Felicitas

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Ich öffne die Tür. Kais Mutter? Sabine war ihr Name. Was macht sie hier?
"Hallo.", meine Verwunderung ist nicht zu überhören.
"Hallo, Feli. Ist Kai zufällig hier? Oder hast du ihn gestern oder heute schon gesehen?"
Sie redet schnell. Nervös.
"Komm rein." Sie betritt die Wohnung. "Etwas zu trinken?"
"Nein danke. Ich muss gleich weiter. Also hast du ihn gesehen?"
"Gestern Mittag das letzte Mal. Ist etwas passiert?"
"Nein, also hoffe ich. Naja danke." Sie hält mir einen Zettel hin. "Wenn du etwas von ihm hörst, kannst du mir bescheid geben, bitte?"
Ich greife den Zettel "Natürlich."
"Bis dann." Sie verlässt fast fluchtartig die Wohnung. Was ist hier los? Sofort greife ich zu meinem Handy und rufe Kai an. Ich mache mir Sorgen.
"Hallo?" Er klingt verschlafen.
"Hey. Ich bin's."
"Hey. Na, was geht?"
"Deine Mutter war gerade hier. Sie sucht dich."
Ein genervter Seufzer.
"Wo bist du?"
"Wieso? Willst du es meiner Mutter sagen?"
"Nein, ich dachte...wir könnten uns...sehen?", stammle ich.
"Oh...gerne."
Auf meinem Gesicht macht sich ein fettes Grinsen breit. Wie kann ein simples Wort so eine Wirkung auf mich haben?
"Meine Mutter kommt bald nach Hause, also bei mir geht es nicht."
"Treffen wir uns im Park. Du kannst mir ja etwas vortanzen."
Ich muss kichern. "Vergiss es. Aber Park ist gut. Halbe Stunde?"
"Ok. Zieh deine Leggings an."
"Idiot. An unserer Bank dann. Tschüs."
Ich lege auf und klatsche mit meiner Hand auf meine Stirn. "Unserer Bank"? Wie kitschig war das denn? Hoffentlich hat er das überhört. Hat er bestimmt nicht. Jetzt hält er mich für total bescheuert.
Ich beschließe mich in meine beste Jeans zu zwängen, um diese Blamage mit einem knackigen Hintern auszugleichen. Wenn er überhaupt noch kommt. Natürlich kommt er. Ich muss aufhören so stark an mir zu zweifeln. Ich brauche mehr Selbstbewusstsein. Liz sollte mir etwas abgeben, sie hat genug davon. Verdammt, das hatte ich völlig vergessen. Er will bestimmt eine Antwort wegen Liz. Ich will sie nicht hier haben, aber andererseits würde ich so bestimmt Kai öfter sehen.
Mist, ich komme zu spät. Ich sprinte zur U-Bahn und erwische sie gerade noch. Ich schreibe Sabine eine Nachricht, dass ich Kai erreicht habe und es ihm gut geht.
Im Park angekommen, sehe ich Kai auf der Bank sitzen. Er hat den Kopf nach hinten über die Lehne hängen und bläst Rauch in die Luft. Ich hasse Rauchen, aber verdammt, er sieht heiß dabei aus. Ich nehme neben ihm Platz.
"Ich dachte schon du kommst nicht mehr." Er schaut mich nicht an.
"Ich bin nur 5 Minuten zu spät."
Jetzt richtet er sich auf und mustert mich. Sein Blick bleibt an meinen Beinen hängen. "Wo ist die Leggings?"
"Das war doch nicht etwa dein Ernst?"
Er blickt mir direkt in die Augen und grinst neckisch. "War unsere Bank dein Ernst?"
Oh Gott. Ich weiche seinem Blick aus und spüre wie mein Gesicht heiß wird. Ich möchte im Erdboden versinken.
"Hey, das braucht dir nicht peinlich zu sein. Du hast doch recht, die Bank heißt so."
Was? Ich sehe ihn verwundert an. Er zeigt auf die Lehne. In das Holz ist "Unsere Bank" geritzt.
Ich grinse ihn an. "Du weißt, dass das schon etwas kitschig ist?"
Er zuckt mit den Schultern. "Mir war langweilig, als ich auf dich gewartet hab. Was willst du machen?"
"Kannst du mir einen schönen Ort zeigen?"
"Schön? Berlin ist cool, aber nicht wirklich schön."
"Wo gehst du hin, wenn du alles vergessen willst? Einfach den Moment genießt?"
Er steht auf und hält mir seine Hand hin. Ich nehme sie und wir gehen. Hand in Hand.
In der Plattenbausiedlung betreten wir das höchste Haus und steigen die Stufen zum obersten Stockwerk hinauf. Oben angekommen klettern wir durch eine Luke auf das Dach.
"Hier oben fühlt man sich so frei, wie sonst nirgends." Kai setzt sich in der Nähe des Randes auf den Boden. Ich bleibe bei der Luke stehen. "Ich fühle mich eher, als schwebe ich in Lebensgefahr."
"Komm schon dir passiert nichts."
"Ich weiß nicht. Hier ist kein Zaun oder so am Rand."
"Das Dach ist flach. Du kannst also nicht runterrutschen." Er kommt zu mir und greift meine Hände. Er geht rückwärts Richtung Kante und zieht mich mit. Ich folge ihm. Sein Blick weicht nicht von mir. "Du musst stop sagen, sonst falle ich."
"Also vertraust du mir?"
"Ja. Außerdem würde ich dich mitziehen." Sein Griff wird fester und er grinst verschmitzt.
"Hör auf. Du bist doof." Ich versuche etwas panisch meine Hände aus seinem Griff zu befreien. Er bleibt stehen und legt seine Arme um mich. "Entspann dich. Ich würde nie zulassen, dass dir etwas zustößt."
Nach ein paar Sekunden Fassungslosigkeit über diese Worte, stürze ich mich förmlich auf ihn und küsse ihn. Er erwidert den Kuss aber drängt mich etwas zurück. "Pass auf, sonst fallen wir wirklich noch."
Ich ziehe ihn einige Meter in die Mitte des Daches und setze mich. Er geht auf die Knie und krabbelt über mich, sodass ich mich hinlegen muss. Wir küssen uns.
Stundenlang. Ich vergesse die Zeit und blende alles um mich herum aus. Es fühlt sich an, wie die Ewigkeit.
"Es ist schon dunkel.", stelle ich nach Stunden fest.
Kai legt sich neben mich auf den Rücken und legt seinen Arm unter meinen Kopf. Ich kuschle mich an ihn. Sein Blick schweift über den Himmel.
"Faszinierend, die Sterne."
"Wo ich vorher gewohnt hab, hat man mehr gesehen. Das liegt an der hellen Stadt."
Er dreht seinen Kopf zu mir. "Egal, ich schau sowieso lieber dich an." Er streicht mir über die Wange.
Wie war das mit den kitschig romantischen Film Szenen, die ich haben will, aber mit ihm niemals möglich sein werden? Da wurde ich heute wirklich eines Besseren belehrt. Ich bin gerade dabei, mich unsterblich in ihn zu verlieben.

GlückskämpferWo Geschichten leben. Entdecke jetzt