Ich hatte mein Zeitgefühl komplett verloren. Ich wusste nicht mehr wie lange ich schon in Gefangenschaft lebte. Ich wusste nur, dass ich Recht hatte. Er hatte es geschaffen. Theo hatte mich gebrochen. Ich hatte Angst vor der Dunkelheit. Ich sprach nicht mehr, nicht mal mehr mir Zoe. Ich ließ alles über mich ergehen. Ich hatte einfach aufgegeben. Mein Kind wuchs und wuchs in meinem Bauch. Theo ließ es leben, aber irgendetwas hatte er mit dem Kind noch vor und es war sicher nichts Gutes. Darauf dass Flynn mich noch retten würde, vertraute ich nicht mehr. Meine Hoffnung war noch immer vorhanden, aber nicht mehr so optimistisch wie vorher. Zoe versuchte für uns beide stark zu sein, aber auch ihr verging der Mut immer mehr. Ich hatte ihr mit meiner Ankunft etwas Hoffnung gegeben, aber diese verblasste mit jedem Tag der Folter immer mehr.
Jede Minute, die ich in Dunkelheit und Schweigen verbrachte, flehte ich darum, dass Flynn mich finden und retten würde. Denn aus eigener Kraft sah ich keine Möglichkeit mehr mich aus meiner persönlichen Hölle zu befreien.
Meine Zellentür wurde aufgeschoben und ein wenig Licht drang in meine Zelle. Es musste Tag sein. Ängstlich verkroch ich mich in die hinterste Ecke. Auch wenn es hier noch mehr Dunkelheit gab, die Person, die das Licht mit sich brachte war schlimmer als die Dunkelheit.
„Na mein Engel. Wie geht es dir heute?", fragte Theo mich höhnisch. Ich rückte nur weiter von ihm weg, wenn das überhaupt möglich war.
„Bist wohl wieder nicht zum Reden aufgelegt. Aber das ist nicht schlimm. Ich kann auch ganz andere Dinge mit dir machen, da musst du nicht reden", ein diabolisches Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus.
Wieder reagierte ich nicht auf ihn. Dieses Mal rückte ich aber auch nicht weiter von ihm weg, denn es gab ja sowieso kein Entkommen.
„Ach Engel, so macht das ja gar keinen Spaß mehr mit dir. Aber auf der anderen Seite zeigst du mir was ich für eine ausgezeichnete Arbeit geleistet habe. Weißt du manchmal erinnerst du mich an sie. Mein Herz, mein ein und alles. Erina. Sie war die schönste und klügste und sie war meins. Nur mir. Ich hätte alles für sie getan", verträumt sah Theo in die Luft, aber schnell verhärteten sich seine vorher fast sanften Gesichtszüge wieder.
„Aber dann musste dein widerliches Rudel kommen! Sie haben sie mir weggenommen. Einfach getötet und dann ihren toten Körper im Wald liegen lassen. Weggeworfen als wäre sie bloß Dreck!", fing er an zu brüllen, „Und das werde ich ihnen heimzahlen! Ich warte nur drauf. Du bist erst der Anfang. Ich werde jede einzelne Frau aus deinem Rudel töten. Eure Männer sollen wissen wie sich mein Schmerz anfühlt. Und sie sollen wissen was es bedeutet sich mit mir anzulegen!"
Wütend sprang Theo auf und verschwand aus meiner Zelle. Mit einem lauten Knall viel die Tür wieder ins Schloss. Erschrocken zuckte ich zusammen.
Es kam öfters vor, dass er mich mit seiner toten Gefährtin verglich. Es machte ihn jedes Mal wütend, wenn er von ihrem Tot sprach. Aber normalerweise verschonte er mich nach diesen Erzählungen nicht. Meistens waren die Folterungen nach solchen Erzählstunden noch schlimmer als die sonstigen. Er hielt mich dann länger bei Bewusstsein, damit ich auch wirklich jede Einzelheit der Torturen mitbekam. Diese Foltereinheiten konnten sich je nach Ausmaß der Wut über mehrere Stunden hin ziehen.
Plötzlich hörte ich einen lauten Knall. Noch mehr Geräusche drangen an meine Ohren. Es fing mit Knurren an. Danach hörte ich mehrere Menschen schreien. Fußgetrappel und dann war plötzlich alles ganz still.
„Was war das?", wollte Zoe neben mir mit gebrochener Stimme wissen. Ich zuckte nur mit den Schultern, obwohl ich mir nicht sicher war, das sie mich überhaupt sehen konnte, verstand sie mich wohl.
Mit einem heftigen Schlag wurde meine Zellentür aus der Verankerung gerissen.
„Flynn wir haben sie!", brüllte der Mann, der eben meine Tür zerstört hatte. Langsam kam er auf mich zu, aber ich rutschte nur von ihm weg. Tränen liefen über meine Wangen. Welche Art von Folter würde jetzt kommen?!
„Fasst sie nicht an!", rief Zoe aus der Nachbarzelle, „Sie wird es nicht ertragen!"
Der Mann verließ meine Zelle und kam kurz danach mit Zoe wieder.
„Maya!" Verschreckt sah ich sie an.
„Sie heißt eigentlich Lia", nuschelte der Mann neben ihr.
„Hey, ich bin es Zoe. Komm her. Wir gehen jetzt hier raus."
Ganz sanft half sie mir hoch. Zitternd klammerte ich mich an sie. Eine Hand immer noch schützend über meinem mittlerweile beträchtlichen Bauch. Nach, ich wusste nicht wie langer Zeit, trat ich wieder an die Erdoberfläche. Das Licht blendete mich. Ganz plötzlich wurde ich aus Zoes Armen gerissen. Fest schlangen sich zwei muskuläre Arme um mich. Panisch schlug ich um mich und versuchte mich aus dem festen Griff zu befreien.
„Lia, was ist denn los?!", fragte die Person mich entsetzt und ließ mich los. Panisch krabbelte ich auf dem Boden von ihm weg. Erst als ich an meinem Rücken eine Mauer spürte blieb ich still. Ich kannte nur einen Ausweg und der war mich so klein wie möglich zu machen und vor und zurück zu schaukeln, um mich wieder zu beruhigen.
„Was hat dieser Wixer ihr angetan!", knurrte mein Gefährte, vor dem ich eben geflüchtet war.
„Du erschreckst sie", sagte Zoe und kniete sich vor mich.
„Wer bist du?", fragte Flynn jetzt etwas ruhiger.
„Ich bin Zoe. Theo hat mich vor ungefähr vier Jahren entführt. Ich war in der Zelle neben ihr. Er hatte mich auch so weit, aber Maya hat mir wieder die Hoffnung gegeben, dass wir doch noch gerettet werden."
„Wieso Maya?"
„Oh, stimmt. Tut mir leid. Sie hat sich mir und allen anderen so vorgestellt, wenn sie gefragt wurde. Ich muss mich daran gewöhnen, dass sie eigentlich anders heißt. Komm lass uns gehen", der letzte Satz war an mich gerichtet.
Ganz vorsichtig stand ich auf und ließ mich von Zoe in ein Auto führen. Sie verließ meine Seite kein einziges Mal. Nur kurz als ich mich waschen sollte. Ich fühlte mich so dreckig egal wie lange ich unter dem heißen Wasser stehen blieb, egal wie oft ich mich mit Waschgel einmassierte. Es half alles nichts.
Gerade saß ich in der Küche. Wir waren wieder zurück im Darkshadow Rudel. Maya und Robbie waren noch im Firestone Rudel geblieben, um sie noch bei ihrem Rogueproblem zu unterstützen. Zoe saß neben mir und versuchte mir einzureden, das ich mit Flynn über alles was passiert war reden müsste, aber ich konnte ja nicht mal mit ihr reden und sie wusste alles.
Vorsichtig wurde die Haustür geöffnet und herein traten Flynn und eine Frau.
„Lia, das ist unsere Rudelärztin. Sie will dich einmal komplett untersuchen, auch das Baby. Ist das ok?", redete Flynn ganz behutsam.
Fragend sah ich zu Zoe, aber sie nickte mir nur aufmunternd zu. Zaghaft folgte ich der Ärztin und Flynn in unser Schlafzimmer.
DU LIEST GERADE
Second chance
WerewolfMein ganzes Leben geächtet, gehasst, gemobbt und trotzdem an das Gute geglaubt oder mehr gehofft. Aber als dann auch noch mein Gefährte mich ablehnte und nicht haben wollte, war es vorbei. Ich lief nach all den Jahren der seelischen Folter weg. Auf...