Heute sollte Liam ankommen. Nervös lief ich im Wohnzimmer vor den großen Fenstern auf und ab, um zu sehen, wann ein Auto ankommen würde.
"Setz dich endlich hin!", fuhr Zoe mich an, die auf der Couch hinter mir saß, "Wenn du so weiter machst platzt vor lauter Nervosität noch deine Fruchtblase!"
"Als ob das klappen würde!", knurrte ich meine Freundin gereizt an.
"Willst du es wirklich drauf anlegen?", fragte sie daraufhin grinsend nach. Schnaubend setzte ich mich, mit verschränkten Armen vor der Brust, neben sie. Zoe kannte mich einfach zu gut - leider!
"Er wird doch eh gleich da sein, aber er wird nicht schneller, wenn du wie eine verrückte aus dem Fenster schaust."
Wo sie recht hatte, hatte sie leider Recht. Allerdings musste ich zum Glück auch nicht mehr lange warten, da hörte ich schon die Reifen unseres Wagens über den erdigen Boden fahren. Liam war bis zur Rudelgrenze gefahren. Dort wurde er von Flynn und Robbie in Empfang genommen und mit unserem eigenen Auto hier her gebracht.
Aufgeregt sprang ich wieder auf und lief zur Eingangstür. Zoe und Maya liefen mir etwas entspannter nach, während ich mir noch einmal hektisch mit meinen schwitzigen Fingern durch die Haare fuhr, bevor ich die Haustür aufriss. Und schon stand ich unentschlossen im Türrahmen.
Ich wollte auf meinen Bruder zu rennen, der genauso unentschlossen neben dem Auto stand, aber ich könnte ihn nicht umarmen, also blieb ich einfach stehen.
Aber Liam wusste nichts von meinem Problem mit Berührungen, also kam er auf mich zu gestürmt und nahm mich in eine feste Umarmung. Entsetzt und versteift stand ich da und konnte nichts tun. Ich merkte, wie mein Herzschlag zu nahm und ich meine Atmung, die immer hektischer wurde, nicht mehr kontrollieren konnte. Panisch versuchte ich mich seinem festen Griff zu entwinden.
Mit einem wütenden Knurren wurde mein Bruder von mir weg gerissen. Verdattert lag Liam auf dem Boden und sah mich und Flynn entsetzt und verwirrt an. Beruhigend strich mein Gefährte mir über den Rücken.
"Komm, atme mit mir zusammen", flüsterte Flynn, "Ein und aus."
"Was ist denn los?", fragte Liam nach.
"Sie hat schwere psychische Schädigungen davon getragen, durch das was Theo mit ihr gemacht hat. Wir wissen immer noch nicht alles. Nicht einmal Flynn weiß alles", hörte ich Robbie meinem Bruder zuflüstern.
"Kann ich ihr irgendwie helfen?"
"Gib ihr Zeit. Es hat einen Monat gedauert, bis Flynn sie wieder so anfassen durfte wie er es jetzt tut. Und ich meine damit nur in den Arm nehmen, Hand halten und so etwas. Zoe kann dir mehr erzählen, darüber auf was du alles achten musst. Sie saß mit Lia zusammen in einer Zelle. Sie sagt, sie hätte nur durch Lia überlebt und wieder neuen Lebenswillen gefunden. Ihr ging es wohl genauso wie unserer Luna."
Ich hatte mich wieder gefangen und tat so, als hätte das Gespräch zwischen meinem Beta und meinem Bruder eben nicht stattgefunden.
"Liam, es ist wirklich schön, das du hier bist. Ich freue mich wirklich sehr, das ich dich wieder einmal sehen kann und das du bei der Geburt meines Sohnes dabei sein wirst", sagte ich wieder gefasst. Flynn ließ seine Hand von meinem Rücken herunter rutschen. Aber ich war noch nicht bereit, die Sicherheit seiner Berührung zu verlieren und griff sofort nach seiner Hand. Sanft drückte Flynn meine Hand in seiner, um mir zu versichern, das er bei meiner Seite war und mich nicht allein lassen würde.
"Ich zeige dir dein Zimmer und dann kannst du erst einmal in Ruhe ankommen. Es war bestimmt ein anstrengender Weg hier her", sagte Maya und zog Robbie und Liam hinter sich her, in Richtung des Rudelhauses.
"Lass uns rein gehen. Ich mache dir einen Tee", flüsterte Flynn zärtlich und zog mich ebenfalls mit sich.
Ich saß immer noch etwas neben der Spur an unserer Kücheninsel und sah auf die Tasse mit Tee in meiner Hand hinunter.
"Es tut mir leid", flüsterte ich plötzlich.
"Was tut dir leid?", fragte Flynn verwirrt nach.
"Das ich keine normale Luna sein kann. Das ich meine Probleme mit Berührungen habe und das wir nicht mehr miteinander schlafen."
"Denkst du wirklich das ich nur mit dir zusammen bin, um dich anzufassen und mit dir zu schlafen? Ich bin mit dir zusammen, weil ich dich liebe. Und wenn wir nie wieder miteinander schlafen und wir auf ewig nur kuscheln, Händchen halten und einfache Berührungen haben, dann reicht das vollkommen für mich, denn das bedeutete immer noch, das du an meiner Seite bist", erklärte mich Flynn liebevoll.
Ein breites Grinsen erstrahlte auf meinem Gesicht. Ich wusste wieder genau, wieso ich diesen Mann so sehr liebte.
"Aber wenn du irgendwem erzählst, dass ich das eben gesagt habe, muss ich dich leider auf ewig in diesem Haus einsperren", flüsterte Flynn grinsend. Er war während seiner kleinen Ansprache um die Kücheninsel herumgekommen und stand jetzt direkt vor mir. Und plötzlich überkam mich einfach dieser Drang und ich konnte mich nicht mehr beherrschen.
Ich umschlang seinen Nacken, mit meinen Armen und zog ihn zu mir herunter. Überschwänglich presste ich meine Lippen auf seine. Erst war Flynn komplett überrumpelt von mir. Man merkte, das er alles erwartet hatte, aber ganz bestimmt keinen Kuss. Schnell hatte er sich wieder gefangen und erwiderte den Kuss ganz vorsichtig und zärtlich.
Es war als würden wir uns das erste Mal küssen und irgendwie taten wir das auch. Wir mussten uns neu kennenlernen, aber eines war klar. Wir liebten uns immer noch wie am ersten Tag.
Mein Kuss wurde immer fordernder und fordernder. Ich wollte mehr. Ich wollte ihn komplett, aber eigentlich auch wieder nicht. Ich umklammerte ihn wie eine Würgeschlange und konnte ihn einfach nicht mehr loslassen. Noch ein bisschen zurückhaltend versuchte Flynn seine Zunge in meinen Mund zu schieben. Das war alles was ich brauchte, um ihn noch fester an mich zu ziehen. Unsere Zungen führten einen Tango auf, bei dem sie wie früher um die Dominanz kämpften.
Ein lautes Keuchen ließ uns auseinander fahren.
"Oh mein Gott!", brüllte Robbie angewidert, "Nehmt euch ein Zimmer!"
"Das ist unser Haus, also verpiss dich!", knurrte Flynn, der sichtlich entnervt davon war, das wir gerade gestört worden waren.
"Robbie, du Idiot!", brüllte nun Maya ihren Gefährten an, "Das war der erste Kuss der beiden, seit dem Lia wieder hier ist und du ruinierst alles!!"
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Second chance
WerewolfMein ganzes Leben geächtet, gehasst, gemobbt und trotzdem an das Gute geglaubt oder mehr gehofft. Aber als dann auch noch mein Gefährte mich ablehnte und nicht haben wollte, war es vorbei. Ich lief nach all den Jahren der seelischen Folter weg. Auf...