Avoxe betreten das kleine Speisezimmer und stellen riesige Platten mit wahren Köstlichkeiten auf dem Tisch vor uns ab. „Die anderen Gänge können serviert werden, wenn ich läute", befiehlt Lexa kühl. Die Avoxe nicken und verlassen mit gesengtem Blick den Raum. „Es gibt noch mehr Essen?", fragt Iridia verblüfft. „Ja. Allerdings können wir nicht alles auf einmal serviert bekommen", erklärt Lexa. Da hat sie Recht. Da unsere Mentorin mit uns unter sechs Augen essen wollte, haben wir uns in einen, im Vergleich zum Hauptspeisesaal, winzigen Raum zurückgezogen. Unser Besteck klirrt leise, während wir das Essen auf unseren Tellern zurechtrücken. Mein Magen knurrt leise, als ich mein erstes Fischstück abschneide. Ich habe noch nie Fischfilet gegessen. Es schmeckt köstlich. „Das ist aber lecker", verkündet Iridia nun auch. Ich verdrehe die Augen. Warum kann die Kleine nicht einfach ihren Mund halten und essen?
Langsam gewöhne ich mich an das gute Essen, weshalb ich endlich meine Augen von ihm abwenden kann. Stattdessen wandern meine Augen über Lexa. Irgendetwas an ihr ist wahnsinnig attraktiv. Sie wirkt eher zierlich. Aber ihre weiblichen Kurven sind es diesmal nicht, die mich auf ihr gutes Aussehen aufmerksam machen. Ist es vielleicht die kleine Nase? Oder ihre leicht gelockten Haare? Ich sauge jeden Eindruck meiner Mentorin in mich auf und bleibe an Lexas Augen hängen. Wow. Mich faszinieren nicht ihre Größe oder die bräunliche Färbung, nein. Dieser kühle Glanz überzeugt mich. Lexa scheint genau wie ich zu sein! Ein Lächeln schleicht sich in mein Gesicht, weshalb ich meinen Blick schnell wieder senke.
„Weshalb wollten Sie mit uns alleine essen?", breche ich nach einiger Zeit die Stille. Lexa lässt sich Zeit und schiebt sich provokant einen weiteren Bissen der Bratkartoffeln in den Mund. Wie mir dieses Verhalten gefällt! „Ich möchte mir zuerst in aller Ruhe ein Bild von euch machen. Wenn ich euch besser kenne, kann ich euch auch effektivere Anweisungen und Tipps geben." „Wie wollen Sie uns kennen lernen, wenn Sie nicht mit uns reden?", fragt Iridia überrascht. „Von dir weiß sie auf jeden Fall schon, dass du naiv und viel zu unreif für die Spiele bist. Du wirst verlieren, also sei endlich still!" „Was gibt dir das Recht über meine Gedanken und Meinung zu urteilen?", zischt Lexa mich an. Nun sprühen ihre Augen vor Kälte und plötzlich finde ich das nicht mehr ganz so attraktiv. Es verunsichert mich etwas. „Niemand." „Richtig. Und deshalb habe auch nur ich das Recht, der Kleinen meine Meinung zu ihren Chancen zu sagen." Schweigend sehe ich auf meinen Teller. Das Besteck habe ich achtlos abgelegt. Mir ist der Appetit vergangen. „Jetzt schmoll nicht so." Zuerst sehe ich nicht auf, weil ich mich nicht angesprochen fühle, doch als Iridia mich anstupst und zu Lexa deutet, erröte ich leicht.
„Ihr müsst mich nicht mögen, aber ich erwarte, dass ihr euch eurem Alter entsprechend benehmt, damit ich vernünftig mit euch arbeiten kann", weist Lexa uns an, wobei sie mir entschlossen in die Augen sieht. „Natürlich", murmle ich und hebe mein Kinn leicht an, um meine übliche Autorität zurückzugewinnen. „Allerdings muss ich Phelan in einem Punkt zustimmen. Du hast in meinen Augen eher geringe Überlebenschancen." Ich muss mir ein Grinsen verkneifen, als Lexa meine Vermutung bestätigt. Die Unterlippe des Mädchens beginnt zu beben. „Kannst du mit irgendwelchen Waffen umgehen?", fragt Lexa weiter. Erneut schüttelt Iridia den Kopf. Als das Mädchen einige Male schnell blinzelt, um die Tränen zu verbergen, zieht Lexa scharf die Luft ein. „Ich habe gesagt, dass deine Chancen gering sind. Trotzdem ist es meine Aufgabe als Mentorin, dich zu fördern und zu unterstützen. Wir werden deine Chancen ausbauen. Dabei setzen wir bei dir aber auf die passiven Techniken. Es wäre schwachsinnig, deine Energie für das Erlernen des Umgangs mit Waffen zu verschwenden. Also verabschiede dich von dem Traum, eine hervorragende Schwertkämpferin oder so etwas zu werden." „Wenn ich mich auf das Tarnen und die Nahrungssuche konzentriere, bestünde also noch Hoffnung." Optimistisch lächelt Iridia in die Runde und beginnt nun, ihren Pudding zu essen. Ungläubig beobachte ich sie dabei. Wie kann sie so viel Hoffnung schöpfen, obwohl Lexa eben indirekt verkündet hat, dass Iridia so gut wie tot ist?
„Ich werde ein Karriero", verkünde ich stolz und lege meine volle Überzeugung in diese Worte. „Warum bist du dir so sicher, dass sie dich in ihr Bündnis aufnehmen?", fragt Lexa mich ruhig. Ich bin mir nicht sicher. „Ich habe Potenzial. Ich kann mit dem Schwert und der Sense umgehen. Und zur Not genügen meine bloßen Fäuste." „Ach ja? Beweis es!" Lexa steht auf und hebt auffordernd ihre Fäuste vor ihr Gesicht. Unsicher stehe ich ebenfalls auf und sehe sie abwartend an. „Er kann Sie doch nicht schlagen!", meint Iridia aufgebracht. „Das wäre unfair, weil Sie ihm nichts angetan haben. Körperverletzung kann man höchstens aus Notwehr dulden, aber..." „Sei still!" Lexas braune Augen funkeln mich herausfordernd an. Zögernd hole ich aus. Genau in diesem Moment tritt Lexa gegen meine Brust. Ich taumle einige Schritte nach hinten. Diesen Moment nutzt Lexa, um mir einen weiteren Stoß zu verpassen. Plötzlich lacht sie auf. Es ist ein kaltes Lachen, das mir durch Mark und Bein fährt. „Du bist arrogant und eingebildet. Dadurch vergisst du deine Schwächen. Du bist aufgrund deiner Statur eher träge. Das musst du in Kämpfen beachten." Reflexartig zuckt meine Faust. Erst, als Lexa keucht, wird mir bewusst, dass ich meiner Mentorin gerade mit voller Wucht in die Magengrube geschlagen habe. „Es tut mir Leid", beeile ich mich zu sagen. „Schon gut. Das war geplant. Mir war klar, dass dein Ego diese Ansprache nicht verkraften würde. Aber ist dir dadurch etwas deutlich geworden?" Lexa richtet sich wieder auf und sieht mich abwartend an. „Du hast den Überraschungseffekt genutzt. Du kannst nur in den Nahkampf gehen, wenn du deinen Gegner nicht den ersten Schritt machen lässt." „Ich werde es mir merken."
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Blut schmeckt salzig Rache ist süß
ActionHaymitch Abernathy hat bei den 50. Hungerspielen das Kraftfeld genutzt, um seine letzte Gegnerin zu töten. Doch die Eltern des Mädchens sind von dieser unfairen Aktion gar nicht begeistert. Deshalb verspricht Präsident Snow dem Vater, der in diesem...