Der Duft des Todes

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Haymitch Abernathy
Etwas Rotes klebt an meinen Händen. Ein metallischer Geruch dringt an meine Nase. Blut. Schockiert wende ich den Blick von meinen Händen ab. Doch was ich jetzt sehe, ist nicht weniger grausam. Ein Mädchen mit blonden Haaren liegt vor mir. Ihr Hals ist blutverschmiert. „Haymitch." Ihre Augen suchen meinen Blick. „Gewinn!" Ich muss schlucken, als der Glanz Maysilees Augen verlässt. Ein letztes Mal drücke ich ihre Hand. Dann wende ich mich von ihr ab, damit das Hovercraft kommen und sie nachhause bringen kann. Plötzlich ertönt ein aufgebrachter Schrei hinter mir. Das Mädchen aus Distrikt 1 kommt mit erhobener Axt auf mich zugelaufen. Mein Körper reagiert schneller, als mein Verstand. Ich drehe auf dem Absatz um und schlage den Weg zu der Klippe ein. Das Mädchen stürzt sich auf mich. Sie ist meine letzte Gegnerin. Wenn ich sie überlebe, kann ich zu meiner Familie, zu meiner Freundin. Die Ereignisse ziehen an mir vorbei. Plötzlich sehe ich, wie das Mädchen seiner Axt nicht ausweichen kann. Auf einmal verändert sich die Gestalt des verstorbenen Mädchens. „Mum!" Nacheinander sehe ich meine Lieben vor mir, wie sie ebenfalls von der Axt gequält werden. Ein süßer Duft benebelt mein Bewusstsein.

Panisch springe ich auf und schleudere mein Messer in die Richtung, aus der ich die Quelle des Geruchs vermute. Ein spitzer Schrei ertönt. „Maysilee." Benommen laufe ich auf das Mädchen zu, das einen bunten Blumenstrauß in den Händen trägt. Ihr linker Arm blutet. „Ich..." Ihre Stimme zittert. „Ich bin nicht Maysilee." Verwirrt sehe ich das Mädchen an. Sie lügt. Das Mädchen wimmert leise. „Wer bist du dann?" Ich ziehe mein Messer aus der Wand. Das Blut des Mädchens verschmiert die Klinge. „Mein Name ist Maya. Ich bin Maysilees Zwillingsschwester." „Das erklärt so einiges", murmle ich vor mich hin, während ich ein Stück Stoff von der Tischdecke abreiße. „Ich schlage dir einen Deal vor. Du entsorgst diese verdammten Teile", ich deute auf die Blumen, „und ich verbinde im Gegenzug deine Wunde." Maya nickt und wirft die Blumen in meinen Garten. Sie versinken in dem Gras, das ich achtlos in die Höhe sprießen lasse. „Komm her." Ich verbinde die Wunde, so gut es mit dem Spitzentuch funktioniert. „Was wolltest du von mir?", frage ich misstrauisch. Ich vertraue Menschen, die unaufgefordert mit Blumensträußen in meinem Haus aufkreuzen, grundsätzlich nicht. „Ich wollte dir gratulieren und dir danken." Sie zögert. „Gratulieren brauchst du mir nicht. Ich habe heute nicht Geburtstag." „Du hast die Hungerspiele gewonnen." „Ich bin derjenige, der nicht zu den 47 Toten gehört, mehr nicht." „Danke, dass du bei meiner Schwester warst, als sie..." Mayas Stimme bricht und Tränen laufen ihr über die Wangen. „Hör auf zu weinen", herrsche ich sie an. Das Schluchzen verstummt, die Tränen kann das Mädchen aber nicht aufhalten. „Du weißt, was sie mit meiner Familie gemacht haben", versuche ich mein Verhalten zu erklären. Tränen verschleiern meinen Blick. Doch ich gestatte ihnen nicht, sich ihren Weg über meine Wangen zu bahnen. Maya nickt und wischt sich die Tränen aus dem Gesicht. „Wenn du Gesellschaft brauchst..." Sie hält inne, unsicher, wie ich auf ihr unausgesprochenes Angebot reagiere. „Ich will deine Hilfe nicht." Verletzt sieht Maya zu Boden. „Du ähnelst ihr zu sehr." Ich beobachte aufmerksam die Reaktion des Mädchens. Maya presst ihre Lippen zusammen. Und da kann ich nicht anders. Ich nehme sie für einen Moment in den Arm. Wie schrecklich muss es für sie sein, das Aussehen ihrer Schwester zu teilen? Jeden Tag, wenn sie in den Spiegel sieht, erblickt sie das Bild ihrer Schwester. „Jeder der mich ansieht, wird von Kummer geplagt. Jeder denkt an sie, wenn er mich erblickt", schluchzt sie. Schmerz und Trauer erfüllen mich. Ich habe jeden verloren, der mir etwas bedeutet, aber wenigstens habe ich jetzt die Möglichkeit, mich zurückzuziehen. Mich zwingt niemand mit irgendetwas fertig zu werden. Es gibt niemanden mehr, für den ich mich zusammenreißen muss. Aber Maya... „Geh! Ich... Es tut mir leid. Besuch mich bitte nicht wieder. Wenn ich dich brauche, komme ich zu dir." Maya löst sich von mir und verlässt das Haus, das mir geschenkt wurde, weil ich nicht in der Arena gestorben bin- weil ich andere Menschen getötet habe. Sobald Maya die Tür hinter sich schließt, weiß ich, dass ich sie nicht wiedersehen werde. Schließlich werde ich sie nicht brauchen. Ich brauche niemanden mehr in meinem verdammten Leben.

Blut schmeckt salzig Rache ist süß Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt