Ein Gespräch und ein Schluchzen

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Der Weg, dem Leonie folgt, schlängelt sich den Hang entlang. Von den vier Leuten aus dem Bunker ist nichts zu sehen. Sie beginnt schneller zu laufen.

Nach etwa zehn Minuten vernimmt sie Stimmen vor sich. Schnell verlässt sie den Weg hangaufwärts. Dort hofft sie sich durch das Gebüsch vor Blicken geschützt.

Versteckt wartet sie, doch die Stimmen kommen nicht näher.

Sie geht parallel zum Pfad weiter, langsam und in sicherem Abstand. Nach einer Weile erblickt sie, etwas unter sich, ein kleines Plateau, von welchem sich eine gute Aussicht ins Tal bietet. Die vier Jugendlichen stehen dort und reden miteinander. Das heisst, nicht alle stehen. Die Frau mit dem dunklen, längeren Haar sitzt auf einem umgestürzten Baumstamm und blickt talwärts. Die beiden Männer und die Frau mit dem Pistolenhalter scheinen auf sie einzureden.

Leonie versteht nicht, was sie sagen, sie ist zu weit entfernt. Sie blickt sich um und sucht vergebens nach einem Versteck, welches näher bei der Gruppe liegen würde.

Der Lockenkopf setzt sich neben die Frau auf dem Baumstamm und legt seine Hand auf ihren Arm. Sie stösst ihn weg. Er sagt ihr etwas, und sie stösst ihn nochmals weg. Jetzt dreht sie sich zu den anderen um und spricht mit ihnen. Der Lockenkopf steht auf und blickt zur Frau mit dem Pistolenhalter. Er hebt die Schultern. Dann wendet er sich nochmals der Langhaarigen auf dem Baustamm zu und redet gestikulierend. Sie schüttelt den Kopf und sagt etwas. Mit der Hand weist sie Richtung Bunker.

Dann winkt auch die Pistolenfrau Richtung Bunker und fordert die anderen offenbar auf zurückzukehren. Sie spricht mit dem Lockenkopf, der zunächst zögert, dann aber nickt. Sodann setzt sich die Gruppe, mit Ausnahme der Sitzenden, in Bewegung.

Leonie drückt sich ins Gras. Der Weg zum Bunker führt nur knapp unter ihrer Position vorbei, und sie ist nicht sicher, ob das spärliche Gebüsch sie genügend versteckt.

Die Gruppe kommt näher, und Leonie kann ihre Stimmen hören.

"Anna sollte sich wieder einkriegen", meint die Pistolenträgerin.

"Ach die, die schmollt jetzt. Wie immer." Diese Aussage stammt vom Mann mit dem Schnauz.

"Sie hat Grund dafür wütend zu sein. Und wir sollten sie hier nicht alleine zurücklassen", sagt der Lockenkopf.

"Sie wird schon nachkommen, wenn sie sich beruhigt hat", antwortet die Pistolenträgerin.

Der Lockenkopf bleibt stehen und blickt besorgt zur Frau auf dem Baumstamm zurück, die stur talwärts blickt und ihre Kameraden keines Blicks würdigt. "Anna", ruft er. 

Sie reagiert nicht.

"Anna, wir gehen jetzt", wiederholt er, lauter. "Bleib nicht zu lange."

Die Frau auf dem Baumstamm, Anna, wendet ihm ihren Kopf zu. "Ich komme nach. Geht ruhig schon zurück. Macht euch keine Sorgen." Ihre Stimme tönt gepresst.

Der Lockenkopf wendet sich der Pistolenträgerin zu, welche ebenfalls stehen geblieben ist. "Ich habe kein gutes Gefühl dabei.".

"Ach, lass sie. Sie wird kommen, wenn sie bereit ist. Es ist ja nicht weit. Ich denke, sie braucht jetzt etwas Ruhe."

Sie setzen sich wieder in Bewegung und verschwinden im Wald.

Leonie blickt zur Frau, Anna, die alleine zurückgeblieben ist und immer noch ins Tal blickt, den Kopf auf die Hände abgestützt.

Leonie zögert. Dann denkt sie an ihre Freunde, die im Bunker festgehalten werden. Die Wut, die dabei in ihr aufsteigt, hilft ihr bei ihrer Entscheidung. Eine Gelegenheit wie diese wird sich vielleicht nie wieder bieten.

Leise setzt sie sich in Bewegung. Sie schleicht die Frau von hinten an. Als sie näher kommt, hört sie ein Schluchzen.

Das wird dir nicht helfen.

Leonie stellt sich hinter die Frau, ihre Speerspitze wenige Zentimeter von ihrer Wirbelsäule entfernt.

"Mach nur einen Mucks," zischt sie, "und ich spiess dich auf."

Welt der RuinenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt