Felicitas I

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Soll ich es ihnen sagen? Sie lachen garantiert, wenn ich es ihnen erzähle. Kai scheint nicht gerade sparsam mit Beleidigungen umzugehen. "Wer?", versuche ich etwas Zeit zu gewinnen.

"Kai."

Wobei seine Worte mir gegenüber, nicht einmal wirklich eine Beleidigung waren. "Nichts."

"Hast du Angst vor ihm?"

Angst? Nein. Dafür braucht es schon etwas mehr. "Er ist etwas einschüchternd."

Lizs Mund formt sich zu einem leichten Grinsen. Auch Joe kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.

"Entspann dich. Er braucht immer seine Zeit um Andere zu akzeptieren.", versucht Max mich zu beruhigen und hält mir, den inzwischen an ihn weitergereichten Joint hin. Bevor ich reagieren kann, kommt Kai von hinten über mich gebeugt und stibitzt ihn. Er nimmt neben Liz, gegenüber von mir, platz. Bis auf ein paar abwertende Blicke, ignoriert mich Kai den Rest des Nachmittags.

Als abends das Bier ausgeht, zieht Casper eine Wodkaflasche aus dem Rucksack. Ich lehne ab, als mir Max die Flasche anbietet. Da ich, bis auf das ein oder andere Glas Champagner bei Familienfeiern, nie Alkohol trinke, hat mir das eine Bier schon genügt. Bei dem Gedanken an die Familienfeiern, fällt mir meine Mutter ein. Sie wartet bestimmt schon auf mich. Ich wühle in meiner Tasche nach meinem Handy. Mist. Ich hab vergessen es nach der Schule wieder auf Laut zu stellen. Ich fische es aus den tiefen meiner Handtasche. Schon halb 10 und fünf entgangene Anrufe. Alle von meiner Mutter. "Ich muss dann nach Hause.", werfe ich in die Runde und stehe auf.

Kai grinst und flüstert jedoch gut hörbar: "Na endlich."

"Findest du denn von hier nach Hause? Ich kann dich begleiten.", bietet Max an.

Ich wedle mit meinem Handy: "Schon gut, hab ja ein Navi."

"Wir sehen uns morgen.", verabschiedet sich Hannah. Der Rest, bis auf Kai natürlich, nickt nur zustimmend und Liz wirft mir nur einen kurzen aber eindringlichen Blick zu. Ich mache mich auf den Heimweg. Sie scheint nicht die große Rednerin zu sein. Ihre Blicke sagen jedoch wirklich mehr als Worte, wobei ich Einige davon noch nicht sicher deuten kann. Gerade als ich den Platz verlasse, schießt mir ein Gedanke durch den Kopf: Meine Schulsachen. Verdammt, die hatte ich vollkommen vergessen. Kai wird sie niemals morgen mitbringen, geschweige denn jetzt mit mir zurückgehen, um sie zu holen. Aber ich brauch sie. Genervt und etwas nervös mache ich kehrt und gehe zurück.

In Maxs Gesicht macht sich ein Grinsen breit: "Funktioniert dein Navi nicht?"

"Meine Sachen sind noch bei Kai."

Kai verdreht genervt die Augen. "Bring ich dir morgen mit."

Joe lacht auf. "Als ob du morgen in die Schule gehst. So wie du am Wodka ziehst, wachst du bei Sonnenaufgang auf irgendeiner Parkbank auf."

Kai wirft eine der leeren Bierflaschen in seine Richtung. Joe kann jedoch rechtzeitig ausweichen und beide beginnen albern zu lachen. Ich verstehe den Spaß daran nicht. Er hätte sich ernsthaft verletzen können. "Was ist jetzt mit meinen Sachen?", hacke ich nach. Meine Mutter macht sich bestimmt Sorgen, weshalb ich schleunigst nach Hause sollte.

Kais lachen verstummt "Mein Gott, irgendwann komm ich schon mal in die Schule, dann bring ich es mit."

"Das vergisst du doch. Außerdem brauch ich es morgen."

Liz schaltet sich ein "Jetzt geht halt schnell zu dir. Sind doch nur 10 Minuten."

"Einen Scheiß werd ich. Wenn ich jetzt nach Hause komme, lässt mich mein Alter nicht mehr raus."

"Dein Vater hat dich doch noch nie aufgehalten.", wirft Casper mit ein.

"Ihr seid doch alle zum kotzen. Na gut." Kai steht auf und nimmt die Wodkaflasche "aber die nehme ich mit."

Die anderen protestieren lautstark. Doch Kai ist schon auf dem Weg und zeigt ihnen lediglich seinen Mittelfinger über seine Schulter hinweg. Ich folge ihm.

Dieses Mal beginne ich kein Gespräch und so herrscht eine beklemmende Stille. Wir laufen eine kleinere Straße endlang. Bis auf den Verkehr der näher liegenden größeren Straßen, hört man nur das sich immer wiederholende Gluckern des Wodkas, wenn Kai zum trinken ansetzt. Er scheint es wirklich darauf anzulegen sich zu betrinken, dabei wirkt er sowieso schon ziemlich angetrunken. Kein Wunder bei dem ganzen Bier und Wodka, den er schon intus hat. Er torkelt schon leicht und wird langsamer. "Wieso trägst du dieses Kleid?" Er lallt schon etwas.

Ich blicke an mir herab. "Was ist falsch an dem Kleid? Dass es meinen Hintern bedeckt?" Diesen Kommentar konnte ich mir nicht verkneifen.

Er grinst "Sieh an, du kannst ja doch kontern."

"Du schätzt mich falsch ein."

"Wie schätz ich dich denn ein?"

"Als verwöhntes Prinzesschen, wie du gesagt hast." Ich bleibe stehen "Wie kommst du darauf?"

Er kommt zu mir und stellt sich mir gegenüber Nah. Sehr nah. "Ich kenne Mädchen, wie dich." Er streicht mir eine Haarsträhne hinters Ohr und fährt langsam über meine Wange. Mir schießt sofort das Blut durch den Körper und meine Wangen beginnen zu glühen. "Ich sehe sie in einem Club. Tanze mit ihnen. Berühre sie" seine Hand wandert langsam weiter über meine Brust zu meiner Taille. Ich bin stocksteif und kann mich keinen Millimeter bewegen. Jedoch fühlt sich jede Zelle meines Körpers an wie elektrisiert. Sein Gesicht ist jetzt direkt vor meinem, sodass ich den Wodka in seinem Atem rieche. "Ich küsse sie. Fahre mit ihnen nach Hause" Ich halte seinem intensiven Blick nicht mehr stand und schließe die Augen. Seine Hand ist inzwischen am Ende meines Kleides angelangt und fährt langsam an meinem Bein entlang unter den Rock. "Ziehe sie aus. Ficke sie. Und wenn sie schlafen..." Er packt mich fest an meinem Hintern, worauf ich meine Augen wieder öffne und in sein grinsendes Gesicht blicke. "Klaue ich ihre Wertsachen und hau ab." Ich schlucke und gehe ein paar Schritte rückwärts, dass ich ein Stück von ihm und vor allem seine Hand von mir weg kommt. Was war nur los mit mir? Ich hätte mir doch denken können, dass er mich verarscht. Doch es hat sich gut angefühlt. Ungewohnt. Ich war wie gelähmt. Und jetzt steht er da und macht sich lustig über mich. "Was soll das?", platzt es aus mir heraus.

Er zuckt mit den Schultern "Denen ist klar wer sie bestohlen hat. Aber erzählen es ihren Eltern nie, weil sie ja so brav und unschuldig sind und niemals einen Jungen mit nach Hause bringen würden."

"Das meinte ich nicht. Du bist widerlich." Ich drehe mich um und gehe schnellen Schrittes in die Richtung, aus der wir kamen. Er folgt mir. "Und was ist mit deinen Sachen?"

Ich drehe mich zu ihm um "Du bist ein Arschloch."

"Dir hat es doch gefallen. Du willst es nur nicht zugeben."

"Fass mich nie wieder an."

"Glaub mir, das hab ich nicht nötig."

Dieses bescheuerte Grinsen. Ich würde ihm wirklich gerne eine klatschen. Aber ich wende mich wieder ab, denn jetzt will ich nur noch nach Hause und mich unter meiner Bettdecke verkriechen. Zum Glück bleibt er stehen und ich laufe alleine in die nächste U-Bahn Station.

GlückskämpferWo Geschichten leben. Entdecke jetzt