Seit drei Tagen ist Ana nun bei mir. Sie isst, sie trinkt, sie schläft, sie atmet. Eine leere, menschliche Hülle. Sie gibt notwendige Antworten und ich habe eine Standleitung zu Flynn. Er macht mir keine Vorwürfe mehr, sondern sorgt sich gemeinsam mit mir um Anas Zustand. Wir sind uns – nach einem weiteren Telefonat mit Georgina Clayton – darüber einig, dass ich Ana mit nach Hause nehme, wo sie von Flynn behandelt werden kann. Obwohl es vernünftiger wäre, sie sofort in eine Klinik einzuweisen, kann ich das nicht über mich bringen. Sie braucht Hilfe, keine seelenlose Therapie mit Tabletten. Ich habe Angst, dass ich den Rest von ihr auch noch verliere, wenn sie in eine psychiatrische Klinik geht und Georgina teilt diese Befürchtung.
Ich habe alle notwendigen Schritte für First Aid Pharma so koordiniert, dass ich die restliche Arbeit von Zuhause aus erledigen kann. Ich habe das Haus nicht verlassen, da ich es nicht über mich bringe, Ana auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen. Ich wollte sie wieder haben, und jetzt verstehe ich Claytons Aussage, dass man sehr vorsichtig mit seinen Wünschen sein soll. Meiner ging in Erfüllung, allerdings macht mir diese Ana mehr Angst als Rose. Eine Scheißangst sogar, weil Ana nicht nur verloren, sondern vollkommen hilflos wirkt. Ich vermisse ihr loses Mundwerk und ihre Lebendigkeit. Ein bisschen vermisse ich sogar Rose. Ein kalter Blick, ein spöttisches Kommentar, wäre mir jetzt höchst willkommen. Und das nächste Problem ist auch schon im Anmarsch. Nathan Clayton kommt und seine Mutter hat mich gebeten, ihn mit Ana reden zu lassen. Gleichzeitig hat sie mich beschworen, ihn nicht mit ihr alleine zu lassen, wollte aber nicht sagen, warum. Sie meinte nur, sie will, dass Ana gesund wird und nicht Rose wieder zurück haben. Sehr kryptisch und das geht mir gewaltig auf die Nerven.
Taylor ist auch erschüttert, Rose konnte er wohl einordnen, Ana und ihre Passivität kratzen an unserer beider Nerven und machen uns hilflos. Er sorgt ständig dafür, dass etwas zu trinken oder Früchte in ihrer Nähe stehen, und fragt sie unaufhörlich, ob sie etwas möchte. Sie schüttelt nur stumm den Kopf, sitzt meist auf der Veranda und starrt aufs Meer. Abends lege ich sie in mein Bett, nachdem ich sie ins Bad geschickt habe. Einmal kam sie nicht wieder, sondern stand einfach nur vor dem Spiegel, die Zahnbürste in der Hand und starrte auf ihr Spiegelbild. Ich habe sie ins Bett getragen und frage mich langsam, ob ich ihr überhaupt gut tue. Ich liege jede Nacht neben ihr, kann sie aber nicht in den Arm nehmen. Als ich es einmal versucht habe, fing sie hysterisch an zu schreien. Ich darf sie nicht berühren und das schmerzt. Ich habe mich nie von ihr berühren lassen, aber jetzt würde ich es mit Freuden zulassen, weil ich nun selbst erfahren muss, wie es ist, jemanden nicht an sich ziehen zu dürfen. Wenn sie wieder gesund wird, werde ich ihr nie wieder eine Grenze setzen. Ich werde alles tun, um ihr das zu geben, was sie braucht. Alles, ohne Bedingungen, ohne Einschränkungen.
Gegen elf Uhr klingelt es, Nathan Clayton steht vor der Tür und sieht mich böse an.
„Sie haben es also geschafft. Sind Sie nun zufrieden?"
Er sieht nicht nur böse, sondern auch besorgt aus.
„Sie ist auf der Veranda. Ihre Mutter meint, ich soll Sie nicht mit ihr alleine lassen", murre ich.
Er folgt mir, als ich durch das Wohnzimmer gehe und stoppt, als er das Bild von Ana sieht. Er keucht.
„So kenne ich sie nicht." Ich nicke, das ist eine Information, die mir gut tut.
„Aber ich. Diese Frau suche ich."
Clayton sieht mich auf einmal traurig, fast müde an.
„Ich wünsche Ihnen, dass Sie diese Frau wiederfinden. Aber ich glaube nicht, dass sie je wieder so sein wird."
Ich habe langsam genug von den kryptischen Andeutungen der Claytons.
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50 Shades of Ice
FanfictionAls Christian Ana nach vier Jahren wieder findet, ist nichts, wie er es sich je vorgestellt hat. Ein Spiel um Dominanz und Schmerz, um Geheimnisse und Verrat, um Lust und Leidenschaft beginnt und zu spät erkennt er, dass er mit der Erfüllung seiner...