Verloren

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Heute nach der Schule machte ich mich auf den Weg ins Krankenhaus. Ich stieg in mein Auto und stellte es nach ungefähr nach 10 Minuten wieder auf dem Parkplatz ab. 
Der Rest des Weges ging ich bis zum Eingang und dann hoch in die 2. Etage. Hier begrüßte ich ein paar Krankenschwestern, die ich noch von meinen anderen Besuchen hier kannte und versuchte mir ein Lächeln auf zu zwingen, jedoch wusste ich das ich bei diesem Versuch kläglich versagte, wie mir ihre bemitleideten Blicke verrieten.
Ich bog in den nächsten Flur ab, der wie ausgestorben wirkte, da niemand außer ich hier war. 

Dann blieb ich vor einem Zimmer stehen. Zimmer 215.   

Ich starrte die Nummer an, die mit schwarz an die Tür gemalt war und atmete tief die Luft des Krankenhauses ein, die nach Desinfektionsmittel roch. So oft schon hatte ich hier gestanden und trotzdem zögerte ich jedes Mal.

Ich wusste welcher Anblick mir geboten wurde und trotzdem hatte ich Angst. Angst, dass sie nicht mehr da war. Angst, sie zu verlieren. Das Mädchen zu verlieren, was mir mehr als alles andere bedeutet.

Ich hob langsam meine Hand zur Klinke und öffnete die Tür. 

Ich ging in das Zimmer hinein, blieb vor dem Bett stehen und sah sie an.
Ihr Anblick erschreckte mich jedes Mal aufs neue, wie sie dort so lang, so blass in dem Krankenhaushemd, was ihr gefühlt 3 Nummern zu groß war und mit den ganzen Schläuchen und Geräten. Das Piepsen der Geräte war das einzige Geräusch in diesem Zimmer mit den gelben Wänden und zeigte an das sie immer noch lebt, das sie immer noch hier bei war. Das sie noch nicht tot war. 

Seit ungefähr einem Jahr und 2 Monaten lang sie schon so hier und jeden Tag aufs neue hoffte ich, dass sie immer noch aufwachte. Ich vermisste sie so sehr. Jeder Tag ohne sie war die Hölle und es zerriss mich. Denn in Wahrheit starb ich jeden Tag ein kleines Stück mit ihr in dem sie nicht bei mir war. 

Jeden Tag, wenn ich da war, las ich ihr etwas von ihrem Lieblingsautor John Green vor. Sie liebte ihn und hatte alles von ihm gelesen. Ich vermisste ihren Anblick mit einem Buch in der Hand, während sie las und zwischendurch lächelte. Man merkte an ihrem Gesicht immer, dass sie mit den Charakteren mitfieberte und diese Eigenschaft hab ich sehr an ihr geliebt.

Gerade als ich mich hinsetzten wollte, wurde die Tür aufgerissen und ihre Familie kam herein. Ihre Schwester und ihre Mutter sahen ziemlich fertig aus und ich glaube sie haben geweint. Aber warum? Ich würde gerne wissen, was hier los ist. Ist irgendwas passiert? Habe ich was verpasst? Ihr Vater warf mir einen bemitleiden Blick zu und in seinen Augen war noch irgendwas? War es Trauer? Reue? Verdammt, was war hier los?!

,,Was ist hier los?", fragte ich skeptisch. ,,Ist irgendwas mit Sky?"
Jetzt bekam ich richtig Angst. Was ist wenn ich sie verliere? Ich kann nicht ohne sie leben. Es geht nicht. Sie ist mein Leben. Mein Ein und Alles. Ich liebe sie.

Ihre Eltern schaffen es nicht mir in die Augen zu sehen und sie vermieden ebenfalls den Blick Richtung Sky. 

,,Wir werden ihre Geräte abschalten lassen..."
,,WAS?!", frage ich fassungslos. 

Das können sie doch nicht machen! Der letzt Funken Hoffnung, den ich hatte wurde gerade einfach so zerquetscht und welkte dahin, wie eine sterbende Blume. In mir brodelte die Wut und die Fassungslosigkeit.

,,Das könnt ihr doch nicht machen! Dann wird sie sterben! Das ist euch doch klar oder!? Dann habt IHR sie auf dem Gewissen, weil ihr sie habt sterben lassen! Was ist, wenn sie wieder aufwacht, hm? Sie kann jeden Moment aufwachen. Sie WIRD aufwachen!", schrie ich sie wütend an.

,,Woher willst du das wissen?", fragte ihre Mutter traurig.

,,Ich weiß es." Meine Stimme bricht am Ende des Satzes. ,,Ich weiß es einfach...", flüsterte ich mehr zu mir als zu ihnen. Meine Augen fingen an zu brennen und ich fing still an zu weinen. 
,,Ich liebe sie! Ich will sie nicht verlieren, verdammt! Sie ist alles für mich!", rief ich verzweifelt mit Tränen erstickter Stimme.

Keiner wagte es auch nur ein Wort zu sagen und so herrschte eine unangenehme Stille, die man hätte greifen können.

,,Wann?", flüsterte ich. Eigentlich wollte ich es gar nicht wissen, aber ich musste mich von ihr verabschieden. 

,,Morgen...", flüsterte ihre Mutter und verschwand mit den Anderen nach draußen. 

Weinend brach ich zusammen und fing an laut zu weinen. Ich spürte, wie mein Herz zerbrach und meine Seele in tausend Stücke schnitt. Mein ganzes Leben brach über mir, wie ein Kartenhaus zusammen und ich fasste einen Endschluss. 

Ich KONNTE und ich WOLLTE nicht ohne sie Leben.

Alles und Nichts - KurzgeschichtenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt