22. Kapitel- Was willst du?

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Leila p.o.v.

Ich lief, so schnell ich konnte zu dem Auto. Darauf hatte ich schon den ganzen Abend sehnlichst gewartet.
Als ich schließlich ankam, war der Motor ausgestellt und drinnen war es stockfinster.
Wüsste ich nicht, dass sich jemand in dem Auto befand, hätte ich gedacht es wäre menschenleer.

So lief ich also um die Motorhaube herum und öffnete die Beifahrertür.
Gleichzeitig ging das Licht im inneren des Wagens an.
Ich setzte mich, mit zitternden Händen auf den Beifahrersitz und lies die Tür einen Spalt offen.

Von der Seite starrten mich zwei dunkelbraune Augen feindselig an. Ich schreckte ein wenig zurück.
"Was willst du?", fragte Jona mich schroff mit seiner tiefen Stimme und musterte dabei das Lenkrad.
"Ich will mit dir reden.", sagte ich mit Nachdruck und sah ihm ins Gesicht.
"Hast du ja jetzt. Kannst also wieder verschwinden. Da ist die Tür.", sagte Jona unfreundlich und kurz angebunden und zeigte dann auf meine Beifahrertür. Aber so leicht lies ich mich nicht abwimmeln.

Ich wollte gerade wieder zum Reden ansetzen, da schnitt er mir das Wort ab.
"Leila. Ich will einfach nur June hier abholen. Du musst mir nichts erklären, du hast mir eindeutig zu verstehen gegeben, dass du nichts von mir willst."
Seine Hände umgriffen das Lenkrad und er hielt sich nahezu krampfhaft daran fest.
Er starrte links neben sich aus der Scheibe, zum Lagerfeuer, welches in einiger Entfernung golden glühte.
In der Scheibe spiegelte sich sein Gesicht wieder, so emotionslos, dass ich wieder davor zurückschrecken musste.

Ich strich mit meiner Hand leicht an seinem Arm entlang, doch er schüttelte mich ab.
Da lachte ich kurz verbittert auf. Schien so, als hätte ich es wirklich verbockt.
Sein Kopf fuhr herum und er starrte mich verwirrt an.

"Was willst du?", wiederholte er seine Frage vom Anfang, sah mir aber dieses Mal dabei in die Augen.

Ich überlegte kurz. Was wollte ich eigentlich?
Die Antwort war im Grunde ganz einfach.

"Dich.", sagte ich mit Nachdruck und beugte mich zu ihm.

Da ich nicht angeschnallt war, war es ein leichtes, die wenigen Zentimeter, die uns trennten, zu überwinden und schließlich trafen meine Lippen auf seine. In meinem Bauch explodierte ein Feuerwerk und mein Herz begann zu hüpfen, wie nach einem 800 Meter- Lauf.
Kurz erwiderte er meinen Kuss drehte dann aber den Kopf zur Seite und starrte wieder aus dem Fenster.

Er seufzte auf.
"Ich bin verwirrt. Ich weiß einfach nicht was ich denken soll. Gestern wolltest du DAS HIER noch nicht und heute...
Was war das gestern eigentlich?", fragte er die Autoscheibe.
Also, natürlich redete er mit mir, doch er sah mich dabei nicht an. Es brach mir fast das Herz.

"Glaub mir, ich weiß selbst nicht, was das gestern war. Panik? Angst? Keine Ahnung.
Ich habe mir auch schon den ganzen Tag den Kopf darüber zerbrochen.", flüsterte ich ihm zu und endlich fanden meine Augen seine.

"Es tut mir leid. Es ging auf einmal alles so schnell und dann hab ich nur noch rot gesehen. Ich konnte einfach nicht mehr klar denken.", redete ich weiter und beobachtete ihn.
Er nickte kurz und lies das Lenkrad los, dann strich er gedankenverloren mit seiner freigewordenen Hand über meine Wange.

"Ich hatte solche Angst, ich hätte dich gleich wieder verloren.", flüsterte er nun.

"Ich aber auch.", stieß ich hervor. Er lächelte betrübt ein klein wenig und beugte sich weiter zu mir.
Und schon spürte ich wieder seine Lippen. Dieses Mal konnte ich den Kuss richtig fühlen.
Er hatte leicht spröde Lippen und diese kleinen Rillen kitzelten beim küssen. Doch das war mir total egal. Ich wollte einfach nur seine Wärme spüren, seinen Duft riechen, bei ihm sein.
Ich nahm den Moment in mich auf und versprach mir selbst, dass ich ihn niemals vergessen würde.

Nachdem wir uns voneinander gelöst hatten, murmelte ich ein kurzes "ich hole June",  und verschwand schnellen Schrittes auf dem Weg zum Lagerfeuer.

Noah p.o.v.

Ich stand im Schatten, in der Nähe des Autos. Nur der Schein des Lichts, erleuchtete leicht mein Gesicht.
Was ich da im Auto sah, gefiel mir überhaupt nicht. Ganz und gar nicht.

Leila und ein Anderer. Vertieft in einen Kuss.
Ich konnte nicht genau sehen, wer es war, doch ich konnte es mir denken.

Meine Hände ballten sich, wie von selbst in meinen Hosentaschen und ich wurde richtig wütend.
ICH sollte derjenige sein, der jetzt ihre weichen Lippen auf meinen spürte.
ICH sollte an seiner Stelle sein.
ICH sollte ihre Nähe spüren.
Nicht er.

Doch anstatt dort zu sein, drehte ich mich auf dem Absatz um und lief zu den anderen, zum Lagerfeuer.

Leila p.o.v.

Als ich am Feuer ankam, bemerkte ich, dass June sich immer noch mit dem Typen von vorhin unterhielt. Wie hieß er noch gleich? Ach ja, Finn.

Ich stellte mich vor die beiden und räusperte mich.
"Sorry, dass ich euch unterbreche, aber Jona wartet auf dich.", meinte ich mit Nachdruck.
Erschrocken sah Finn zu June.
"Wie? Du hast einen Freund?", fragte er verstört.

Sie lachte auf und gab ihm einen leichten Klaps auf den Arm.
"Quatsch. Jona ist mein älterer Bruder.", erklärte sie ihm lachend und sein Gesicht hellte sich sofort wieder auf.

"Schade, dass du schon los musst.", meinte er zu ihr und umarmte sie.
"Ich weiß. Aber ich habe ja deine Nummer." Sie wedelte mit ihrem Handy und stand auf.
"Tschüss.", sagte sie, dieses Mal lauter, dass alle sie hörten und lief mit mir zum Auto.

"Man June, der steht auf dich.", stellte ich klar und sie sah mich mit großen Augen an.
"Meinst du?", fragte sie.
Ich nickte und umarmte sie. Ich konnte an ihrem Gesicht sehen, wie glücklich sie war.
Sicherlich sah ich, wenn ich mich selbst anschauen könnte, genauso glücklich aus.

Sie stieg, ohne weitere Worte zu Jona ins Auto und sie fuhren weg. In mir kribbelte es.
Das war heute mein erster Kuss gewesen, und was soll ich sagen, es war der Wahnsinn. Ich meine, ER war der Wahnsinn. Ich war so froh, dass er mir verzieh. Nicht auszudenken, was ich sonst getan hätte.

Mit diesem Gefühl, der puren Freude und Glückes, lief ich zurück zu den anderen, zum Lagerfeuer.

Mein Leben ist (k)ein Ponyhof.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt