis sich eine Stimme räuspert. Erschrocken drehen wir uns beide um und wenn es uns beiden möglich wäre, würden wir auseinander springen, aber so lassen wir nur unsere Hände los und schauen nach vorne.
Mr Gorden zieht sich seine Brille von der Nase und wischt sich über seine Augen, bevor er sie wieder aufsetzt und uns anschaut.
„Ich wollte ja nicht lauschen, aber irgendwie...", er grinst uns etwas verschmitzt an und genau dieses Grinsen lässt ihn sogar noch jünger wirken, obwohl er vielleicht gerade einmal Anfang 30 ist.
„Ashton ist ein feiner Junge. Ich weiß nicht, was da genau zwischen euch allen passiert, aber denkt nicht, dass die Lehrer alles ignorieren, ja? Wir sind Menschen und es gibt viele Tratschtanten zwischen uns. Alle anderen Lehrer sagen auch, dass Ashton ausgeglichen und freundlich ist. Aber letzte Woche scheint er durchgedreht zu sein... Er ist jetzt im Fußballteam und es ist sein letztes Schuljahr... Passt bitte auf ihn auf. Wenn er so weitermacht, dann verbaut er sich den Schulabschluss", sagt Mr Gorden langsam.
Ich runzle die Stirn und schaue unseren Mathelehrer irritiert an. Aus dem Augenwinkel kann ich sehen, wie Luke und Calum in den Raum hineinkommen. Auch Mr Gorden sieht sie, aber ich frage ihn: „Wie meinen sie das? Warum sollte er sich den Abschluss verbauen?"
Für einen Moment sieht Mr Gorden aus, als ob er einen inneren Konflikt löst, und ich habe Angst, dass er mir nicht antwortet, aber dann tut er es doch: „Er kam am Anfang der Woche zu jedem Unterricht zu spät, hatte keine einzige seiner Hausaufgaben gemacht und hat in den Tests sehr schlecht abgeschnitten. Außerdem hat er sich am Freitag schließlich auf dem Schulgelände geprügelt. Das macht sich in keiner Akte gut. Zumal es nicht nur eine einfache Prügelei war."
Er macht eine kurze Pause und wir alle starren ihn verwirrt und ungläubig an – bis auf Calum.
„Er wird es nicht mehr machen, Mr Gorden. Das war eine Ausnahme", sagt Calum dann mit fester Stimme.
„Sind Sie sich sicher, Mr Hood?", fragt Mr Gorden mit einem Unterton, der mir nicht wirklich gefällt, und es erklärt sich auch gleich, warum Mr Gorden so skeptisch klingt.
„Ich bin nicht dumm... Ich erkenne es, wenn jemand lügt und ich weiß, dass es nicht Ashtons erste Prügelei an der Schule war."
„Aber das erste Mal", beginne ich und sein Blick schnellt zu mir: „... das war...", ich stocke und schaue hilfesuchend zu den anderen Jungs. Mr Gorden mustert uns aufmerksam und dann landet sein Blick auf Michael und er mustert ihn noch einmal extra.
„Seien Sie vorsichtig... Ich weiß, dass das Leben unfair sein kann, aber lassen Sie sich nicht in die Fallen locken und tun Sie immer das, was sie für richtig halten. Mr Irwin kann froh sein, dass der Coach ihn nicht aus dem Team geworfen hat.. Und jetzt; hauen Sie alle ab! Sie kommen eh schon zu spät", sagt er und genau in dem Moment klingelt es.
Mit einem Seufzen beugt er sich über seinen Schreibtisch und beginnt zu schreiben. Michael und ich gehen nach vorne, aber unser Lehrer hält uns mit einem ausgestreckten Arm davon ab, weiterzugehen.
„Ihre Entschuldigung fürs zu spät kommen... und noch etwas ganz zum Schluss: Nicht alle Lehrer an dieser Schule sind unfähig. Wenn Sie Probleme haben, bin ich gerne bereit mit allem in meiner Macht stehenden zu Helfen und sie müssen nicht mehr versuchen sich selbst zu verteidigen", sagt Mr Gorden mit aufrichtigem Blick. Ich schaue auf den Boden hinunter und fühle mich schlecht.
„Danke", sagt dann Michael und nimmt den Zettel von Mr Gorden. Ich schaue wieder auf und es sieht so aus, als ob er noch etwas sagen will, aber dann winkt er uns nur aus seinem Raum heraus und wir gehen so schnell es unser Humpeln erlaubt. Natürlich entgeht auch das nicht unserem Lehrer und wir hören ihn tief seufzen, als er seine Tür hinter uns schließt.
Wir schlendern den Gang entlang und Luke ist der Erste, der Calum anstupst: „Was weißt du?"
Calum schluckt hörbar und fährt sich durch die Haare.
„Es könnte sein, dass... naja... Ashton am Freitag im Training eine ganz schöne Show abgezogen hat?"
„Genauer, Cal!", fordert Luke leicht genervt.
„Scheiße man... Er ist in der Umkleide total ausgerastet, sobald er ein paar von den anderen gesehen hat. Er hat Matts Freunde Zack und Robert gesehen und ist von einer Sekunde auf die andere auf sie losgegangen wie ein Irrer... Er hat sie angeschrien und mit einer Kraft auf sie eingeprügelt... Ich schwöre es euch, der Junge hat es alleine mit vier anderen aufgenommen und gewonnen, während der Rest der Mannschaft in Schockstarre zugesehen hat... Ich konnte ihn nicht von ihnen runterziehen und nichts hat ihn beruhigen können. Er hat erst aufgehört, als sie weinend am Boden lagen und... versteht mich nicht falsch. Die Arschlöcher haben das verdient, aber es war gruselig mitanzusehen, wie er ausgerastet ist", sagt Calum und wir bleiben stehen.
„Du bedeutest ihm viel, Liv, aber er hasst es auch, wenn jemand nicht richtig behandelt wird und er hasst Schlägertypen... Außerdem... stimmt es, dass Matt versucht hat... du weißt schon", fragt er und schenkt mir einen wirklich besorgten Blick.
Ich ziehe eine Augenbraue hoch.
„Naja... dich zu... vergewaltigen?"
Ich verschlucke mich an nichts und pruste los, während Michael ein klares „Ja" herausbringt.
„Jungs! Hilfe, nein... er wollte mich... nein... er", sage ich verloren. So habe ich das noch nie gesehen.
Ich schaue meine Freunde an. Michaels Blick ist kalt und seine Stirn liegt in Falten. Calum schaut einfach nur todtraurig, aber Luke wird knallrot im Gesicht.
„Shit, Luke! Atmen!", verlange ich panisch und klopfe ihm gegen die Brust. Er blinzelt mich an und nimmt einen tiefen Atemzug. Sein Gesicht verwandelt sich immerhin nicht noch weiter in eine Tomate, aber die Wut bleibt in seinen Augen.
„Ich kille den Kerl", knurrt er böse und beginnt sich umzuschauen, als ob er Matt hier im Gang finden würde. Sofort krallt sich Calum beide von seinen Armen und stellt sich vor Luke.
„Lass das! Du gehst dich jetzt nicht auch noch mit denen Prügeln. Ashton hat das geklärt, okay? Jemand meinte, er hätte Matt am Donnerstag die Nase gebrochen und ich habe ihn am Freitag nicht in der Schule gesehen, also kann an dem Gerücht wirklich was dran sein. Luke, lass es, wirklich", bittet er ihn eindringlich.
„Mal sehen", grummelt Luke verstimmt.
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Highschool Nightmare - Michael Clifford FF
FanficNicht jeder hat es leicht in der High School. Das wissen auch Luke und Liv Hemmings - und Michael. Allerdings ist der Liv vorher noch nie aufgefallen. Was, wenn sie durch einen Zufall auf ihn aufmerksam wird. Der schwarzhaarige Junge aus der letzten...