4

243 6 0
                                    

Jace

Ich stand in der Bibliothek und betrachtete das Portal. Es sah aus, als bestände es aus Wasser, aber irgendwie fester. Es wies die gleichen Lichtreflektionen wie Wasser auf, aber floss nicht aus seiner Halterung.

Das Portal faszinierte mich immer wieder, egal, wie oft ich es betrachtete. Man konnte durch es hindurchgehen und kam dort heraus, woran man gerade dachte.

Plötzlich bemerkte ich mit meinen geschulten Instinkten jemanden hinter mir stehen und drehte mich blitzschnell um, bereit alles und jeden anzugreifen, der es wagte mich zu stören. Aber dort stand nur meine Schwester Cat und lächelte über meine Reaktion. „Du musst mal ein bisschen runterkommen“, sagte sie, noch immer lächelnd, „nicht jeder, der hinter dir steht, will dich angreifen.“

Ich entspannte mich und schob meine Seraphklinge, die ich unbewusst gezogen hatte, wieder in meinen Gürtel.

Mein Name ist Jonathan Christopher Morgenstern.

Alle nennen mich einfach Jace, weil Jonathan Christopher zu lang wäre. Jace kommt von meinen Initialen, J.C.

Seit ich denken kann, lebe ich im Institut. Nein, das ist keine Anstalt oder ein Forschungsinstitut oder so. Es ist eine Ausbildungsstätte für die Nephilim.

Mein Vater ist vor meiner Geburt gestorben und meine Mutter ist abgehauen, nachdem sie mich hier mit zwei Jahren abgegeben hatte. Seitdem wurde ich zum Nephilim ausgebildet.

Die Nephilim, auch Schattenjäger genannt, bekämpfen und töten Dämonen, die in der Menschenwelt ihr Unwesen treiben. Sie werden durch verschiedene Runen bestärkt, die sie sich mit einer Stele eingravieren können.

Ich lebte hier mit meiner Schwester Cat, meinem besten Freund Alec Lightwood, seiner Schwester Isabelle, seinem Bruder Max und deren Eltern. Außerdem waren auch noch unser Mentor Hodge und sein Rabe hier.

Das Institut kann bis zu zweihundert Leute aufnehmen, trotzdem waren meist nur wir acht hier.

Natürlich hieß meine Schwester nicht in Wirklichkeit Cat. Das war nur ein Spitzname, denn ihr richtiger Name wäre zu lang und kompliziert gewesen. Außerdem passte der Name Cat gut zu ihr, denn sie hatte irgendetwas, das an eine Katze erinnerte. Vielleicht war es ihre Eleganz, wenn sie kämpfte, vielleicht aber auch ihre leicht schräg stehenden Augen.

Es war schon seltsam, dass wir Geschwister waren, denn wir sahen uns kein bisschen ähnlich: Ich hatte blondes, lockiges Haar und bernsteinfarbene Augen, sie hingegen hatte dunkelbraunes bis rötliches, glattes Haar und blaue Augen.

Trotzdem fühlte ich mich bei ihr so zu Hause, wie bei niemandem sonst. Nicht mal bei Alec und wir waren immerhin Parabatai.

Parabatai ist ein Ausdruck für zwei Krieger, die immer Seite an Seite kämpfen. Sie stehen sich näher als Brüder. Bereits unsere Väter waren Parabatai.

Cat liebte es zu zeichnen, besonders Fabelwesen wie Elfen, Kobolde, Drachen oder Satyrn.

Ich glaubte nicht an diese Geschichten, obwohl wir es ja eigentlich mit ähnlichen Geschöpfen, den Dämonen, zu tun hatten. Aber Dämonen waren Ausgeburten der Hölle und Elfen waren… Irgendwie unrealistisch. Und Hodge sagte auch immer, alle Geschichten und Mythen seien war.

Und bald würde ich merken, dass Hodge nicht Unrecht behalten würde.

Cat und ich standen uns noch immer in der Bibliothek gegenüber und starrten uns an.

Ich hasste es, wenn sie einfach, ohne mich vorzuwarnen, hinter mir auftauchte.

Sie konnte sich komplett lautlos bewegen und sich so tarnen, dass selbst ich sie erst im letzten Moment bemerkte.

Natürlich hatte das klare Vorteile im Kampf und so, aber ich hasste es trotzdem, wenn sie das immer wieder bei mir machte. „Wieso machst du das immer?“ fragte ich leicht säuerlich. Sie schaute ganz unschuldig und statt einer Antwort stellte sie mir eine Gegenfrage. „Wieso regst du dich immer so schnell auf?“ „Ich hab zuerst gefragt.“, bemerkte ich mit einem Lächeln auf den Lippen. Ich konnte einfach nicht lange sauer auf meine Schwester sein. Sie lächelte nur ebenfalls und ließ das Thema fallen. „Alec sucht dich. Er meinte, er hätte eine Meldung von einem Dämon im Pandemonium bekommen.“ Ich bedankte mich kurz bei ihr, schloss das Portal und ging dann aus der Bibliothek, um Alec zu suchen.

Cat blieb in der Bibliothek zurück, sie saß gerne auf dem gefliesten Boden und zeichnete oder las in einem der gemütlichen Sessel.

Ich dachte mir nichts dabei, sie dort allein zu lassen, was sich als Fehler herausstellte.


**********

An der Seite Jace *-*

Zwischen den Welten [ALTE VERSION]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt