Ein ganzes Jahr

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-- FRÜHLING --

Wenn ich an den Frühling denke, habe ich sofort den Geruch von Blumen in der Nase und das Summen der Bienen im Kopf.

Wenn ich an den Frühling denke, dann denke ich an dich. An dein Lachen. An deine Augen. An deine Lachfalten. An deine Lippen. An deine Haare, die im Märzlicht schimmern. An die Sonne, die sich in deinen Augen spiegelt. Wenn ich an den Frühling denke, dann denke ich an dich. Wie du in mein Leben gekommen bist und mich völlig überrumpelt hast. Ich denke an die Dinge, die du sagst. Wie mir ganz warm ums Herz wird.

Wie du vor mir stehst in dem Bücherladen, in ein dickes Buch vertieft und mit einem Kaffee in der Hand. An deiner Schulter baumelt eine Spiegelreflexkamera und deine Haare. Oh, deine Haare. Sie fallen wie Seide über deine Schultern. Du bist so in das Buch vertieft, dass du gar nicht bemerkst, wie sich die anderen Kunden an dir vorbeischieben müssen. Du stehst im Weg. Mittendrin. Und ich habe das Gefühl, dass du auch mitten im Leben stehst. Deine Schritte sind langsam, bedächtig, sanft. Wie eine kleine Schnecke, die sich den Weg erst ertastet.

Als du an die Kasse kommst und das Buch kaufen möchtest, blickst du mich an. Deine karamellbraunen Augen blitzen und du siehst mich warm an. Ich kann den Blick nicht von dir abwenden. Deine Lippen sehen so verdammt weich aus. Du lächelst schüchtern und musterst mich, als ich den Preis des Buches eingebe.

"Das Buch ist wirklich toll. Ich habe es auch schon gelesen. Es ist wirklich toll. Also es hat mir echt gut gefallen, weil es ist echt gut."

Du ziehst eine Augenbraue hoch und ich hasse mich in dem Moment für meine Wortkotze. Du machst mich nervös. So sehr, dass sich mein Magen zusammenzieht und ich kotzen möchte.

Deine Haare bewegen sich, als du aus dem Laden gehst. Vor dem Fenster bleibst du noch einmal stehen und siehst mich an. Du lächelst. Ich lächle zurück. Mein Herz schlägt mir in der Brust. Ich habe das Gefühl, ich müsse platzen vor Freude.

Am nächsten Tag stehst du vor mir, als ich die Regale mit Büchern einräume und sortiere.

"Entschuldigung. Du sagtest gestern, das Buch ist toll. Ich habe es heute morgen fertig gelesen und ich wollte mich erkundigen, ob du mir noch ein Buch empfehlen kannst? Dein Geschmack ist gar nicht so schlecht", deine Stimme ist rau. Als hättest du zu viel Whisky getrunken und zu viel geraucht. In dem Moment wäre ich nur allzu gerne in Whisky und Rauch ertrunken.

Deine Augen sehen mich erwartend an, deine Augenbraue wieder hochgezogen.

Ich stottere und führe dich zu einem der Regale. Das Buch, das ich dir in die Hand drücke, ist genauso dick wie das vom Vortag. Du liest dir den Klappentext durch und lächelst.

"Danke."

"Gerne."

"Bis morgen" sagst du, als du bezahlst.

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