16 love you, goodbye.

3.7K 419 123
                                    

ROBERT

"Ein Abschied ist eine gute Gelegenheit jemanden zu verzeihen."

[ Eleanor ]



Ich wusste, dass Onkel Harry an chronischer Erschöpfung litt. Aber er kam einfach nicht für sich zur Ruhe, sondern schien weiterhin alle Symptome zu ignorieren. Laut Niall ging Harry regelmäßig zum Arzt, aber ich erkannte jemanden, der schauspielerte, wenn ich ihn vor mir hatte.

Robin war ein Meister darin jemanden etwas vorzuspielen. Irgendwann bemerkte man die feinen Unterschiede, besonders, wenn man jemanden so gut kannte, wie ich meinen Bruder, oder in diesem Fall Onkel Harry.

Wieso fiel dies niemand anderen auf?

Er tat etwas, aber er ging ganz bestimmt nicht zum Arzt. Ich erwischte ihn oft genug dabei, wie er tierisch übermüdet und erschöpft war, obwohl er über zehn Stunden geschlafen hatte. Ich sah, dass er Gelenkschmerzen hatte, wenn er aufstand und hörte, wie er sich öfters über Kopfschmerzen beklagte. Manchmal zuckte er bei Geräuschen ertappt zusammen und er blinzelte öfter angestrengt, wenn das Licht zu hell wurde.

Wenn ich also nicht wüsste, dass Onkel Harry unter chronischer Erschöpfung litt, dann hätte ich all diesen kleinen Details nie Aufmerksamkeit geschenkt. So sah ich ihn jedoch schon an, als er Mittags aus dem Bett kroch und gähnend vor dem Kühlschrank stand, dass er auch am Vortag sicher nicht beim Arzt war.

Schweigend musterte ich ihm vom Küchentisch aus, dann fragte ich: „Findest du das richtig?"

„Du meinst, dass ich nach Paris fliege und du nicht weißt, wen ich da treffe?", witzelte er und ich stütze das Kinn auf der Handfläche: „Nein, ich meine damit, dass du die anderen anlügst."

Statt es abzustreiten, schwieg Harry dazu und machte sich eine Schüssel Müsli. Dann drehte er sich um und setzte sich zu mir. Plump wechselte er das Thema: „Du gehst zum Fußball?"

Ich trug ein Trikot der Gunners und war froh, dass mich in dieser Zeit niemand kannte. Zum Glück zog ich meine Jacke drüber, sodass niemand das Tattoo zu sehen bekam. „Ja, mit Louis."

„Es läuft gut bei euch, hm?"

Darauf antwortete ich nicht, sondern musterte ihn. Harry hatte recht, es lief okay bei Louis und mir. Ich hatte mich durch das fertige Haus führen lassen, in dem wir eines Tages aufwachsen würden. Zuerst hatte mich Louis quasselnd von einem Raum zum anderen begleitet und mir erzählt, was er sich dabei dachte.

Das offene Wohnzimmer mit dem Kamin war noch etwas leer. Zwar stand der bekannte Flügel schon in einer Ecke, aber es fehlte der weibliche Einfluss. Der Kühlschrank war gefüllt von ungesunden Kram, von Obst und Gemüse, außer gefroren, schien Louis noch nie gehört zu haben.

„Du musst dir das Album von Keira anhören, es ist bombastisch", schwärmte er und flitze in sein Tonstudio.

In der Zeit hatte ich mich in Robins Kinderzimmer auf den Boden gesetzt und an die Decke gesehen, wo kleine Planeten hingen und das Sonnensystem nachbildeten. Stumm beobachtete ich, wie das Licht durch das Fenster fiel und bemerkte den übergroßen Kuschelelefanten, der zu meiner rechten Seite saß. Wie ein Kollege, der ebenfalls das Lichtspiel genoss.

In meiner Zeit verkaufte Dad das Haus und ich konnte nachvollziehen warum. Zumindest jetzt. Schließlich sah ich hier und jetzt, welche Spuren Eleanor hinterlassen würden. Es waren all die kleinen Details. Die Tafelwand in der Küche, wo sie wichtige Notizen aufschrieb, die vielen Bilder im Wohnzimmer, die Leinwände von jungen Künstlern, die noch fehlten, allgemein ihr gemütliches Chaos.

Stairway to infinity ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt