Eine Villa und der grosse See

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Anna und Leonie folgen dem Flusslauf. Sie nehmen die Richtung des rauschenden Wassers, zum See hin. Leonie versucht, mit Anna ein Gespräch zu beginnen, doch Anna braucht all ihre Kraft, um sich auf ihren Beinen zu halten. Ihre Antworten bleiben einsilbig, und Leonie beschliesst, sie in Ruhe zu lassen.

Sie überqueren eine Wiese, und es ist das Geräusch des Flusses, das den Lärm der sich nähernden Drohne übertönt. Zu spät entdeckt Leonie sie im Himmel über ihnen.

Sie sind exponiert und gut sichtbar.

Leonie greift Annas unverletzten Arm, aber Anna stöhnt trotzdem vor Schmerz auf, als sie zum Wald hin gezogen wird.

„Die Drohne!", schreit Leonie.

Die Welt explodiert.


Leonie liegt platt auf dem Boden und ihre Ohren pfeifen. Die Situation kommt ihr bekannt vor, aber das letzte Mal, als die Welt um sie herum explodiert war, kannte sie den Grund dafür nicht, — diesmal kennt sie ihn. Die Drohne hat eine Bombe auf sie abgeworfen. Sie blickt sich um und sieht Anna, die im Grass neben ihr kniet, die Augen weit aufgerissen.

Leonie erhebt sich und schaut nach oben. Die Drohne hängt immer noch über ihnen. Der Lärm ihres Antriebs kaum hörbar im Pfeifen in Leonies Ohren.

Anna hat sich auch erhoben.

„Weg von hier!", sagt Leonie. Sie laufen zum Wald.

Im Schutz der ersten Bäume bleiben sie kurz stehen. „Wie viele Bomben kann das Ding tragen?", keucht Leonie.

„Ich weiss nicht", antwortet Anna mit stumpfer Stimme.

Die Drohne hängt immer noch über ihnen, wie ein hässliches Insekt bereit zum Stich.

Zunächst bewegen sie sich senkrecht zum Fluss. Dann biegt Leonie nach rechts ab, in der Hoffnung, den Verfolger abzuschütteln, aber sein Lärm folgt ihnen. Leonie wartet mit zusammengebissenen Zähnen auf die nächste Explosion. Anna hält ihre Hand, ihr Griff ist fest. Leonie möchte rennen, so schnell sie kann, doch Annas stolpernde Schritte halten sie zurück.

Sie blickt hoch, aber die Drohne ist hinter dem grünen Blätterdach verborgen. „Du hast recht", sagt sie zu Anna. „Ich glaube, er kann uns sehen, durch die Blätter. Aber er scheint keine Bomben mehr zu haben."

Wenig später beginnt der Ton der Drohne sich zurückzuziehen, talaufwärts. Vielleicht muss das Gerät wieder auftanken, oder aufgeladen werden. Leonie überlegt sich, Anna darauf anzusprechen. Aber Annas Blick ist auf den Boden gerichtet, ausdruckslos und verschlossen, weshalb Leonie sie in Ruhe lässt.


Die Sonne ist ein gutes Stück weitergewandert, als sie die Ruinen eines Dorfs erreichen. Leonie sucht nach einem Unterschlupf. Anna kommt kaum noch voran. Sie braucht eine Pause.

Sie finden eine Bleibe mit einigermassen intaktem Dach, das sie vor den neugierigen Augen der Drohne verbergen würde, falls diese nochmals auftaucht.

Kaum betreten sie ihr Versteck, bricht Anna erschöpft zusammen. Leonie untersucht ihre Verletzung. Die Wunde blutet nicht mehr, aber das Gewebe darum herum ist tiefrot entzündet.

„Warte hier, ich hole etwas Wasser für uns", sagt Leonie.

Anna nickt. Das schwache Lächeln auf ihren Lippen erreicht ihre müden Augen nicht.


Später trinkt Anna begierig aus der Wasserflasche. Leonie musste ziemlich weit gehen, um einen Bach zu finden, dessen Wasser einigermassen sauber aussah. Sie hat die Flasche und den Kessel damit gefüllt. Ohne Feuer konnte sie das Wasser aber nicht abkochen. Sie kann nur hoffen, dass es sie nicht krank machen wird. Aber sie haben keine Wahl, ohne zu trinken werden sie es nicht schaffen.

Welt der RuinenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt