Kalter Kaffee

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Die Nachtluft kitzelt ihre Haut, als Florence das Haus verlässt

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Die Nachtluft kitzelt ihre Haut, als Florence das Haus verlässt. Sie ist verabredet, sie hat ein Date und sie ist sehr aufgeregt. Die Straßen sind voller Menschen an dem Abend in Paris. Sie hat ein Date mit Mathis, einem Freund ihrer Mitbewohnerin Jade. Jade ist ein entzückendes Mädchen, mit blonden Locken. Sie lacht sehr viel und Florence fühlt sich sehr wohl in der Wohngemeinschaft. Sie studieren zusammen an der Sorbonne. Die Uni hat ihnen schon immer gut gefallen und sie sind beide sehr froh, dass sie sich so gut verstehen. Es ist eine richtige Mädels-WG, voller Freundschaft und Glück.


Florence liebt es zu malen und zu zeichnen, während Jade ihr Talent im Gesang findet.


Florence bleibt kurz stehen, trägt ihren Lippenbalsam auf und cremt sich noch kurz die Hände ein. Sie ist schon viel zu spät dran, aber ein paar Minuten würde der bezaubernde Mathis auf sie warten können. Sie schmunzelt. Es ist das erste richtige Date, das die beiden haben. Sie hatten sich auf einer der Partys von Jades Freund kennen gelernt und sich sofort gut verstanden.


Sie sind um 21:00 Uhr verabredet, zu spät für ein Abendessen. Florence möchte auf ihre Figur achten und einen guten Eindruck auf Mathis machen. Vielleicht bestelle ich mir einen Kaffee. Aufbleiben muss ich sowieso. Lernen. Am Montag ist diese doofe Prüfung. Ihre Stöckelschuhe klackern auf dem Boden und sie hat das Gefühl, im Tempo eines Liedes zu laufen.


Es sind viele Menschen unterwegs und Florence fröstelt. Auch, wenn noch nicht wirklich Schnee liegt, ist es frisch. Sie zieht ihr Jäckchen über die Schulter und beschleunigt ihre Schritte. Die Abende in Paris sind voller Leben, bunt, laut und schillernd. Das hat ihr schon immer sehr gut gefallen. Sie kommt eigentlich aus einem kleinen Ort in der Provence. Als Kind lief sie immer aufgeweckt durch all die Lavendelfelder, an denen sie mit ihren Eltern wohnte. Aber zum Studieren bot sich eher Paris an. Außerdem wollte sie endlich auf eigenen Beinen stehen.


Schließlich kommt sie am Bistro Le Carillon an. Vor der Türe steht ein Mann in einem Anzug und mit Blumen in der Hand. Mathis. Er sieht gut aus, hat braune verwuschelte Haare und trägt ein Jackett, unter dem sie ein weißes Hemd erkennen kann. Sie bleibt einen Moment im Dunkeln stehen und beobachtet ihn. Er sieht nervös aus, wie er mit seinen Händen immer wieder über die Blumen streicht. Sie lächelt und hat Schmetterlinge im Bauch. Viel zu lange hat sie gezögert, ihn nach einem Date zu bitten. Schließlich hat doch er den ersten Schritt gemacht und sie haben sich für diesen Freitag entschieden. Sie tritt aus dem Schatten und läuft auf ihn zu. Jetzt kann sie auch sein Gesicht sehen, das von der Laterne erhellt wird.


Er hat tiefbraune Augen, die sie an die heiße Schokolade erinnern, die sie stets am Kamin in dem Haus in der Provence getrunken hatte. Er lächelt sie an und sie erkennt seine Grübchen. Die Schmetterlinge fliegen aufgeregt hin und her.


"Hallo Florence."

"Guten Abend, Mathis."

Sie begrüßen sich mit Küsschen. Und Florence atmet seinen wunderbaren Duft ein. Florence bildet sich ein, dass er nach Lavendel und Seife riecht.


Als sie das Bistro betreten, fällt Florence auf, dass am Boden vor der Tür des rotbemalten Restaurants in großen Lettern der Name des Cafés steht. Es sieht aus wie Mosaik und Florence gefällt das Ambiente bereits jetzt. Mathis überrascht sie, er hat bereits reserviert. Sie bekommen einen Tisch am Fenster. Inzwischen ist es 21:10 Uhr. Sie haben einen bezaubernden Blick auf die Rue Bichat, auf der viele Fußgänger entlanglaufen und vereinzelte Autolichter die Dunkelheit durchbrechen.  Als wären sie kleine Retter in der Nacht.

Florence bestellt sich einen Kaffee, Mathis ein Baguette mit Käse.

"Wie kommst du mit dem Malen voran?" Mathis hat sich vorgebeugt, um ihre Antwort inmitten der lauten Besucher des Cafés zu hören.

"Gut. Ich versuche mich derzeit am Impressionismus. Es ist schwieriger als gedacht. Aber es macht Spaß."

Sie vertiefen ihr Gespräch und irgendwann nimmt Mathis ihre Hand. Florence lächelt schüchtern und man kann ihre Grübchen erkennen. Sie sieht ihn an. Ihre Augen sind voller Feuer, Liebe, Nervösität. Ihre Augen sind voller Leben.


Es ist 21:20 Uhr als der Kaffee gebracht wird.

"Das Baguette braucht noch ein bisschen, bitte entschuldigen Sie." Die Kellnerin strahlt Mathis charmant an und dreht sich dann auf dem Absatz um.


Florence nippt an ihrem Kaffee. Er ist noch heiß, also lässt sie ihn noch ein bisschen abkühlen.

"Warum trinkst du um diese Uhrzeit noch Kaffee, Florence?" Mathis schmunzelt und sie streicht vorsichtig mit ihren Fingerspitzen über die Blumenblätter. Es sind bunte Blumen. Sie mag bunte Blumen. Und bereits, als sie ihn am Eingang des Bistros gesehen hat, hat sie es gespürt. Die Schmetterlinge, die einzogen und aufgeregt durch ihren Körper tanzten. Inzwischen ist es eine ganze Armee an Schmetterlingen und sie muss lächeln. Sie sehen sich lange in die Augen.

Es ist 21:25 Uhr als Florence ihm antwortet. "Ich habe am Montag eine Prüfung." Sie wirft ihre Haare aus dem Gesicht und erhascht dabei einen Blick auf ein schwarzes Auto, das vor dem Café hält. Die Fenster öffnen sich. Es ist der 13. November 2015.


Um 21:25 Uhr eröffnen Attentäter das Feuer auf die Besucher zweier Restaurants in der Rue Bichat. Sechs Mal schlagen die Attentäter im Laufe des Abends zu und beenden Leben. 130 Menschen werden getötet und 352 verletzt, viele davon schwer.

Florence stirbt durch eine Kugel in den Kopf. Sie hatte nicht einmal mehr Zeit, die Augen zu schließen.

Mathis und sie liegen auf dem Boden, begraben unter Trauer und Blut.

Florences Augen sind leer. Tot. Ohne Leben.


Und auf dem Tisch steht eine Tasse kalter Kaffee.



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