20. Kapitel- Nichts ist passiert.

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Leila p.o.v.

Ich bekam kaum meine Augen auf und doch stand ich im Bad vor dem Spiegel.
Ich sah schrecklich aus. Etwas anderes brauchte ich mir gar nicht einzureden.
Vorsichtig wusch ich mein Gesicht, um all die verschmierte Schminke wegzubekommen. Dabei konnte ich mich nicht einmal daran erinnern, so viel aufgetragen zu haben.

Mit jedem Schwall Wasser, der auf mein Gesicht traf, wurde auch die Erinnerung an den gestrigen Abend klarer.

Jona und ich im Restaurant.
Jona und ich lachend und scherzend.
Jona und ich im Auto, er war ganz nah an meinem Gesicht.
Und zum Schluss meine Flucht, vor was auch immer.

Ich zog mein total zerknittertes Kleid aus und die Sachen, die Noah mir mitgegeben hatte, an.
Nachdem meine Haare entzottelt waren, sah ich noch mal in den Spiegel.
Ich schaute wieder halbwegs normal aus, wenn man meine fetten Augenringe nicht beachtete.

Ich sank auf dem Boden zusammen und fing an nachzudenken.
Was war gestern nur in mich gefahren? War ich eigentlich total bescheuert?

Jona war auf jeden Fall dabei gewesen, mich zu küssen. Soviel ist schon mal klar.
Und ich habe einfach Panik bekommen. Kann passieren.

Nein kann es nicht.

Ich hätte schon wieder heulen können. Nach der Aktion wollte Jona sicher nichts mehr mit mir zu tun haben. Immer machte ich alles kaputt.

Ich hörte ein leises Klopfen.
"Leila? Alles in Ordnung?" Noah klang echt besorgt.

Ich wischte mir, schon fast wütend, die Tränen weg. Was geschehen ist, ist geschehen. Kann ich auch nicht mehr ändern.
Schon stand ich wieder und schloss die Tür auf. Woher ich dafür die Kraft nahm, weiß ich auch nicht.

Noah saß immernoch zusammengekauert im Flur, vor der Tür, doch als ich heraustrat sprang er auf.
"Was ist passiert?", fragte er und sah mir tief in die Augen.
"Nichts.", antwortete ich, nicht ganz wahrheitsgemäß.
Ich wandte meinen Blick ab, denn auf einmal hatte ich das Gefühl, er könnte alles in meinen Augen lesen.
Alles was gestern Nacht passiert war, oder besser gesagt: nicht passiert war.

Doch er sagte kein Wort mehr sondern strich mir einfach nur, fast liebevoll über den Arm.
"Können wir ausreiten gehen?", fragte ich leise. Ich brauchte jetzt Ablenkung.
"Sicher.", nickte er und ich sah in seinen Augen, dass er verstand.

Noah p.o.v.

Langsam fing ich an, mir Sorgen zu machen. Wie Leila sich verhielt, war wirklich nicht normal.
Und wo, zum Teufel, war sie gestern gewesen?

Eine Vermutung hatte ich ja.

Ich wollte sie allerdings nicht dazu befragen, ich wusste sie würde mir eh nichts verraten. Also hielt ich einfach meine Klappe.

Schweigend verließen wir das Haus und betraten den Stall.
Genauso schweigend sattelten wir die Pferde und ritten los.

Auf dem Weg hielt ich es dann aber doch nicht mehr aus.
Heute Abend würde ich versuchen, Leila alles zu erklären und ich war schon total aufgeregt.
"Also... Wer kommt heute Abend alles so?", versuchte ich den smalltalk zu starten.

Leila war noch total in Gedanken.
Ich winkte ihr und wiederholte meine Frage. Diesmal lauter.

Sie schreckte ein wenig aus ihrer Starre.
"Also, ich habe nur June eingeladen.", antwortete sie, nachdem sie kurz nachgedacht hatte.
"Bei mir kommen ein paar Kumpels.", erzählte ich.
Sie nickte. Und schon war sie wieder weg. In ihrer Gedankenwelt.

Leila p.o.v.

Das Ausreiten war echt eine guter Vorschlag. Ich hatte Zeit, über die ganze Situation nachzudenken.
Und als Noah diese Frage stellte, wer den alles kommen würde, kam ich auf die Idee. Ich würde einfach auch Jona einladen und ihm alles erklären.

So einfach war das. Oder auch nicht.

Die große Frage war da ja natürlich, ob er kommen würde. Und da konnte ich mir schon denken, dass das der Haken an der ganzen Sache war.

Aber probieren würde ich es trotzdem. Das nahm ich mir zumindest fest vor.

Mit diesem Gedanken konnte ich endlich ein wenig entspannen und den Ausritt noch genießen und war dann sogar ziemlich traurig als er vorbei war. Macht nichts, die Ferien sind ja noch lang.

Als die Pferde abgesattelt waren und wir sie auf die Koppeln gebracht hatten, da sie für den restlichen Tag frei hatten, saßen wir nun drinnen und dachten darüber nach, was wir alles noch brauchen würden.

Meine Mutter hatte uns am Tag zuvor schon Stockbrot- Teig fertig gemacht und Marshmallows gekauft. Bei sowas waren wir eben doch wie Kinder, das gehörte halt zum Lagerfeuer dazu.
Tradition, oder so.

Das hieß wir brauchten noch Stöcke und Brennholz, worum sich Noah auch gleich kümmerte. Er verschwand aus der Küche und lies mich grübelnd zurück.
Super. Sobald ich allein war fing ich schon wieder an, mir einen Kopf zu machen.

Ich entschied mich, Jona einfach eine SMS zu schreiben, dann hätte ich es hinter mir und konnte endlich über das Lagerfeuer nachdenken.

'Hallo.
Ich muss mit dir reden. Komm bitte heute Abend auf den Hof, wir machen ein Lagerfeuer.
Leila'

Ja ich weiß, nicht sonderlich einfallsreich, aber was soll's. Jetzt hieß es eh nur hoffen.

Die restliche Zeit verbrachte ich damit, eine Erdbeerbowle zu machen. Dabei starrte ich immer wieder auf mein Handy. Keine Nachricht von Jona. Nichts. Von Minute zu Minute wurde ich besorgter.

Was wäre, wenn er nicht kommen würde? Dann hätte ich innerhalb einer Minute diese komplette 'Beziehung' kaputt gemacht.  Das würde ich mir nie verzeihen.

Ich entschied, mich schon mal umziehen zu gehen, damit ich fertig war, wenn alle da sein würden. Ich wählte mir ein einfarbiges Shirt aus und zog dazu eine normale, lange Jeans an. Um die Hüften band ich mir noch einen Pullover, den ich Abends, wenn es kalt werden würde, fix drüber ziehen konnte.

Danach packte ich die Schüssel mit dem Teig, die Tüte voll mit Marshmallows, die Kanne mit meiner selbst gemachten Bowle und ein paar Pappbecher in einen Korb und verlies das Haus.

Abseits der Koppeln hatte Noah, um eine Feuerstelle schon Sitzbänke gestellt und sogar ein paar Decken verteilt. Das würde nachher sicherlich wirklich gemütlich werden.
Gelehnt, an einer der Bänke, lagen circa ein Dutzend leicht angespitzte, lange Stöcke. Die waren perfekt für das Stockbrot.

Ich stellte die Bowle und die Becher auf einem kleinen Beistelltischchen ab und setzte mich dann zu Noah auf eine der Bänke. 

Sehnsüchtig erwartete ich die ersten Gäste.

Und schon kamen ein paar Leute in Sicht. Doch wen ich da sah, machte mich überhaupt nicht glücklich.

Mein Leben ist (k)ein Ponyhof.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt