Kuss im Regen

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Hier stehen wir also. Und ich muss mich verabschieden, da ich ins Haus muss, weil ich sonst Ärger von meiner Mutter bekomme, wenn ich nicht pünktlich zu Hause bin. Doch um ehrlich zu sein: Ich will nicht gehen. Ich würde ihn am liebsten in mein Zimmer schleifen und ihn zwingen mit mir zu kuscheln bis ich eingeschlafen bin. 

Aber leider geht das nicht und unsere Wege trennen sich hier. Ich sehe ihm in die Augen und weiß, dass es ihm genau so geht wie mir. 

Ich gehe einen Schritt auf ihn zu, sodass uns nur noch eine minimale Entfernung trennt. Ich sehe zu ihn auf, da er größer ist als ich. Sehe tief in seine Augen und lege meine Hand auf seine Brust, nur weil es sich gut anfühlt. Und richtig.

Er sieht zu mir herunter, mit seinen wundervollen blauen Augen und lächelt mich liebevoll an. ,,Wird wohl Zeit rein zu gehen, oder?", fragt er mich genau so wiederwillig, wie ich mich fühle. ,,Ja, leider. Ich will noch nicht gehen.", antworte ich genau so betrübt.

Ich lasse meinen Blick über sein ganzes Gesicht wandern. Seine braunen, ständig verwuschelten Haare, seine wundervollen, leuchtenden blauen Augen und zum Schluss bleibe ich bei seinen Lippen hängen, die förmlich danach schreien geküsst zu werden.

Aber soll ich es wirklich tun? Soll ich ihn küssen?

Ich treffe meine Entscheidung, nehme sein Gesicht in meine Hände, stelle mich auf meine Zehenspitzen und küsse ihn. 
Er schlingt seine starken Arme um meine Taille und zieht mich näher an ihn, weil es langsam anfängt kalt zu werden. Plötzlich fängt es wie aus heitern Himmel an zu regnen.

Der Kuss fühlt sich erst an wie ein Windhauch, leicht und flüchtig, aus Angst den Moment zu zerstören. Doch nach und nach wird er immer verlangender und leidenschaftlicher, bis unsere Lippen sich perfekt zusammen bewegen und unser Zungen anfangen, miteinander zu tanzen.

Es ist kalt, es regnet, es ist dunkel und trotzdem stehen wir hier.
Es interessiert uns nicht, dass wir innerhalb von 2 Minuten völlig durchnässt sind.
Denn das einzige, was gerade zählt ist das hier. Das mit ihm. Das ist alles für mich in diesem Moment.

Ich verschränke immer noch küssend meine Hände hinter seinen Nacken und küsse ihn mit all den leidenschaftlichen Gefühlen, die es auf dieser Welt, unserer kleinen Welt, gibt.

Langsam lösen wir uns schwer atmend von einander, weigern uns jedoch beide uns ganz voneinander zu lösen. Ich kuschel mich an ihn und lege meine Wange an seine Brust, die sich schwer atmend, hebt und senkt. Meine Haare kleben mir im Gesicht und auch seine Haare sind völlig durchnässt, aber wir sind beide glücklich. Glücklicher als wir es je waren.

Ich schließe meine Augen und genieße dieses Gefühl seine Arme um meinen Körper, seine Wärme zu spüren.

Er gibt mir einen Kuss auf den Haaransatz und legt seine Kinn auf meinen Kopf.
Und auch nach 10 Minuten stehen wir immer noch hier. 

Mitten im Regen.

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