Heilung

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《Warum verteidigst du ihn?》
Ich schwieg für einen Moment und musste überlegen, da ich den Grund selber nicht wusste. Zumindest schienen es Bruchstücke von vielen zu sein, sodass man sie nicht zusammenfassen konnte.
《Nun... Er ist in einer Klinik und es ist eine unglaubliche Umstellung für sein Alter. Ich denke es wäre einfacher für deine Familie, wenn-》
《Welche Familie denn? Josephine! Sieh dich um. Meine Eltern sind geschieden und führen Krieg, wer das Sorgerecht bekommt. Und weißt du warum sie sich plötzlich so hassen? Meinem Vater hat ein Vögelchen gezwitschert, dass meine Mutter nal was mit unserem jungen Gärtner hatte. Vor 20 Jahren. Und er hasst sie jetzt dafür. Mein Bruder ist in einer Entzugsklinik und ich bin vorübergehend gelähmt. Also warum redest du alles schön?》
Ich schwieg und mein Herz raste. Ich bin vorübergehend gelähmt. Ich wiederholte die Worte in meinen Gedanken und starrte ihn mit aufgerissenen Augen an. Vorübergehend. Er schien meine Gedanken nicht zu durchschauen und sah mich verständnislos an.
《Schatz? Alles okay?》
Ich flüsterte, nein hauchte: 《Vorübergehend.》
《Was》, fragte er.
《Vorübergehend. Du hast vorübetgehend gesagt.》
Ich blickte ihn nun an und zitterte leicht. Es war jedoch ein Zittern, was ausgelöst wurde, sobald man glücklich war und das Schluchzen zurückhalten musste. Alexander hingegen schwieg nur.
《Kannst du geheilt werden?》
Er kratzte sich den Nacken und atmete tief ein.
《Ich wollte es dir nicht sagen, da die Heilungschance nicht sehr hoch ist. Beziehungsweise.. die Ärzte sich nicht sicher, was es sein könnte. Ich habe in zwei Tagen einen Termin und-》
Ohne ihn ausreden zu lassen ließ ich mich um seinen Hals fallen und begann sein Gesicht mit Küssen zu schmücken. Ich küsste ihn überall. Auf die Wange, auf den Mund, auf die Lippen, auf die Stirn. Alles was ich küssen konnte. Er war eindeutig überrascht, ließ es jedoch mit einem Kichern zu. Schließlich nahm er mich in die Arme und hielt mich fest.
《Hätte ich diese Reaktion vorrausgesehen, hätte ich es schon längst erzählt.》
Ich lachte leise, sah ihn an und drückte meine Stirn gegen seine.
《Danke.》
《Wofür?》
《Ich weiß es nicht.》
《Josephine.》
《Ja?》
《Was ich dich schon lange Fragen wollte war, was du an dem Abend eigentlich wolltest?》
Verwirrt blickte ich ihn an.
《Als ich meinen Unfall hatte. Du wolltest unbedingt, dass ich rüber komme.》
Ich erstarrte kurz. Vermutlich zuckte ich sogar zusammen.
《Als... ich dich angerufen habe?》
《Ja. Es schien so dringend und du warst niedergeschlagen. Deswegen bin ich so schnell zu dir gefahren.》
Tränen befeuchteten meine Augen und ich schluckte schwer. Seine Augen weiteten sich.
《Oh meim Gott.》
《Alexander...》
《Oh nein. Sag mir nicht, dass du- ich glaub es nicht. Bitte sag mir, dass es nicht das ist was ich denke.》
Ich griff seinen Pullover und lehnte meinen Kopf gegen seine Brust und sagte:《Bitte, lass mich erklären.》
Sein schweigen war antwort genug.
《Du... weißt das doch noch mit Tally...》
《Das war der Grund?》
《Lass mich ausreden. Wir hatten zu der Zeit auch Streitereien und ich war an dem Abend betrunken und mir schien alles schlimmer als es eigentlich war. Ich weiß es klingt wie diese typischen Szenen und dachte ich wäre nur ein weiteres Problem in deinem Leben und so weiter. Es war alles meine Schuld. Als du dich dann verspätet hast habe ich das Auto genommen-》
《Warst du nicht betrunken?》
Mit tränenüberströmten Gesicht sah ich ihn an.
《Ja. Und? Ich bin den Weg, den du immer fährst gefahren und habe dann dein Auto gesehen. Es war so schlimm. Ich hatte solche Angst. Mir wurde bewuss- schon vor dem Unfall- dass ich das nicht tun würde. Aber als ich dich da gesehen habe, da war es mit völlig klar, dass ich dich nicht verlieren wollte. Dass ich es nicht konnte. Verstehst du?》
Meine Wangen waren völlig feucht von meinen strömenden Tränen. Bettelnd hockte ich auf meinen Knien zwischen seinen Beinen und hielt seine Hände. Alexander sah mich an und blieb stumm für mehrere Minuten. Er würde nichts sagen, bis ihm eine Antwort einfiel, weswegen ich nichts sagte.
《Gebe ich dir das Gefühl eine Last zu sein?》
《Nein. Ich bin nur zu dumm und paranoid.》
Mein Gesicht war nun in seinem Oberteil vergraben.
《Josephine. Ich sitze im Rollstuhl, Tally hat mich geküsst und du fühlst dich wie eine Last?》
Ich schwieg und musste ungläubig hören worauf er hinaus wollte.
《Wie kannst du so denken? Habe ich dir etwa dieses Gefühl gegeben? Scheisse, Josephine! Ich habe so sehr versucht dir meine Liebe zu beweisen und du- Willst du mich verarschen?!》
Ich zuckte leicht zusammen, jedoch nicht weil er schrie, sondern wegen dem Grund weshalb er sich sorgen machte. Seine Wut war weder meinem dummen Vorhaben der Trennung, noch des Unfalls und dessen Folgen gewidmet. Er war wütend, da er glaubte mir seine Liebe nicht genügend gezeigt zu haben. Ich sprang ihm in die Arme und umarmte ihn so sehr, dass er wahrscheinlich nicht atmen konnte. Immer wieder küsste ich seinen Hals und seine Schulter und schließlich gab ich ihm einen langen Kuss. Ich versuchte in ihm meine Emotionen zu packen. Wut, Angst, Liebe, Freude, Verzweiflung. Der Kuss war wild und sanft zugleich. Leidenschaftlich und schüchtern. Etwas, das abstrakt schien für unsere Beziehung, wor aber schon oft hatten. Er hielt mich fest und die nächsten Minuten, welche Stunden zu sein schienen hielten wir uns einfach in den Armen und küssten uns, da dies bald zu ende sein würde, wie wir glaubten.

Elastic Heart {Sia}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt