Kapitel 9: Hass

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Ich entschuldigte mich und hob ihre Tasche hoch:"Es tut mir so leid.",Felix musste sich sein Lachen verkneifen. Die Frau sah mich abwertend an. Sie trug eine Michael Kors-Nerdbrille und hatte blonde-schulterlange Haare. Sie war elegant gekleidet:"Passen Sie das nächste Mal besser auf,Mrs. ...",ich spürte ihren Hass:"Dinkolsen. Und wer sind Sie?",sie sah mich ungläubig an:"Oh,Sie sind neu hier,Mrs. Dinkolsen. Wir lernen uns später noch kennen.",sie lächelte mich schief an und mir war gleich klar,dass diese Frau mich nicht mögen würde. Sie lief den Flur entlang in den Personalraum und dann zum Anmeldebüro.

"Für wen hält sie sich eigentlich?!",Felix grinste:"Du hast soeben Mrs. Stark kennengelernt. Die Psychologin der Tagesklinik.",mein Hass gegen diese Frau wandelte sich in Angst und Verzweiflung um,woraufhin ich meine Flasche fallen ließ:"Was?!",Felix holte einen Besen,ein paar Tücher und ein Kehrblech:"Ja,das war Mrs. Stark.",ich schluckte schwer und half ihm die Sauerei wegzuwischen.

Super,Liz! Du hast ja einen guten,ersten Eindruck bei dieser Frau hinterlassen... Diese Frau,wird dir dein Leben hier noch zur Hölle machen. Sie denkt jetzt,du seist ein dummes,tollpatschiges Mädchen. Versuche dich bei ihr einzuschleimen,bei eurem Einzelgespräch!

Plötzlich kam Schwester Dolores:"Was ist denn passiert? Ist alles gut bei Ihnen?",ich schüttelte meinen Kopf um wieder klar denken zu können:"Ja,alles ist gut,ich...",Felix unterbrach mich:"Mir ist gerade meine Flasche heruntergefallen und Liz hilft mir alle Scherben aufzusammeln und alles wegzuwischen.",Dolores atmete erleichtert aus:"Soll ich Ihnen helfen? Nicht,dass sie zu spät zur Gruppenvisite kommen.",wir sahen auf die Uhr. 9:10 Uhr.

Wir liefen den Flur entlang zum großen Gruppenraum und setzten uns neben Lisa und Ralph. Beide sahen uns neugierig an:"Was habt ihr denn noch so lange gemacht?",Lisa fing an zu grinsen,ich schüttelte nur meinen Kopf. Dr. Sproots war noch nicht da.

Einen kurzen Moment später betraten er und Mrs. Stark den Raum gefolgt von Pfleger Michael,wenn ich seinen Namen vorhin richtig mitbekommen habe. Dr. Sproots saß mir gegenüber und lächelte mich kurz an und widmete sich dann den Akten. Mrs. Stark,die rechts neben ihm saß,warf mir einen eher gleichgültigen Blick zu.

Jeder der Patienten wurde einzeln aufgerufen und es wurde gefragt,wie es demjenigen geht. Dies dauerte ungefähr 20 Minuten. Am Ende sagte Mrs. Stark:"Frau Dinkolsen,wir treffen uns 10 nach 10 zum Einzelgespräch.",sie hatte einen bestimmenden Ton an sich und lächelte mich dann an. Ich nickte nur stumm daraufhin.

Nach der Visite liefen die meisten Leute nach draußen. Ich sah Felix verwirrt an und er sagte daraufhin:"Wir haben jetzt erstmal eine Pause und die meisten gehen dann immer eine rauchen.",Lisa stupste mich an:"Rauchst du auch?",ich zuckte mit den Schultern:"Gelegentlich.",sie nahm meinen Arm und zerrte mich nach draußen:"Das heißt also ja.",ich sah Felix flehend an,doch dieser lachte nur.

Draußen angekommen setzten wir uns auf ein Bank der kleinen Raucherfläche:"Du sag mal...was heißt du da eigentlich an deinem Arm gemacht?",ich war ein wenig verunsichert:"Naja,ich...",Casandra sah mich ernst an:"Du bist eine Borderlinerin?",ich sah sie betrübt an:"Ich weiß nicht,ob ich deswegen eine Borderlinerin bin...",Casandra nickte kurz:"Die meisten Menschen,die sich selbst verletzen sind Borderliner,aber nicht alle.",sie zog ihren Ärmel hoch und es kamen viele weiße und schmale Narben zum Vorschein:"Ich habe es auch eine Zeit lang gemacht,hier aber nie erwähnt. Ist auch besser so. Nicht,dass sie auf die Idee kommen mich auf eine Borderline-Station zu schicken. Dort ist es echt hart..."

Es gibt hier jemanden wie mich. Das beruhigt mich irgendwie und gleichzeitig fühle ich mich auch unwohl. Ich kenne ja nicht die Geschichte hinter ihren Narben,obwohl mich diese brennend interessieren würde,aber ich will nicht so aufdringlich wirken an meinem ersten Tag hier.

Lisa gab mir eine Zigarette und ihr Feuerzeug. "Wie ist Mrs. Stark eigentlich so?",Casandra lachte kurz auf und Lisa sah mich betrübt an. "Sie verhält sich jedem gegenüber anders. Lisa macht sie manchmal ganz schön fertig oder brüllt sie an,aufgrund ihrer Persönlichkeitsstörung. Mir gegenüber verhält sie sich neutral,aber auch manchmal distanziert. Und ab und zu kommt sie auch zu mir und fragt mich,ob wir mal wieder ein Einzelgespräch führen wollen. Sie verhält sich halt sehr unterschiedlich. Du bist schon sehr aufgeregt,oder?",ich nickte schüchtern:"Ich glaube einfach nur,dass sie mich nicht leiden kann."

Na super. Nachdem was Casandra gerade sagte,bin ich nur noch nervöser. Diese Frau wird mich so wie Lisa behandeln. Vielleicht sogar noch schlimmer. Das kann ja nur schief gehen.

In love with my therapistWo Geschichten leben. Entdecke jetzt