25. Kapitel- Dumme Sache

197 25 3
                                    

Leila p.o.v.

Am nächsten Morgen erwachte ich mit den ersten warmen Sonnenstrahlen. Ich hatte mir für heute vorgenommen, mal wieder auszumisten. War wieder einmal dringend notwendig.
Noah hatte sich schon bereit erklärt, mir zu helfen. Fand ich wirklich nett von ihm.

Also trafen wir, bewaffnet mit Schubkarre, Besen und Mistgabeln, im Stall aufeinander. Schweigend fingen wir an zu arbeiten und kamen gut voran. Bei dem Tempo würden wir schnell fertig sein, hoffentlich bevor Jona in einiger Zeit hier auftreffen würde.

Ich war total in Gedanken an den Nachmittag, wobei sofort mein Herz anfing, zu hüpfen. Dummes Ding.

Er würde herkommen und wir würden zum See fahren.
Ja ihr habt richtig gehört. Fahren. Mit den Fahrrädern.
Ich musste ihm nämlich versprechen, dass ich ihn, für den heutigen Tag mit Pferden in Ruhe lassen würde.
Bei diesem Vorschlag hatte ich herzlichst gelacht, aber zum Schluss doch eingewilligt. Er hatte diese Ausstrahlung, die mich irgendwie alles tun ließ, was er sich wünschte.

Noah p.o.v.

Ich schnappte mir eine Mistgabel voll mit frischem Stroh und schlich leise in die Box, in der Leila gerade frisch einstreute. Gedankenverloren verteilte sie neues Stroh in der Box. Sie war total in ihrer eigenen Welt.
Das war gut für mich.

Kurz beobachtete ich sie und holte dann weit aus und kippte ihr, mit Schwung, die volle Strohgabel über den Kopf. Erschrocken schrie sie auf und drehte sich zu mir herum, dabei stoben Strohstückchen in alle Richtungen davon.

Ich bekam einen Lachanfall. Ihr könnt euch nicht vorstellen wie lustig sie aussah. Als wäre sie, mit dem Kopf voran in einen Strohhaufen gefallen und lange nicht mehr herausgekommen.

Sie schüttelte sich und verteilte so nur noch weiter das Stroh in ihren Haaren und auf ihren Klamotten. Sie sah mich dann an. Langsam bückte sie sich und krallte sich auch eine Handvoll vom Boden.
"Das bekommst du zurück.", drohte sie mir und schon hatte auch ich eine Fuhre Stroh im Gesicht.
Lachend warf ich mich auf sie und wir kugelten durch die Box.

Zum Glück war schon alles 'nicht mehr so schöne', weswegen wir die Boxen überhaupt misteten, beseitigt.

Irgendwann hielt Leila inne und hielt sich den Bauch.
"Ich kann nicht mehr.", jammerte sie und ich ließ sie aufstehen. Auch mir tat der Bauch schon, vom vielen lachen weh. Ich sah ihr in die Augen, in denen sich schon Lachtränen angesammelt hatten und schüttelte mich. Auch sie begann sich einzelne Halme von ihren Sachen zu wischen.

Bei ihren Haaren half ich dann mit und sammelte alles raus. Nach dem letzten Stückchen sah sie mir in die Augen. Ich schnipste es weg und strich dann langsam über ihre Wange. Sie bewegte sich kein Stück und starrte mich immer noch an.

Ich hatte das Gefühl, dass sich in ihren Augen grüne Wirbel bildeten. Sicherlich Einbildung doch sie zogen mich in ihren Bann und immer tiefer hinein. Ganz langsam, Stück für Stück näherte ich mich ihr. Es kam mir vor wie in Zeitlupe. Ihr Atem kitzelte schon meine Lippen und ich schloss die Augen.

Nun sah ich nichts mehr und mein Gehörsinn war auch wie abgeschaltet. Dafür knipsten sich die anderen Sinne, wie magisch an und ich fühlte und schmeckte dann sehr klar ihre Lippen auf meinen.

Auf diesen Moment hatte ich schon ewig gewartet, ich hatte ihn mir schon Millionen mal, in unterschiedlichen Situationen und Tageszeiten ausgemalt, doch immer mit derselben Person.
Mein Vorstellungsvermögen war in keinster weise auch nur ein klitzekleines bisschen an die Szene herangekommen, die ich gerade erlebte.
Es fühlte sich so unreal an, und war doch so real.

Auf einmal stieß sie mich von sich weg und mit einem imaginären Plopp zerplatzte meine Gefühls-Seifenblase und verschwand in einem tiefen, schwarzen Abgrund, der sich neu in meinem Inneren aufgetan hatte.

Dann gab es noch einen Klatsch und dieses Mal war der nicht imaginär.
Ich spürte einen stechenden Schmerz in meiner linken Wange, doch gleichzeitig fühlte ich, dass dieser Schmerz nichts war zu dem, der sich langsam aber eiskalt in meinem Inneren ausbreitete.

Leila p.o.v.

Auf Noahs Wange zeichnete sich ein Handabdruck ab. Ich hatte ihn gerade wirklich geschlagen. Ich konnte es noch gar nicht fassen. Und das war nicht einmal das schlimmste, was ich heute getan hatte.

Zitternd sank ich vor Noah's Füßen auf der Erde zusammen. Eigentlich war ich eher der Typ, der auf alles mit wegrennen reagierte, was ihr ja sicher schon bemerkt habt, doch dafür fehlte mir einfach die Kraft. Selbst zum stehen hatten meine Beine keine Lust mehr, es war, als wäre alle meine Energie mit dem Kuss herausgesogen worden.
Also ließ ich mich einfach von der Erdanziehung auf den Boden befördern. Physik lässt grüßen.

Mein Inneres war so leer. Ich fühlte gar nichts. Vor einem kurzen Moment war ich noch voller Glück gewesen und im nächsten Moment war alles hinüber. Auch meine Gedanken waren wie eingefroren. Ich starrte nur Noah an, der sich überhaupt nicht vom Platz bewegte und genauso eingefroren schien.

Plötzlich stieg in meinem Kopf ein Satz hoch, der sich wie ein Mantra wiederholte.
'Ich habe gerade meinen schwulen besten Freund geküsst.'

Noah kam langsam wieder in Bewegung, während mein Kopf immer wieder diesen Satz wiederholte. Immer und immer wieder. Er strömte, wie eine Welle durch meinen Körper.

Mein 'schwuler bester Freund' hockte sich vor mich hin und ich konnte wieder in seine Augen blicken. Was ich darin sah, jagte mir Angst ein.

Seine, sonst so strahlend eisblaue Augen, in denen sich die Welt normalerweise spiegelte, waren förmlich ausgeblichen und nahezu durchscheinend geworden. Vielleicht bildete ich mir das auch ein, doch dieser Anblick jagte mir Schauder über den Rücken. Ich hatte das Gefühl, er würde in mein Innerstes blicken können und würde dort etwas finden, was ihm nicht gefiel.

"Leila...", flüsterte er.
Aus seinem Mund kamen tatsächlich Worte. Ich starrte ihn an.

Er streckte die Hand aus und strich wieder über meine Wange. Endlich erwachte ich aus meinem Schockzustand und schlug sie weg. Bei der Berührung zuckte er zusammen, als hätte er sich verbrannt.

"Geh.", stieß ich hervor und wandte meinen Blick ab. Er tat nichts.
"Geh!", schrie ich ihn an. Er setzte sich in Bewegung und stolperte aus dem Stall.

Erneut, innerhalb weniger Tage, fragte ich still, was eigentlich in mich gefahren war. Langsam war diese Frage Gewohnheit bei mir. Ich hoffte das würde nicht so bleiben, öfter würde ich es echt nicht mehr aushalten.

Vorsichtig stand ich auf und ein Besen half mir dabei, indem er mich, netterweise, auf sich abstützen ließ.
Wenigstens einer, auf den man sich verlassen konnte.

Als ich wieder stand, hatte sich in meinem Kopf ein Entschluss gebildet. Ich musste das klarstellen. Anders ging es einfach nicht.

Und schon trugen mich meine Füße zu einem der wohl unangenehmsten Gespräche, die ich je in meinem Leben führen musste.

Mein Leben ist (k)ein Ponyhof.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt