Bunt ist eine Farbe

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Müde klebe ich den letzten Karton zu, den ich zu den anderen stelle

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Müde klebe ich den letzten Karton zu, den ich zu den anderen stelle. Sie füllen mein Zimmer als wären sie Wasser, das durch alle Fugen dringt.


Ich wische mir den Schweiß von der Stirn und betrachte mein, inzwischen, kahles Zimmer. Die Fotos, die dem Zimmer Lebendigkeit verliehen, sind in den Kisten verpackt und verstaut. Mein ganzes Leben befindet sich in Kisten und nichts, das auch nur im Geringsten an mich erinnert, ist noch in diesem Zimmer. Es ist leer. Wie mein Kopf. Wie mein Herz.


Wir tragen die Kisten zusammen vor die Türe, wo sie Papa nimmt und verstaut. Wir ziehen um. In eine neue Stadt. In eine neue Welt. In ein neues Leben. Und es macht mir Angst. Ich lasse meine Freunde zurück. Freunde, die nie meine Freunde waren. Ich lasse mein Leben zurück. Wie alten Müll, den niemand mehr will. Der tief in die Mülltonne gedrückt wird, damit er ja nie wieder raus kann, damit man sich nie wieder an ihn erinnern muss.


Meine schwarze Jeans klebt mir an den Beinen als ich zu meiner Familie ins Auto steige. Der Lastwagen wird von einem Freund meines Vaters gefahren, der unser Eigentum ins 345 Kilometer entfernte Eckernförde bringt. Wir ziehen an die Ostsee.


Tim, mein kleiner Bruder, kneift mich in die Seite und tritt Papa in den Rücken. Ich sehe ihn warnend an und öffne das Fenster. Es ist heiß, wir haben über 30 Grad und ich schwitze wie verrückt. Mama dreht sich um. "Lea, musst du das Fenster aufmachen? Ich möchte nicht, dass Tim krank wird!"


Innerlich rolle ich mit den Augen, aber ich lächle sie an und schließe das Fenster. Schließlich krame ich meinen MP3-Player aus meinem Rucksack, höre Musik und schließe die Augen. Die Mittagshitze ist drückend, wie Steine, die sich einem auf die Brust legen.


Nach fast fünf Stunden Fahrt kommen wir in Eckernförde an. Der Lastwagenfahrer parkt in dem Moment ein, als wir um die Ecke kommen.


Als ich aussteige sehe ich einen Typen an der Straße stehen, der uns neugierig aber misstrauisch betrachtet. Sein Blick bleibt auf mir haften und mustert mich und ich möchte mich einfach nur verstecken. Mir ist warm und heute ist sicherlich nicht der Tag, an dem man mich von oben bis unten mustern sollte. Schnell drehe ich mich um und schnappe mir einen Karton. Er ist so schwer wie der Blick, der auf meinen Schultern haftet.


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"Lea, kommst du mit an den Strand?" Anders' Stimme bricht durch die Sprechanlage und überstimmt das Knistern. "Ja.", antworte ich und schnappe mir meine Tasche. Die Sonnenbrille setze ich mir auf, während ich die Treppe hinunterlaufe. 

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