35. Kapitel- Mut

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Leila p.o.v.

Jona hatte in den letzten Tagen immer wieder versucht, mich anzurufen. Ich war nie dran gegangen. Ich versuchte jetzt mein Leben ohne ihn zu leben. Ohne die Schmetterlinge, die immer kamen, wenn ich ihn gesehen hatte, ohne Herzpochen, wenn er mir nahe war.

Ich tat alles um meine Gefühle zu vergessen und war eigentlich die ganze Zeit bei den Pferden. Ich hatte mich freiwillig gemeldet, mehr Reitstunden zu geben und war sehr lange draußen zum Ausreiten. Auch mit June hatte ich oft etwas unternommen und wir hatten das Thema 'Jungs' komplett verbannt. Unsere Freundschaft war nach dem kleinen, ich nenne es mal Vorfall, noch viel tiefer und fester geworden, als sie eh schon war und so hatte die Sache wenigstens ein Gutes.

Auch meine Schwester hatte versucht mich zu erreichen, doch wieso sollte ich mit einem Miststück, wie ihr noch reden.

Gerade war ich auf dem Weg zum Stall und zu Noah. Er hatte auch gleich erfahren, dass es zwischen Jona und mir aus war und ich glaube, er war ziemlich glücklich darüber. Doch er hatte bisher kein Wort in die Richtung verlauten lassen und so wurde unsere Beziehung langsam wieder so, wie sie war, bevor Jona in mein Leben platzte: unbeschwert und glücklich.

Doch die Leere, die ich fühlte, weil Jona den Platz in meinem Herzen verlassen hatte, konnte keiner ausfüllen.

Noah p.o.v.

Ich hatte schon seit einiger Zeit darauf gewartet, dass die Beziehung zwischen Leila und Jona bricht. Ich hätte nie gedacht, dass es so lange halten würde, doch ich hatte mal wieder recht gehabt, mit der Annahme, dass der Player eh irgendwann, irgendeinen Mist machen würde.

Und als ich mitbekam, dass Leila nicht mehr mit ihm redete, war das einer der glücklichsten Momente meines Lebens. Klar, ich war total verknallt in sie, doch wenn sie mich nicht wollte, wünschte ich ihr wenigstens einen netten Jungen, der sie glücklich machte. Sie hatte einfach besseres verdient.

Ich freute mich schon die ganze Zeit riesig auf unseren heutigen Ausritt zum See, wie in 'alten Zeiten'. Ich wusste genau, dass sie noch traurig war, hinter dieser Fassade, die sie langsam aufbaute, um nicht noch mehr verletzt zu werden, doch ich versuchte jeden Tag, sie glücklich zu machen und für sie da zu sein.

Heute hatte ich was Besonderes vor: ich wollte ihr etwas zeigen, auf das ich die ganzen Ferien schon hingearbeitet hatte. Ich schnappte mir mein Pferd Fleur und nahm Hexe, das Pony, mit an einen Strick und wartete dann, bis Leila auf Sky herausgeritten kam.

Fragend sah sie mich an.
"Wieso nimmst du Hexe mit?", kam auch prompt ihre Frage und ich lächelte in mich hinein.
"Überraschung.", antworte ich nur und ritt los.

Schweigend ritten wir nebeneinander her und kamen schlussendlich am See an.
"Mir ist heute eigentlich nicht nach schwimmen.", meinte Leila leise und ich runzelte die Stirn. Das hatte ich auch noch nicht erlebt. Ich zuckte mit den Schultern und wir banden die Pferde an. Hexe behielt ich bei mir und führte sie schnurstracks zum Wasser.

"Was machst du? Du weißt doch, sie geht eh nicht ins Wasser.", rief mir Leila skeptisch hinterher, doch ich lachte nur leise.

Langsam watete ich in das Wasser, doch Hexe blieb misstrauisch davor stehen. Ihre Ohren drehten sich in meine Richtung und sie starrte mich aus großen Augen an. Mist. Das hatten wir doch eigentlich geübt.
"Komm schon, vertrau mir!", rief ich ihr leise drängend zu und zog leicht am Führstrick. Tatsächlich machte sie einen vorsichtigen Schritt hinein und dann noch einen und noch einen, bis sie endlich ganz drinnen war.

Ich hörte ein begeistertes kreischen vom Ufer.
"Mensch super Noah! Du hast es tatsächlich geschafft, ihr die Angst zu nehmen!"
Glücklich lächelnd führte ich Hexe wieder aus dem Wasser und band sie mit zu den anderen. Die kleine Überraschung war also gelungen.

Ich lief auf Leila zu und sie schloss mich in ihre Arme. Tief sog ich ihren Duft ein und schwor mir ihn nie wieder zu vergessen.
"Gut dass wenigstens einer von uns die Geduld dafür hatte, mit ihr üben zu gehen.", flüsterte sie leise und ließ mich nicht los.

"Geduld, ja. Aber noch mehr Vertrauen. Vertrauen in mich selbst und Vertrauen in sie. Doch am meisten brauchte sie Mut.", erklärte ich ihr leise.
"Weißt du, du kannst alles machen, wenn du nur mutig genug dafür bist und ein Risiko eingehen willst.", redete ich weiter und sie löste sich leicht aus der Umarmung und starrte mir in die Augen. Ich wusste, sie verstand, dass ich schon lange nicht mehr nur über das Pony sprach.

Leila p.o.v.

Ich war mir nicht ganz sicher, die Bedeutung Noah's Worte verstanden zu haben. Eine gefühlte Ewigkeit starrte ich in seine Augen. In diese so wunderschönen, so lebendigen, eisblauen Augen.

Langsam löste ich mich von diesem Anblick und wollte mich wegdrehen, doch Noah hielt mich fest, sodass ich blieb, wo ich war.
"Noah, was...", fing ich an doch er lies nur ein leises "pssst", verlauten und legte mir seinen warmen Zeigefinger auf den Mund.

"Ich bin mutig genug, um ein Risiko einzugehen.", hauchte er, zog seinen Finger von meinem Mund und legte dafür seine weichen Lippen auf meine. Ein Schauder lief mir den Rücken hinunter.
Langsam schloss ich meine Augen, die vor Überraschung noch offen gewesen waren und ließ mich mitreißen, in diese Situation.

Ich erinnerte mich an unseren letzten Kuss, doch dieser hier war so anders. Dieses Mal brauchte ich kein schlechtes Gewissen zu haben, jemanden zu betrügen, und doch hatte ich es.
Ich merkte, dass der Kuss nicht die selben Gefühle in mir auslöste, wie die Küsse von Jona. Und doch genoss ich es. Aber irgendwie auf eine komplett andere Weise.

Ich merkte plötzlich, dass mein Körper einfach nur versuchte diese gellende Leere in meinem Herzen auszufüllen und ich spürte ein Verlangen. Nach Nähe, nach Liebe.

Ich rückte noch ein kleines Stück mehr an ihn heran und genoss die wohlige Wärme, die vorallem seine Lippen ausstrahlten.

Doch von einem Moment auf den Nächsten war diese wohlige Wärme weg, gewaltsam von mir entfernt.

Mein Leben ist (k)ein Ponyhof.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt