Die Musik dröhnt laut aus den riesigen Lautsprechern, die auf dem ganzen Areal verteilt sind. Mein Herz schlägt im gleichen Takt wie der wummernde Bass.
Auf der Bühne steht eine beliebte Rockband und ganz vorne schubsen sich die Leute hin und her. Ich stehe weiter hinten, hier ist es ruhiger. Hier wird nicht geschubst, hier muss man nicht kuscheln, hier ist alles entspannt. Meine Haare werden hin und her gewirbelt, mein Körper bewegt sich im Einklang mit der Musik. Als würde er seine ganz eigenen Bilder malen, als wäre ich eins mit der Musik und den Noten.
Die Sonne scheint hell und ich muss blinzeln, um etwas zu sehen. Es sind vereinzelt Wolken am Himmel zu sehen. Der Wetterbericht sagte, es würde regnen. Aber das ist nicht der Fall. Im Gegenteil: Es ist warm. So warm, dass ich nur noch in Shorts und Top zum Zauber der Noten springe.
Meine Freunde neben mir lachen und das Lachen dringt mir tief in die Poren. Es geht mir unter die Haut. Meine Freunde gehen mir unter die Haut. Wir sind unsterblich. Das ist das, was ich fühle. Ich fühle mich frei. Und so gut. So glücklich.
Der Boden bebt, als die ganze Masse im Takt springt und ich werde überwältigt von Gefühlen. Alle singen mit. Wir sind ein einziges Stimmenmeer. Wir tragen die Stimmen und Wörter vor uns her, zur Bühne, auf der die Band unsere Musik süchtig in uns aufsaugt. Als wären unsere Stimmen Joints, die herumgereicht werden.
Ich bin betäubt von all dem Alkohol und all den Pillen, die wir uns eingeworfen haben. Aber ich weiß dennoch, was ich empfinde. Dankbarkeit. Dankbarkeit, hier zu sein. Und ich drehe mich wieder um die eigene Achse. Ich will tanzen. Ich will fliegen. Ich will frei sein.
Im Schwung erwische ich dich mit meiner Hand im Gesicht, ich ziehe dir meine Bierflasche über den Kopf und du schwankst. Obwohl du gut zwei Köpfe größer bist als ich, schwankst du. Ich schlucke. Deine Wangenknochen zucken und deine Augen sehen mich wütend an.
"Sorry!" schreie ich und halte deinem Blick stand.
Wir sehen uns in die Augen. Lange. Ich muss die Luft anhalten. Du bist so schön. Du bist so kaputt. Die Narbe an deiner Wange bewegt sich, als du den Mund öffnest, um an deiner Zigarette zu ziehen. Deine Haut ist eine Landkarte und ich wünsche mir in diesem Moment, jeden einzelnen Millimeter davon erkunden zu können. Ich fühle mich wie ein Entdecker, der fremde Welten entdecken möchte. Du merkst, dass ich dich mustere und du grinst. Dein Grinsen ist schief, es ist nicht perfekt. Aber du bist so schön. Deine Augen sind grün. Grün wie der Wald. Grün wie das Gras, das ich heute morgen beim Frühstück geraucht habe. Deine Augen sind so grün, dass ich das Gefühl habe, aus ihnen wachsen Blumen. Als wäre ich im tiefen Wald und verloren. Oh, ich bin so verloren.
Du hast Narben an den Armen, sie sehen aus wie Spinnennetze, die sich über deine Arme ziehen. Als hätte sich die Spinne nicht entscheiden können, wo sie sich niederlässt.
Es ist, als stünde die Zeit still. Stille hüllt uns ein. Ich habe das Gefühl, dass es nur noch uns beide gibt. Du siehst mich an und musterst mich. Und plötzlich fühle ich mich schwerelos. Ich möchte mit dir wegfliegen.
Aus der Wunde an deinem Kopf läuft etwas Blut und ich hebe die Hand. Zuerst zuckst du, aber dann lässt du mich dich anfassen. Mein Herz klopft. Deine Haut ist erstaunlich weich, die Bartstoppeln kitzeln meine Handflächen. Mein Atem beschleunigt sich und ich kann einfach nicht aufhören, dich anzusehen. Du bist so schön. So schön unperfekt. Du lächelst und hältst meine Hand fest. Du ziehst mich in die Menge und wir tanzen. Ich bin lebendig. Auch wenn ich weiß, dass ich dich vielleicht nie wieder sehen werde - aber du hast mich verzaubert.
Du hast dich mitten in mein Herz geschossen.
DU LIEST GERADE
Kurzgeschichten
Historia CortaEin kunterbuntes Sammelsurium an Kurzgeschichten. Mal Tränen, mal Freude, mal Leben, mal Tod. Es ist für jeden etwas dabei. Tretet ein, macht es euch bequem. ...