36. Kapitel- Drei Herzen

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Leila p.o.v.

Ich öffnete schnell meine Augen und blickte auf Noah hinunter, der auf der Erde lag. Über ihm hockte Jona, der gerade mit seinem Arm ausholte, um anscheinend Noah zu schlagen.

Ich reagierte blitzschnell und hielt den Arm einfach fest.
"Jona! Was machst du hier?", schrie ich die Frage heraus und hatte ganz schön zu tun, gegen seine Kraft anzukommen. Völlig in Rage versuchte er daraufhin mit dem anderen Arm auf Noah einzuprügeln, doch schaffte zum Glück nur müde Schläge, die Noah abwehren konnte.
Dieser war jetzt auch endlich aus seiner Starre erwacht und beförderte Jona nun mit einem Ruck auf den Boden.

Ich konnte es kaum glauben, als ich zur Seite gestoßen wurde und nun Noah anfing mit fliegenden Fäusten auf Jona einzuprügeln.
"Hört auf!", rief ich, doch keiner von beiden hörte auf mich. Wild rollten sie auf dem Boden herum und versuchten gleichzeitig zu schlagen und die Schläge des jeweils Anderen abzuwehren.

"Bitte.", wisperte ich und wurde panisch. Was sollte ich tun, wenn einer der beiden einen wirklich harten Schlag abbekamen?

Ich trat einige Schritte an den, sich auf dem Boden wälzenden Haufen heran und versuchte einen von beiden zu packen. Ich bekam tatsächlich irgendetwas zu fassen und hielt mich krampfhaft daran fest.
Es stellte sich als Noah's Arm heraus, den er sogleich schüttelnd versuchte wieder frei zubekommen.

"Das reicht jetzt!", schrie ich wütend und endlich hörten die beiden auf und starrten mich an, als hätten sie gerade erst bemerkt, dass ich da bin. Kopfschüttelnd versuchte ich Noah wegzuziehen, der meinen Arm abschüttelte und von selbst aufstand.

Jona lag immer noch keuchend auf der Erde und ich beugte mich besorgt über ihn und strich ihm seine Haare aus dem Gesicht. Er hatte viele rote Stellen im Gesicht und langsam kamen schon ein paar blaue Flecke hervor, doch sonst schien ihm nichts zu fehlen. "Alles in Ordnung?", flüsterte ich ihm trotzdem leise zu. Er nickte langsam und rappelte sich hoch.

Meiner Meinung nach war hier allerdings nichts 'in Ordnung'.
"Was zur Hölle sollte das denn gerade?", fragte ich und blickte drohend von einem zum anderen.
Keiner beachtete mich, beide warfen sich einfach weiterhin feindselige Blicke zu. Ich konnte die Spannung förmlich greifen, die zwischen ihnen schwebte.

"Ich sagte dir: Fass meine Freundin an und du bist tot.", meinte Jona leise, ballte seine Fäuste und machte wieder einen Schritt auf Noah zu. Dieser blieb einfach stehen und blickte ihn müde an. Auch er schien ein paar blaue Flecke zu bekommen, er blutete aus der Nase und aus einer kleinen Stelle über seiner Augenbraue.

"Sie ist nicht deine Freundin.", stellte er fest und strich mit der Hand das Blut weg, welches schon anfing, auf sein Shirt zu Tropfen.

Konnten die mal aufhören über mich zu reden, als wäre ich gar nicht da?
"Hallo? Ich stehe hier neben euch und ich glaube, ich habe da ein Wörtchen mitzureden.", kommentierte ich trocken und schon klebten zwei Augenpaare auf mir.

"Leila.", stieß Jona aus und trat so weit auf mich zu, bis er kurz vor mir stand.
"Können wir nicht Alles vergessen und von vorne anfangen?
Ich liebe dich. Und nur dich.", sagte er leise und griff nach meiner Hand.

Ich war total baff. Er hatte diese drei Worte zum ersten Mal so gesagt, dass es aus tiefstem Herzen kam. Nicht aus Spaß oder aus der Situation heraus. Nein, es klang so als würde er es auch so meinen. Wow.

Ich hob den Blick und sah in die Augen, in die ich mich verliebt hatte, doch auch in die Augen, die mich, zum ersten Mal in meinem Leben, total verletzt und verunsichert hatten. Da war mir alles klar.

"Vielleicht kann mein Kopf vergessen, doch mein Herz kann es nicht.", murmelte ich leise und entzog mich seines Blickes und seinen Händen.

Wäre die Situation nicht so komisch und Ernst, hätte ich mir jetzt wahrscheinlich innerlich auf die Schulter geklopft. Manchmal war ich so poetisch.

Jona atmete tief aus und schloss für einen kurzen Moment die Augen. Dann drehte er sich um und ging langsam zu dem Weg, der zurück führte. Warum er gerade jetzt hier herkommen musste, war mir eh ein Rätsel.

Ich sah ihm nach, wie er verschwand und drehte mich dann zu Noah um. Er stand einfach da und wischte sich immer wieder über das Gesicht. Die Blutung hatte inzwischen aufgehört, so schlimm konnte es also nicht gewesen sein, doch was mir auffiel und auch ein wenig Angst einjagte, waren seine Augen, die mich anscheinend die ganze Zeit beobachtet hatten. Sie waren viel dunkler als sonst und hatten wieder ihren Glanz verloren.

"Ich bin ziemlich enttäuscht von dir.", stellte ich fest. "Ich dachte immer du bist vernünftig."
Ich wollte mich gerade zum Gehen wenden, mir war das alles hier zu krass, ich wusste einfach nicht was ich fühlen sollte, da hörte ich hinter mir ein leises Lachen. Kein ernst gemeintes, fröhliches, sondern ein kaltes, falsches Lachen. So eines, was einem Gänsehaut auf den Rücken zauberte.

"Belüge dich ruhig selbst weiter.", fing er an zu reden, als ich mich wieder zu ihm gedreht hatte. Ich starrte ihn fragend an und wartete darauf, dass er weiter sprach.

"Du liebst mich nicht und hast es auch noch nie.", schloss er und diese Worte trafen mich. Ganz tief in meinem Inneren, wusste ich, dass er recht hatte und an einem aufblitzen seiner Augen erkannte ich, dass auch er an meiner Körpersprache bemerkt hatte, was in mir vorging.

Noah war schon immer jemand gewesen, der Menschen und auch Tiere von Grund auf verstand. Er war einer der einfühlsamsten Menschen, die ich kannte und ich war schon immer ein relativ offenes Buch für ihn gewesen.

"Ich will kein Lückenfüller sein. Ich will, dass du glücklich bist.", erklärte er leise und traf es wieder auf den Punkt. Doch hatte ich ihn wirklich nur geküsst, weil ich gerade Jona nicht hatte, oder waren da andere Gefühle, die ich vielleicht einfach noch nicht begriff?

Ich sah ihm in die Augen und sah darin meinen Schmerz. "Wir können ja Freunde bleiben.", sagte ich und gab mir im Inneren selbst dafür eine Ohrfeige. Das ist der, meiner Meinung nach, schlimmste Satz, den ich jetzt hätte sagen können.

Traurig sah Noah mich an und sein Mund lächelte dabei eins seiner falschen Lächeln.
"Gerne.", meinte er leise, drehte sich um, lief zu den Pferden und ließ mich zum Schluss einfach dort stehen.

Ob wir je wieder Freunde, geschweige denn so gute, sein würden, oder ob wir je zusammenkommen könnten, wie er sich das mit ganzem Herzen wünschte, wusste ich nicht.

Und ob ich je wieder mit Jona zusammen sein würde, konnte ich auch nicht sagen. In dem Moment stand ich einfach nur neben meinem Pferd und war dankbar, dass sich wenigstens die Beziehung zu den Tieren nie ändern würde.

Doch ich wusste auch, dass mit dem heutigen Tage nicht nur in mir etwas zerbrochen war, sondern gleich drei Herzen Qualen litten, die sie fast nicht ertrugen.

Mein Leben ist (k)ein Ponyhof.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt