2o1o
„Harry", Katrina, Harrys Tante, seufzte. Harry sah von seinem Buch auf und schaute sie mit einem leeren Blick an.
Katrina hatte Alles mitbekommen. Von dem hübschen Mädchen, das Harry eines Tages besuchen kam, Übernachtungen in ihrem Haus und im Haus des Mädchens, das sich dann als Amanda vorstellte, bis hin zu einem niedergeschlagenen Harry, der vor nicht allzu langer Zeit mit einem Strauß Blumen, lilafarbenen Iris, nach Hause kam.
Sie war sich bis heute nicht sicher, was genau passiert war, denn sie hatte ihn nie darauf angesprochen – genauso hatte Harry nie ein Wort darüber verloren. Oder präziser: er hatte seitdem kein einziges Wort verloren.
„Ist schon gut."
Sie wusste nicht was sie tun sollte. Da sie selber keine Kinder hatte, denn sie war ja erst 24, war Harry schon eine große Verantwortung für sie. Natürlich nicht persönlich auf ihn bezogen, sie würde ihn nie eine Last nennen. Doch zwischendurch war es kein Zuckerschlecken seine Erziehungsberechtigte zu sein.
Seit diesem Vorfall, so nannte sie es, falls sie es aussprechen musste, tat Harry nichts mehr als Bücher zu lesen. Es war, als ob er nicht mehr leben würde. Jedenfalls nicht in dieser Realität, denn die Bücher schienen ihn förmlich zu verschlingen und aus dieser Welt zu nehmen. Sie ahnte, dass er dies tat, um sich nicht mit seinem Leben zu beschäftigen, sondern mit dem Leben anderer. Auch wenn es fiktive Personen waren.
Und sie hatte Recht. Bücher halfen Harry mit seinem Leben umzugehen. Den Kummer nahmen sie ihm nicht, jedoch ließen sie ihn seine Probleme ignorieren. Sie ließen ihn den 'Pause'-Knopf drücken, diese Realität einfach anhalten. Er war dann ein Außenstehender eines fiktiven Universums Anderer, der die Handlungen und Gefühle, Aussagen und Hoffnungen, Träume und Wünsche der Charaktere beurteilen und kritisieren durfte.
Es war das Einzige, das Harry übrigblieb. Er hatte nichts mehr, das ihm Freude bereitete, das ihm wichtig genug war, seine Aufmerksamkeit zu bekommen.
Und Katrina war froh, dass er sich nicht Drogen oder Suizidversuchen widmete.
„Ich verstehe, Tante Katy", sprach Harry plötzlich, zum ersten Mal wieder seit Monaten. „Ich bin so gut wie tot. Ich lebe nicht mehr, ich existiere nur." Tante Katy war zu perplex, um zu antworten.
„Ich gehe eine Weile an die frische Luft." Katrinas Augen weiteten sich, sie war sichtlich überrascht, da sie so etwas nie erwartet hätte.
„Soll ich mitkommen? Ich kann dir ein wenig Gesellschaft leisten, damit -" Sie stoppte selbst, als sie Harrys Blick sah und realisierte, was sie gerade sagte.
„Pass auf dich auf."
„Ja, Tante Katy." Harry zwang sich zu einem leichten Lächeln, das nicht so ganz hinhaute, und trotzdem wusste Katrina diese Geste zu schätzen.
Die kühle Luft des Herbstanfangs ließ ihn angenehm erwachen. Es war wie das Aufwachen nach einem Winterschlaf, nur das es bei ihm eher ein Sommerschlaf war. Er sank tiefer in seinen Mantel, um die Wärme im Gesicht zu erhalten. Vor wenigen Monaten war es doch noch so warm gewesen.
Er erinnert sich noch genau an den Vorfall. Jeden einzelnen Tag hallten ihre Worte in seinem Kopf, reflektierten bis in seine Seele und nagten an ihm wie ein immer wiederkehrender Albtraum. Wen sollte man belügen; sein ganzes Leben war ein Albtraum.
Er sah vom Boden auf und blickte durch den Park. Er hatte gar nicht gemerkt, wie er hierher gegangen war. Es war, als wurde er unbewusst dorthin geleitet. Wollte er sich selber leiden sehen?
Vom Schmerz überrumpelt, dem Schmerz, den er so lange zu Verdrängen versuchte, wand er den Blick ab. In diesem Moment spürte er, wie er jemanden anrempelte – oder jemand ihn anrempelte.
„Entschuldigen sie -", murmelte Harry und schaute instinktiv nach oben.
Er erstarrte.
War dies eine Einbildung?
Es konnte nicht der Wahrheit entsprechen. Und doch schien sein Auge ihn nicht zu trügen.
„...Dad?"
Mehrere Minuten starrte Harry ihn an.
Nein, das kann doch nicht sein.
Er sah genauso aus wie damals, sein Aussehen hatte sich anscheinend gar nicht verändert.
Dasselbe Gesicht aus seiner Kindheit sah ihm in seine Augen.
Und fing leise an zu lachen.
„Hier bin ich, Harry."
Harry wurde schwindelig. Er hatte seinen Vater seit Jahren nicht mehr gesehen.
„Doch nicht lange. Ich verschwinde gleich wieder. Ich bin nur hier, um dich zu warnen." Die Stimme seines Vaters war leise und tief. Sie hatte denselben dunklen Ton wie damals.
„Harry, du bist verflucht."
Harry konnte nichts antworten. Er musste erst einmal verdauen, dass vor ihm sein Vater stand und zu ihm sprach.
„Du hättest sterben sollen. Mit deiner Mutter zusammen. Doch du warst nicht bei ihr ... Sonst hätte ich euch beide ermordet. Doch du, du kleiner Bastard, warst nicht bei ihr und wolltest dich nicht töten lassen. Aber weißt du was? So schlimm ist das gar nicht, deine Chance hast du nicht verpasst! Ein Fluch liegt nun nämlich auf dir. Und soll ich dir verraten, was mit dir passiert?" Er legte eine Kunstpause ein und lachte, ein wenig verrückt.
„Du wirst niemals Kinder haben. Sobald sie geboren sind, werde ich sie töten. Ja, ich werde sie mit meiner bloßen Hand töten. Und das Beste kommt erst noch! Weißt du, was du auch nie haben wirst? Eine Geliebte!" Er lachte nun laut.
„Niemals wirst du eine Frau haben. Ich werde das nicht zulassen. Sie wird sterben, ehe du dich versiehst. Ich brauche nur einen kleinen Hinweis darauf, dass du sie gern hast, und sie lebt nicht mehr. Auch wenn es Versehen sind ... Ich werde kein Risiko eingehen. Sie werden alle sterben. Jede, die du dir aussuchst, egal welche. Ich bringe sie um. Mit meinen Händen." Er grinste ihn an, er sah schon abscheulich aus.
„Wieso? Wieso, Vater?", keuchte Harry, der außer Atem war.
„Weil ich dich hasse, Harry. Ich hasse dich so sehr. Du bist schuld an Allem. An der Scheidung, an dem Verhalten deiner Mutter. An Allem. Am meisten, weil du nicht tot bist. Du hättest mit deiner Mutter sterben sollen, so war es geplant. Und du hast dich mir widersetzt. Ich hasse dich, Harry."
„Nein", hauchte Harry, eher er bewusstlos auf dem Boden zusammenbrach. Das Letzte, was er noch mitbekam, war, wie sein Vater sich umsah, seine Kapuze tiefer in sein Gesicht zog und schnell wegging.
=
hi
Fast zwei Monate ist es her ... wow
Frage: Was denkt ihr über das Auftauchen seines Vaters?
Frage II: Wer hat die schwangeren Frauen (die am Anfang erwähnt wurden) getötet?
Die Story wird so langsam immer aufschlussreicher ... oder doch verwirrender?
Glaubt mir, ihr habt keeeine Ahnung. :)
Ich danke euch allen, all the love as always,
michelle ♥
[o5.o8.2o16]
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Motel | styles
FanfictionJasmine Cooper ist auf dem Weg nach Hause und stößt zufällig auf ein verlassen aussehendes Motel, welches ihr gerade recht kommt. Sie entscheidet sich, die Nacht dort zu verbringen. Doch was sie nicht ahnt, ist ein überaus mysteriöser Besitzer, der...