26. Kapitel- Schwul, oder nicht schwul?

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Leila p.o.v.

Langsam lief ich in die Richtung, in die auch Noah davongelaufen war. Weit kann er ja nicht gekommen sein. Mit dem Ziel vor Augen, endlich alles klarstellen zu können und Gewissheit zu haben, lief ich immer schneller.
Suchend blickte ich mich draußen um und fand schließlich eine Gestalt bei dem Platz, wo das Lagerfeuer gewesen war.

Ich ging weiter darauf zu und Noah's Umrisse wurden immer klarer.
Zusammengesunken saß er im Gras und starrte auf die verkohlten Rückstände des Feuers.
Langsam ließ ich mich neben ihn sinken und beobachtete ihn von der Seite.
"Was willst du?", fragte er mich, wendete seinen Blick aber nicht zu mir.

Ich verdrehte die Augen. War das irgend so eine Lieblingsfrage von den beiden Jungs? Jona hatte mich ja genau das selbe gefragt, im Auto beim Lagerfeuer.

Ich ignorierte diese Frage jetzt, die solch eine starke Erinnerung an diesen Moment hervorrief und versuchte mich auf Noah und unsere jetzige Situation zu konzentrieren.

"Gegenfrage. Ist dir aufgefallen, dass ich ein Mädchen bin?", meinte ich. Er runzelte die Stirn und schlang seine Arme um seine Beine, sodass er wie ein kleines Paket aussah. Gut, blöder Vergleich.

"Stell dir vor, das ist mir sogar schon aufgefallen, bevor du es erwähnt hattest.", erwiderte er und sein Blick streifte mich kurz, bevor er ihn wieder starr auf die Erde richtete.
"Und wieso küsst du mich dann, wenn dir das schon aufgefallen ist?", fragte ich. Er sah jetzt wirklich verwirrt aus.

"Worauf willst du hinaus?", stellte er die Gegenfrage. Mensch, Mensch, Mensch er stand heute aber auch auf dem wortwörtlichen Schlauch.
Ich verdrehte die Augen. Er drehte ganz langsam den Kopf wieder zu mir.
"Weißt du, normalerweise haben es Schwule nicht so mit Mädchen.", klärte ich ihn auf.
Mitten in seiner Kopf- dreh- Bewegung hielt er abrupt inne und starrte mich an.
"Wie, schwul?", fragte er weiter.
Also jetzt reichte es aber.

"Na, schwul. S-C-H-W-U-L.", buchstabierte ich laut. Er sah mich immer noch verwirrt an.
"Wer ist schwul?", fragte er wieder ungläubig.
"Mir reicht es jetzt. Klär das mit dir selbst."
Das schrie ich schon fast und er zuckte zusammen. Ich stand auf und ging weg. So viel zum Thema Gespräch. Ich nahm mir vor, erst wieder mit ihm zu sprechen, wenn er mich nicht mehr für dumm verkaufte.

Auf halben Weg über den Parkplatz hörte ich Schritte hinter mir und auf einmal packte mich jemand am Handgelenk.

Noah p.o.v.

Das war doch echt die Höhe. Ich musste erstmal realisieren, was ich da gerade gehört hatte. Ich meine hallo?

Ist immer ein Schock, wenn man etwas von anderen Leuten über sich zu hören bekommt, was man selbst noch nicht wusste.

Ich meine, ich hatte nichts gegen Schwule, einer meiner besten Kumpels war schwul und damit hatte ich auch kein Problem. Alle Leute verhalten sich da immer so, als wäre das eine Art ansteckende Krankheit, dass konnte ich überhaupt nicht leiden. Das war ja nichts,was man sich aussuchte.

Aber ich war nun wirklich nicht schwul und hatte auch nicht vor, es zu werden.

Ich lief also Leila nach und als ich sie erreichte, drehte ich sie zu mir herum. Als ich in ihre Augen sah, spürte ich wieder diesen stechenden Schmerz in meiner Brust, also fixierte ich einen Punkt leicht unterhalb ihrer Augen.
Auch meine Hand, die ihre umklammerte, war wie elektrisiert, doch ich konnte sie einfach nicht loslassen.

"Leila. Ich bin nicht schwul.", stellte ich leise klar. Sie starrte mich an.
"Du bist... nicht... schwul?", fragte sie ungläubig.
Ich schüttelte den Kopf.
"Nein. Ich kann es dir auch beweisen, wenn du mich lässt.", fügte ich hinzu und bereute es gleich wieder.

Leila p.o.v.

Ich schüttelte ihn ab und strich mit meinen Händen über mein Gesicht. Ich hielt an meiner Stirn an und flüsterte leise: "aber das bedeutet ja, das bedeutet...", und starrte wieder zu Noah.

Ich konnte meinen Gedankengang nicht vollenden, denn in diesem Moment fuhr das vertraute Auto von Jona vor. Er stieg aus und kam gleich auf uns zu. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich so weit weg gelaufen war und wo ich mich befand realisierte ich auch erst jetzt.

Mit einem fröhlichen Lächeln kam er auf uns zu. Sein Blick gefror jedoch als er uns so stehen sah. Eiskalt wanderten seine Augen von mir zu Noah und wieder zurück.
"Was ist hier los?", fragte er.
"Nichts.", log ich und drehte mich von Noah weg.

"Noah macht noch das Ausmisten des Stalls fertig und ich hole meine Schwimmsachen.", legte ich, mit belegter Stimme fest und machte mich schnell auf den Weg zum Haus. Ich konnte beiden nicht in die Augen sehen.

Jona p.o.v.

Ich kam mit großer Vorfreude auf dem Hof an und sah gleich Leila stehen. Anscheinend hatte sie mich schon erwartet.

Doch als ich näher kam war ich mir da nicht so sicher. Sie unterhielt sich schon wieder mit diesem Noah.
Anscheinend hatte ich gerade irgendein Gespräch unterbrochen, da stürmte sie schon davon und ließ mich perplex stehen.

Ich warf einen Blick zu Noah. Er starrte ihr hinterher und verfolgte ihre Schritte mit den Augen.
Ich boxte ihn leicht vor den Arm.
"Was soll das?", fragte er mich sauer. Seine Augen starrten feindselig in meine.
"Starrst du mal noch mal meiner Freundin hinterher passiert was.", drohte ich.

Meine Freundin. Dieses Wort hatte ich ewig nicht mehr benutzt. Es fühlte sich komisch an, dass jetzt so laut auszusprechen, doch ich merkte dass ich es ernst meinte.

Er stieß missbilligend die Luft aus.
"Deine Freundin? Für wie lange? Eine Nacht?", fragte er und kniff die Augen zusammen.
Ich trat einen Schritt auf ihn zu.
"Die Frage ist, was dich das alles angeht.", stellte ich klar und mein Kopf war nur noch Zentimeter von seinem entfernt. Feindselig starrten wir uns an.

Mir reichte es jetzt. Ich drehte mich weg und lief Leila hinterher.

Ich stellte mich vor der Haustür auf Position und wartete auf sie. Mit ihr müsste ich auch noch ein Wörtchen reden. Irgendetwas war da vorgefallen und ich wollte wissen, was es war. Wenn dieser Noah sie angefasst hatte, würde er das noch bitter bereuen.

Mein Leben ist (k)ein Ponyhof.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt