Kai

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"Ich geh eben telefonieren."
Ich verschwinde in Felis Zimmer und krame in meinen Sachen, nach meinem Handy. Verdammte Scheiße, wo ist das Ding? Endlich. Ich rufe Mimi an. Geh ran. Geh ran!
"Hallo?"
"Mimi? Babe, du musst mir einen Gefallen tun. Kannst du mir schnell ein bisschen Stoff vorbei bringen? Ja? Bitte."
"Wieso besorgst du dir nicht selbst etwas?"
"Weil ich nicht kann! Ich hab keine Klamotten. Ich schick dir die Adresse und du bringst mir etwas, ja?"
"Wieso hast du keine Klamotten?"
Ist die bescheuert? Wieso fragt sie so dumm?
"Ist doch scheiß egal."
"Brauchst ja nicht gleich pampig werden."
"Bring einfach was, ja?"
"Ich hab kein Geld."
"Dann frag die Anderen." Mann, ist die schwer von Begriff.
"Die waren gerade Bier holen. Kai, wir haben nichts."
Ich lege auf. Fuck. Fuck. FUCK. Die in dem scheiß Krankenhaus haben mich komplett durchgespült. Normalerweise hätte ich erst in ein paar Stunden etwas gebraucht. Ich gehe im Zimmer auf und ab. Die Tür geht auf. Feli.
"Alles in Ordnung?" Nein verdammt!
"Hast du vielleicht irgendetwas, dass ich schnell anziehen kann. Ich muss dringend wo hin."
"Wir sind ein purer Frauenhaushalt. Also eher nicht. Du bist ganz blass."
Danke für die Info.
"Einfach eine weite Jogginghose und ein Pulli?"
Sie öffnet ihren Schrank und holt eine Hose heraus. "Du bist so dünn, da sind dir wahrscheinlich sowieso alle weit."
Ich ziehe sie an. Passt. Obwohl es mir im Moment auch fast egal wäre, wie ich aussehe, Hauptsache ich hab irgendetwas an.
Sie kramt noch einen Hoodie hervor. Schnell schlüpfe ich hinein. "Gut, bis später." Ich eile aus der Wohnung. Scheiße, ich hab keine Kohle.

"Hallo?", meldet sich Joe aus meinem Handy.
"Hey. Wo bist du?"
"Daheim. Was ist?"
"Hast du ein bisschen Kohle für mich? Nur ein bisschen was. Ich gebs dir auch wieder."
"Kai..."
"Komm schon, bitte."
"Nein, ich finanzier dir nicht deinen Stoff."
"Ich will nur etwas zu essen."
"Dann komm vorbei. Wir haben Essen."
Wichser. Ich lege auf. Auf der anderen Straßenseite entdecke ich einen torkelnden Mann. So Mitte 50. die Straßen sind relativ leer. Es ist auch schon dunkel. Ich könnte es riskieren. Ich überquere die Straße und folge ihm. Er biegt in eine kleine Seitenstraße ein. Perfekt. Ich krame in meiner Hosentasche. Scheiße, mein Butterfly ist bei meinen anderen Sachen. Ich muss mir etwas einfallen lassen. Ich entdecke eine leere Bierflasche am Boden. Ich wickle den unteren Teil des Hoodies darum und schlage sie an einer Wand auf. So klirrt es nicht zu laut. Ich nähere mich von hinten, packe den Mann und halte ihm die zerbrochene Flasche an die Kehle. "Geld her."
Er weiß gar nicht, wie ihm geschieht und steht stocksteif da.
"Dein Geld! Oder ich schlitz dich auf."
Jetzt reagiert er. Er kramt in seinem Jackett und holt es schließlich raus. Ich reiße es ihm aus der Hand und befördere ihn mit einem Tritt in die Kniekehlen auf den Boden. 150 Euro. Jackpot. Den leeren Geldbeutel werfe ich ihm hin und verschwinde.

Nach dem Schuss muss ich mich wirklich konzentrieren den Rückweg zu finden. Scheiße, in der Hektik hab ich vorhin natürlich nicht darauf geachtet. Nachdem ich eine halbe Stunde durch die selben drei Straßen geirrt bin, finde ich Felis Wohnung endlich. Sie öffnet die Tür und sieht mich etwas verdutzt an. Sieht man mir so stark an, dass ich drauf bin?
"Geht's dir gut?"
"Bin voll müde. Wo penn ich?"
"Ich hab die Matratze schon hergerichtet."
Ich nicke nur und lege mich hin.

"Ich dachte ihr seid nicht zusammen?"
Felis Mutter ist anscheinend gekommen.
"Sind wir auch nicht. Er hat Probleme zu Hause und wusste nicht wohin."
"Ich bekomme gerade so genug Geld für uns beide zusammen, wie soll ich ihn auch noch versorgen?"
"Mir fällt schon etwas ein. Mama, bitte."
"Okay. Aber wenn irgend etwas ist, muss er gehen."
"Was soll denn sein?"
"Vielleicht klaut er ja meinen Schmuck. Er ist das einzige wertvolle, dass wir noch haben."
Danke für den Tipp.
"Als du ihn das erste Mal gesehen hast, fandest du ihn noch nett."
"Ich kenne den Jungen nicht."
"Aber ich. Und ich vertrau ihm."
"Gut. Dann verlasse ich mich auf deine Menschenkenntnis."
"Danke."
Feli kommt ins Zimmer und schließt die Tür.
"So, du vertraust mir also?" Sie erschrickt. "Ähm. Nein. Also mach keinen Scheiß."
Ich grinse sie an. "Ich doch nicht."
Sie wirft mir einen misstrauischen Blick zu und legt sich ins Bett. "Gute Nacht Kai."
"Aber ich bin nicht müde."
"Kein Wunder. Du hast auch gerade zwei Stunden geschlafen."
Ich stehe auf und lege mich zu ihr ins Bett.
"Was wird das?"
"Die Matratze ist verdammt unbequem."
"Bestimmt bequemer als dein Zelt, also freu dich darüber."
"Das war nicht mein Zelt."
"Wie auch immer. Husch, zurück auf die Matratze."
Ich beuge mich über sie. "Jetzt wirst du aber frech."
"Ich bin nicht so brav, wie du denkst."
Doch ist sie, aber sie taut endlich mal etwas auf. Sie legt ihre Hand in meinen Nacken und zieht sich zu mir hoch. Sie schmeckt süß. Wie Wassereis. Ich schlinge meine Arme um sie und drehe mich auf den Rücken, sodass sie oben ist. Sie richtet sich auf und blickt auf mich runter. Sie fährt mit einem Finger über die Narbe an meinem Bauch. Und langsam weiter runter Richtung Hosenbund. Hält aber plötzlich inne.

GlückskämpferWo Geschichten leben. Entdecke jetzt