„Hey", nehme ich Kais Anruf entgegen.
„Wo bist du? Kann ich zu dir?", er klingt aufgewühlt.
„Bei Felis Vater. Klar kannst du kommen. Ist etwas passiert?"
„Schick mir die Adresse."
Aufgelegt. Ich schicke Sie ihm. Da ist schon wieder irgendetwas passiert.Eine halbe Stunde später sitz ich mit Kai in Dennis' Wohnzimmer und wir sehen uns aneinander gekuschelt einen Film an. Kai zündet einen Joint nach dem Anderen an. Ich habe ihn dreimal gefragt, was los ist, aber er möchte nicht darüber sprechen.
„Das ist wirklich ein riesiges Haus.", bricht er endlich die Stille, „Feli meinte, es kommt ihr so vor als würdest du ihren Vater kennen. Ist er ein Kunde?"
Ich nicke nur. Kai redet normalerweise nicht mit mir über dieses Thema. Er hasst, dass ich es tue und möchte deshalb nichts davon hören. Das quält mich manchmal. Wenn ich einen blöden Kunden hatte, möchte ich mit jemandem darüber sprechen und Kai wäre für mich der Einzige, dem ich es erzählen würde.
„Wirst du es ihr sagen? Ihr versteht euch doch jetzt."
„Nein, das muss Dennis entscheiden. Er möchte, dass ich aufhöre und fest hier einziehe."
„Machst du's?"
„Nein. Sonst bin ich sowas wie sein Eigentum, wenn er alles für mich bezahlt."
Er sieht mich skeptisch an. „Willst du damit sagen, jede Hausfrau ist das Eigentum ihres Mannes?"
„Nein. Kai, er ist nicht mein Freund oder Mann. Ich bin 15. Und es ist nunmal mein Job."
Er drückt mich grob von sich und steht auf. „Ja, du bist 15. Du brauchst keinen Job, verdammt. Du gehst zur Schule."
„Wie du siehst, geh ich nicht zur Schule. Sonst wäre ich dort. Und du ja offensichtlich auch nicht."
Er wird laut. „Willst du das für den Rest deines Lebens machen? Das ist doch Scheiße. Das macht dich noch kaputt."
„Das sagst ausgerechnet DU? Du bist ein Junkie. Sitzt hier, kiffst einen nach dem Anderen und erzählst mir nicht, was passiert ist. Ich seh doch deine aufgerissenen Knöchel. DU bist kaputt! Schon dein ganzes Leben. Du lässt niemanden an dich ran, nur weil dein Vater dich wegstößt."
„Immernoch besser, als Jeden an dich ran und dich von Jedem ficken zu lassen, weil dein Vater das auch mit dir macht."
„Raus. Verpiss dich! Raus!" Ich brülle. Und weine.
Er starrt mich einen Moment an. Er will etwas sagen, doch ich greife nach dem Kerzenständer vor mir auf dem Couchtisch und werfe ihn. Kai duckt sich und ich treffe die Vase im Regal hinter ihm. Er flüchtet aus dem Haus.
Ich gehe hinauf ins Schlafzimmer um mich umzuziehen. Ich muss aus dem Haus sein bevor Dennis nach Hause kommt, sonst lässt er mich nicht gehen.
Ich schlüpfe in meinen kurzen Rock und ein bauchfreies Top. Die hohen Schuhe verstaue ich in meiner Tasche, für später. Ich ziehe einen weiten Hoodie über. Es ist einer von Kai. Ich schlüpfe in meine Stiefel und entdecke einen blauen Fleck an meinem Oberschenkel. Vermutlich von einem Kunden der letzten Tage. Er hat Recht, es macht mich kaputt. Wir sind beide kaputt.An meinem Fleckchen am Bürgersteig angekommen, wechsle ich die Schuhe und keine halbe Stunde später hält das erste Auto auf meiner Höhe. Ich beuge mich hinunter und stecke den Kopf durch das Fenster der Beifahrertüre.
„Hallo du Hübsche."
Er ist gepflegt, Mitte 40 und trägt einen Ehering. Vermutlich ein Ehemann, den seine Frau nicht mehr ran lässt, oder dem seine Frau nicht mehr gefällt. Die wollen meistens einen normalen Standard Fick.
Ich lächle.
„Darf ich dich für eine Stunde entführen?"
Ich nicke „Für einen Hunderter."
„Das ist aber sehr viel. Dort vorne würde ich 60 bezahlen."
Viele feilschen, deshalb sage ich am Anfang immer einen zu Hohen Preis.
„80. Weiter runter geh ich nicht."
Er geht darauf ein und ich steige in den Wagen. Wir fahren zu einem Motel und betreten das Zimmer.
Ich möchte mich ausziehen, doch er hält meine Hände fest.
„Wie heißt du?", seine Stimme ist sehr ruhig und sanft.
„Liz"
Er beginnt langsam mich meiner Kleidung zu entledigen. Er steht also auf die sinnliche Art. Ich passe mich an und öffne seine Hose. Er beginnt meinen Körper mit seinen Händen zu streicheln und küsst meine Brust. Ich lasse meine Kunden so ziemlich alles machen, außer mich auf den Mund zu küssen. Das scheint ihm aber bewusst zu sein, da er sich voll und ganz auf meinen Körper fokussiert. Er streift ein Kondom über, wir landen auf dem Bett und haben Sex. Ja, WIR haben Sex. Denn er ist so liebevoll, dass es sich direkt gut anfühlt. Für einen kurzen Moment vergesse ich fast, dass er ein Kunde ist.
Danach stecke ich das Geld ein, dass er vorher auf den Tisch gelegt hat. Es gibt einfach zu viele, denen erst danach einfällt, dass sie doch zu wenig Geld dabei haben. Er fährt mich zurück und verabschiedet sich mit einem „Auf Wiedersehen."
Ich muss zugeben, ich würde mich freuen, in ihm einen neuen Stammkunden gefunden zu haben.Weitere drei Kunden später, mache ich mich auf den Weg. Als ich Dennis' Haus betrete, steigt mir ein köstlicher Duft in die Nase.
Beim Essen schweigt Dennis eine ganze Weile, bis er mich fragt, wie die Vase zu Bruch gegangen ist.
„Kai war hier. Er ist ein Freund. Wir haben uns gestritten und ich habe den Kerzenständer nach ihm geworfen.", erzähle ich.
Er sieht mich besorgt an „Hat er dir etwas getan?"
„Nein, es ist alles in Ordnung. Tut mir leid wegen der Vase."
„Solange es dir gut geht.", lächelt er. „Ach ja, raucht das nächste Mal das Gras bitte draußen. Der Gestank war überall."
Peinlich berührt senke ich meinen Kopf. Doch er nimmt meine Hand und lächelt mich weiter an. Er ist so gutmütig. Ich spüre mein Handy vibrieren und hole es aus der Tasche des Hoodies. Joe.
„Geh ruhig ran. Ich räume das weg." Dennis beginnt den Tisch abzuräumen, während ich den Anruf entgegennehme.
„Weißt du wo Kai ist?"
„Er war heute Mittag bei mir. Sonst weiß ich nichts."
„Ich kann ihn seit heute morgen nicht mehr erreichen. Er ist auf Max losgegangen. Liz, ich glaube er ist etwas außer Kontrolle."
Das erklärt seine Fingerknöchel.
„Kai ist oft außer Kontrolle." Natürlich sorge ich mich. Und auch ich habe bemerkt, dass Kai seit einiger Zeit anders ist. Aber meistens kann er sich da nur selbst wieder rausholen.
„Tolle Hilfe, Liz. Melde dich, wenn du etwas von ihm hörst."
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Glückskämpfer
RomanceAls sich Felicitas' Mutter von ihrem Freund trennt, ziehen sie nach Berlin. In einen sozial schwachen Bezirk. Eine komplett neue Welt für die 15-Jährige, die bisher das Luxusleben gewohnt war. Schnell findet sie neue Freunde und wird in eine Clique...