Felicitas

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"Geht er nicht ran?", frage ich wegen des genervten Gesichtsausdrucks von Liz, die gerade versucht Kai zu erreichen.
Sie schüttelt den Kopf. Seit sie gestern vor meiner Tür stand haben wir vielleicht fünf Sätze gewechselt.
"Kann ich dich etwas fragen?"
Sie wirft mir nur einen intensiven Blick zu. Diese Frage schwebt mir schon seit langem im Kopf rum. "Hat Kai irgendetwas über mich gesagt?"
Sie lacht kurz spöttisch. "Was erwartest du jetzt zu hören? Nein, hat er nicht. Hör zu, für Kai gibt es drei Arten von Mädchen. Die, die er erobern will. Die, die ihn so ranlassen und er nur zum Zeitvertreib fickt und die, die ihn nicht interessieren. Mit seinen Freunden redet er nur über seine Eroberungen. Kannst dir aussuchen, welche der beiden letzten du bist."
Autsch. Ich merke, wie die Tränen in mir hoch steigen. Nein. Ich heul jetzt nicht.
"Na zum Glück habe ich nicht mit ihm geschlafen. So bin ich anscheinend nur eine, für die er sich nicht interessiert. Ist mir lieber, als wie du ein Zeitvertreib zu sein. Wie fühlt es sich eigentlich an, wenn sich Alle nur wegen deinem Aussehen für dich interessieren und du im Leben nur mithilfe deines Körpers etwas erreichst?"
Sie schluckt und blickt zu Boden. Über ihre Wangen laufen Tränen.
"Tut mir leid. Das meinte ich nicht so."
Sie hat mich mit ihrer Aussage eigentlich, auf eine verquere Art und Weise, vor Kai gewarnt.
"Irgendwie hast du ja Recht. Sogar mein Vater will nur meinen Körper."
Ich weiß nicht was ich sagen soll. Ich kann es nicht mal glauben.
"Willst du einen Kakao?" Klar Feli, als ob ihr das jetzt weiterhelfen würde. So sieht sie mich zunächst auch an, nickt dann aber doch.

Nachdem sie mehrere Minuten in ihrer Tasse gerührt hat, blickt sie zu mir auf.
"Mir tut es auch leid. Ich hätte das mit Kai nicht sagen sollen."
"Schon ok. War ganz gut, dass du mir nochmal klar gemacht hast, was für ein Arsch er ist."
"Ich bin eifersüchtig. Er scheint dich zu mögen."
"Wirklich? Also hat er etwas gesagt?" Ich bin richtig aus dem Häuschen und alle Warnsignale, die ihn betreffen sind wieder auf stumm geschalten.
"Nein, er würde so etwas nie zugeben. Aber wie er dich ansieht und er war das letzte mal nervös, als du zu den Zelten gekommen bist. Und gestern hat er ausweichend reagiert, als ich näher nachgefragt habe. Würde es ihm nur um Sex gehen, würde er offen mit mir darüber reden und prahlen."
Ich sollte natürlich nicht zu viel auf ihre Beurteilung geben. Direkt gesagt hat er ja nichts. Andererseits kennt sie ihn schon recht gut. Ich kann meine Freude nicht verbergen. Und sie erwidert mein Lächeln. "Du magst ihn wirklich, hm?"
Ich nicke beschämt. Ich weiß, dass sie auch etwas für ihn empfindet, weshalb es mir leicht unangenehm ist mit ihr darüber zu reden. Sie scheint meine Gedanken zu erraten. "Schon ok. Ich hatte genug Chancen. Zwischen ihm und mir wird nie etwas ernsthaftes laufen. Wobei ich immer dachte, er würde generell nie auf etwas ernsthaftes eingehen. Also pass trotzdem auf, ja? Selbst wenn er wirklich Gefühle für dich hat, wobei ich mir ziemlich sicher bin, weiß ich nicht ob er sie zulässt. Sobald es um Gefühle geht, bekommt Kai schiss und macht zu." Sie lacht leicht. "Wir sind irgendwie alle Gefühlskrüppel."
Ich erwidere ihr Lachen aber innerlich wachsen meine Bedenken.
"Danke übrigens, dass ich hier sein darf."
"Schon ok. Leider hat meine Mutter es  nur für ein paar Tage erlaubt. Aber du könntest zu meinem Vater."
"Dein Vater? Hast du Kontakt zu ihm?"
"Sporadisch. Aber er lebt auch in Berlin und ich hab mir sowieso vorgenommen ihn jetzt öfter zu treffen. Er nimmt dich bestimmt auf. Er tut alles für mich, weil ich etwas sauer auf ihn bin. Außerdem hat er genug Zimmer."
"Wieso bist du sauer auf ihn?"
Ich komme mir dumm vor, ihr den Grund zu nennen. Ihr Vater macht so schreckliche Sachen mit ihr, da kann ich mich wirklich nicht beklagen.
"Willst du nicht drüber reden?", fragt sie weiter nach.
"Er ist meiner Mutter fremd gegangen. Er fand sie während der Schwangerschaft nicht mehr attraktiv und hat seine Sekretärin gevögelt."
"So ein Wichser."
"Ja aber dieser Wichser ist wohl im Moment deine beste Option."
Sie schmunzelt. "Ist komisch solche Wörter aus deinem Mund zu hören."
Ich muss lachen. Sie hat recht, das kommt wirklich selten vor.
Ihr Handy klingelt. "Oh der Herr ist wohl von den Toten auferstanden.", scherzt sie und nimmt den Anruf entgegen. "Ja ich bin bei ihr. Warte." Sie sieht mich an "Wann kommt deine Mutter? Also kann Kai noch herkommen?"
Ich nicke "Erst in drei Stunden."
"Du kannst kommen. Bis gleich." Sobald sie aufgelegt hat sieht sie mich neugierig an. "Was war mit ihm und deiner Mutter?"
"Er hat hier geschlafen und ich habe seine Wäsche gewaschen. Sie hat danach ein Tütchen in der Waschmaschine gefunden und ihn rausgeworfen, weil sie keinen Junkie in ihrer Wohnung haben will."
Liz nickt "Verständlich."
"Ist er denn Einer? Ein Junkie?"
Wieder nickt sie.
Kai wird immer gefährlicher. Aber auch interessanter. Und ich denke ein wenig spielt auch mein Helfersyndrom mit rein.
"Es lag aber bestimmt auch daran, dass sie uns kurz vorher halbnackt in meinem Bett erwischt hat." Kichere ich.
"Also habt ihr nur noch nicht, weil ihr unterbrochen wurdet?"
"Ich weiß nicht, ob es soweit gekommen wäre. Ich denke im letzten Moment hätte ich schiss bekommen."
"Wirklich Angst oder nur aufgeregt?"
"Eher aufgeregt denke ich."
Sie setzt einen aufmunternden Blick auf. "Das ist normal. Nur wenn es sich in irgendeiner Weise falsch anfühlt solltest du es lassen."
Es klingelt an der Tür.

GlückskämpferWo Geschichten leben. Entdecke jetzt