8. Kapitel- Neuer Kontakt

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Leila p.o.v.

Nach ein paar runden Trab und schlussendlich Galopp saß ich ab und drückte Junes Bruder die Zügel in die Hand. Er sah mich entsetzt an.
"Mach dir mal nicht ins Hemd. Ich will nur die Hindernisse einstellen gehen."
Ich achtete nicht auf seine Reaktion und machte mich an die Arbeit.

Ich stellte ein paar Sprünge hoch, lies aber auch welche etwas niedriger, June war nicht so gut wie ich. Ich will nicht vor euch angeben, aber ich ritt natürlich auch viele Jahre länger als sie.

Ich stiefelte zurück zu Jona und holte mir mein Pferd wieder ab.
"Und hast du es überlebt?", fragte ich, lies aber keine Antwort zu und stieg einfach auf.
Als ich wegritt rief er mir noch nach: "ein 'Danke' hätte auch gereicht!"

Blablabla.

Ich ignorierte ihn.

Ich ritt los, auf ein kleineres Kreuz zu.
"Kreuz!", rief ich, um June anzukündigen, dass ich dieses Hindernis anreiten würde. So machten wir das bei jedem Sprung, um uns nicht gegenseitig umzureiten.
Gegenseitige Rücksichtnahme ist auf meinem Hof großgeschrieben.

Nachdem ich einen Steilsprung gerissen hatte, stieg ich ab und baute ihn fix wieder auf.

Wir sprangen eine Weile, doch dann wollte ich mal einen Parcours reiten. Ich ritt zu Leila und sagte ihr Bescheid. Danach dachte ich mir eine Runde aus und ritt los.
~
Ich war heute ziemlich zufrieden mit Flame. Er hatte super angezogen vor den Sprüngen und wir hatten kaum etwas gerissen. Man merkt einfach er ist ein Springpferd durch und durch.

Der fuchsfarbene Flame war übrigens auch eines von 3 Pferden, die ich mein Eigen nennen durfte. Ich hatte eben ein Dresurpferd, ein Springpferd und eins für die Vielseitigkeit.

Hört sich verwöhnt an, ich weiß, aber ich wollte den Hof meiner Eltern auch in Zukunft übernehmen. Ich hatte zwar noch eine große Schwester und einen kleinen Bruder, aber die hatten komischerweise andere Sachen im Kopf als Pferde. Meine Schwester übernachtete gerade für einige Wochen bei Freunden und sie gingen sicherlich jeden Tag feiern, auf irgendwelche Partys und mein kleiner Bruder besuchte ein Feriencamp. Ließen mich also schön wieder alles alleine regeln hier auf dem Hof.

Kann ich gar nicht verstehen. Wenn man schon mal diese Möglichkeit hat, um die einen so viele beneiden würden, kann man sie ja wohl nutzen oder? So sehe ich das jedenfalls.

Meiner Schwester gehörte mal Coffee, der Braune mit dem Milchmaul, aber sie verlor die Lust am Reiten und am Hof überhaupt und so schenkten wir ihn meinem Bruder, der ihn auch kaum ritt. Also arbeitet er heute die meiste Zeit als Schulpferd.

Wir machten Schluss, spritzten die Pferde wieder ab und brachten sie weg.
"So June. Wir müssen los, mom und dad warten schon, sie wollen irgend so einen bescheuerten Ausflug mit uns machen.", meinte Jona.
June stöhnte auf und lief rein, um ihre Sachen zu holen. Die beiden hatten aber auch wirklich nervige Eltern.

Und schon war ich mit ihrem Bruder allein. Peinliches Schweigen mal wieder vorprogrammiert.
"Hast du es heute mal ohne zu qualmen ausgehalten?" Man Hirn, kannst du dich bitte wieder mal anschalten? Ich bräuchte deine Hilfe.
Ich laberte natürlich wieder kompletten Müll. Wie immer irgendwie.

Er grinste trotzdem. Glück gehabt.
"Ja klar. Bin ja kein Kettenraucher.", antwortete er.
Das sagen sie alle. Aber gut. Vielleicht stimmte es wirklich.

Wieder peinliche Stille.
Dann: "sah wirklich gut aus, wie ihr geritten seid vorhin. Du traust dir ganz schön was."
Erschrocken zuckte ich zusammen, ich war total in Gedanken gewesen und warf einen Blick zu Jona.
Anscheinend meinte er das wirklich ernst.

"Wow. Ein Kompliment von dir? Womit habe ich das verdient?", meinte ich trocken.
"Ich meine es wie ich es sage. Und komm schon: so schlimm bin ich doch gar nicht.", sagte er mit einem Schmunzeln.

Naja.

"Hast recht. Tut mir leid.", sage ich leise und drehte mich zu ihm.
"Wow. Eine Entschuldigung von dir? Womit habe ich das verdient?", äffte er mich nach.
Ich boxte ihm an den Arm und machte dann ihn genauso nach, wie er mich zuvor:
"so schlimm bin ich doch gar nicht."

Er sah mir in die Augen.
"Nein. Bist du nicht."
Mir wurde ganz warm. Was war denn jetzt los?

"Hast du ein Handy?", fragte er und wandte seinen Blick ab.
Ich glaube es gibt kaum einen Teenager hier, der keins hat. Ich nickte.
"Gib mal her."
Misstrauisch sah ich zu ihm rüber, rückte mein Handy aber dann doch ohne Wiederrede heraus.
Fragt mich nicht wieso, mein Handy war mir eigentlich heilig.

Nach kurzer Zeit hatte ich es wieder und auf dem Display sah ich einen neuen Kontakt eingespeichert.
Ich lächelte ihn an und wurde rot.

Als ich zu einem neuen Gesprächsversuch ansetzte wurde der Moment jäh unterbrochen, als June mit ihrer Tasche ankam.
"Fertig?", fragte Jona sie und June umarmte mich.

Ich war froh, dass sie die Röte in meinem Gesicht nicht bemerkte.
"Jetzt schon.
Ich hoffe ich seh dich bald wieder, wenn meine Eltern mich lassen.", sagte sie und verdrehte die Augen.
"Alles gut. Versuche einfach, das beste draus zu machen. Hab dich lieb, wir sehen uns.", riet ich ihr.
Und schon liefen sie los, zum Auto.

Jona drehte sich auf dem Weg noch einmal um und lief rückwärts. Was wollte er denn jetzt?

Er fummelte schnell sein Handy aus der Tasche und zeigte darauf. Kurz überlegte ich, verstand dann aber doch, was er meinte, lächelte und nickte.
Ich wäre ja auch ein Idiot, wenn ich ihm nicht schreiben würde.

Noah p.o.v.

Ich beobachtete den Bruder von June vom Fenster aus. Er unterhielt sich mit Leila.
Ich spürte einen Stich. Der Typ war mir ja gleich unsympathisch.

Jetzt tippte er etwas in ihr Handy. Garantiert seine Nummer. Tolle Masche.

Ich bemerkte, wie ich total wütend wurde und lief die Treppe runter. Ich kam gerade bei Leila an, als June und der Typ wegfuhren.
"Schade, du hast June verpasst zu verabschieden.", bemerkte Leila, "sie hätte dich sicher gerne noch einmal gesehen."

Ich ignorierte den Satz und fuhr sie an: "gib mir dein Handy."
Erschrocken sah sie mich an.
"Ich denk' gar nicht dran."

Störrisches, kleines Biest.

"Du bist so stur manchmal. Das nervt so.", herrschte ich sie an.
Ihre Augen weiteten sich und ich bemerkte, was ich gerade gesagt hatte.
Emotionslos drehte sie sich weg und wollte gehen.

Ich bin so ein Trottel manchmal.
Ein Mädchen herrscht man nicht so an.
Im inneren gab ich mir selbst eine Ohrfeige.

Ich packte sie am Handgelenk und hielt sie so abrupt auf.
"Tut mir leid. Ich weiß auch nicht, warum ich das gesagt habe, aber ich hab' einfach Angst, dass er dich verletzt."

Sie sah mich wieder an und lachte dann.
"Ach Noah. Wie soll er mich denn verletzen, wir sind doch nur Freunde. Wenn überhaupt."
Sie wurde leicht rot und richtete ihren Blick starr auf den, ach so interessanten Erdboden.

Ich schüttelte leicht den Kopf.
"Glaube mir. Ich kann verstehen, dass du auf mich aufpassen willst. Ich bin einfach wie eine kleine Schwester für dich. Schwamm drüber. Vergeben und vergessen.", erklärte sie kurz darauf und sah mir wieder in meine Augen.

Wie eine kleine Schwester. Jaa. Genau. Und nichts anderes. Das sagte mir auch mein Kopf.
Doch im Inneren war ich entzwei gerissen.

Sie drehte sich rum und lies mich verwirrt stehen.

Mein Leben ist (k)ein Ponyhof.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt