Prolog

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SAM

Ich saß auf dem weichen Sitz meines Autos (das eigentlich das Auto meines Vaters war) und lugte über das Steuer hinweg auf das große Backsteingebäude vor mir. Ich musste schlucken, als ich die Massen an Schüler beobachtete, die wie Ameisen auf den Eingang zuströmten und im Schulgebäude verschwanden.
Mein Herz klopfte wild in meiner Brust und ich atmete zitternd aus, den Griff um mein Lenkrad verstärkend.

Heute war mein erster Schultag. Und trotz der Aussicht auf einen Neuanfang, wollte nicht in dieses Gebäude gehen. Jede einzelne Zelle meines Körpers weigerte sich, mein Auto zu verlassen und mich meinem neuen Leben zu stellen.

Doch ich wusste auch, dass ich mich nicht drücken konnte, also seufzte ich und schnappte mir meinen Rucksack vom Beifahrersitz.
Schnell schloss ich das Auto ab und machte mich auf dem Weg, das große Backsteingebäude fest im Visier.

Nur noch vereinzelte Schülergruppen waren auf dem Parkplatz zu sehen und es wurde höchste Zeit für mich, das Sekretariat aufzusuchen.

Die Jefferson High war zu meinem Bedauern eine sehr kleine Schule, was bedeutete, dass ich als neue Schülerin ziemlich auffallen würde.
Doch ich verscheuchte diesen Gedanken schnell, der sich wie eine lästige Fliege in meinem Gehirn festgesetzt hatte und versuchte einen berechnenden Gesichtsausdruck, alias mein Pokerface, aufzusetzten, bevor ich durch die großen Türen schritt.

Keine Gefühle zeigen. Niemals Angst, erinnerte ich mich selbst an meine Grundsätze, die mich durch das letzte Schuljahr begleiten sollten und musterte die Eingangshalle in der ich mich befand. Von ihr zweigten gleich mehrere Flure ab, doch vorerst näherte ich mich der blauen Tafel, die an der Zweigstelle der Schulkorridore die einzelnen Abteilungen des Schulgebäudes anzeigte. Die Blicke der anderen Schüler ignorierend suchte ich den Weg zum Sekretariat und bog dann in den rechten Korridor ab.

So weit so gut, dachte ich mir und wurde prompt von dem lästigen Klingeln unterbrochen, dass den Beginn des Unterrichts signalisierte.
Fast gelang es meiner Nervosität wieder, die Oberhand zu gewinnen, doch dann erinnerte ich mich daran, dass ich neu war und ausnahmsweise mal zu spät kommen durfte.
Also beruhigte ich mich selbst und entdeckte kurz darauf die ausgeblichene braune Tür des Sekretariats.

Ich drückte die Klinke herunter und wurde sogleich von dem warmen Geruch von Kaffe und dem Läuten eines Telefons empfangen.

Hinter einem grauen Tresen konnte ich den roten Schopf der Sekretärin ausmachen, die bei dem Geräusch der zufallenden Tür aufsah und mich neugierig durch ihre Brille musterte.

Ich fühlte mich schon fast unwohl in meinen abgetragenen Vans und dem grauen Hoodie auf dem in großen Lettern das Wort 'OXFORD' prangte und räusperte mich vernehmlich, um das Starren der Sekretärin zu unterbrechen.

Fast augenblicklich, wie als hätte man eine Lampe angeknipst, lächelte sie ein tausend Watt Lächeln und ich bemerkte wie auch meine Mundwinkel ein wenig nach oben zuckten.

Ich trat vor und näherte mich dem Tresen.
"Du musst also Samantha sein.", begann sie.
"Willkommen auf der Jefferson High. Hier ist dein Stundenplan und deine Schulbücher holst du bitte um vier in der Bibliothek ab."
Sie erklärte mir noch die einzelnen Stunden auf meinem Stundenplan und ich tat so als würde ich ihr zuhören, oder überhaupt irgendwas verstehen, in dem ich brav nickte.

Tatsächlich aber waren die Abkürzungen der Lehrernamen und die ganzen anderen Buchstaben auf dem Blatt ein Rätsel für mich.

"Du hast jetzt Englisch Literatur, dein Lehrer ist Mr. Monroe und das Klassenzimmer befindet sich im linken Flügel in Raum 102.", fuhr die Frau unbeirrt fort und ich lächelte dankbar für diesen kleinen hilfreichen Tipp.
Dann verließ ich mit dem Stundenplan in meiner Hand das mollig warme Zimmer.

Doch kaum hatte ich mich ein paar Schritte von der Tür entfernt, fiel mir auf, dass ich keinen Gebäudeplan besaß und nun auch nicht wusste wo ich hin musste.
Zitternd atmete ich aus und wollte gerade den Stundenplan in meinen Rucksack stopfen, als ich bemerkte, dass sich ein Abdruck des Gebäudes auf der Rückseite des Blattes befand.

Der Flur lag wie ausgestorben vor mir und ich machte mich zügig auf den Weg zum Klassenzimmer, welches ich keine Minute später erreichte.

Vor der Tür blieb ich stehen und konnte schon die laute Stimme des Lehrers Mr. Monroe ausmachen. Mein Herz klopfte wie wild in meiner Brust und ich spürte den kalten Schweiß auf meinen Handflächen. Doch ohne eine weitere Sekunde zu zögern öffnete ich die Tür und betrat den Raum mit zügigen Schritten.

Alle Köpfe drehten sich augenblicklich in meine Richtung, einschließlich der des Lehrers. Ohne mich davon beeindrucken zu lassen, ignorierte ich die anderen Schüler und würdigte sie keines Blickes.
Ich näherte mich also dem Lehrer und sagte dann mit fester Stimme:

"Hallo Mr. Monroe, Entschuldigen Sie die Verspätung, Sir. Ich bin die neue Schülerin Samantha Gilliam."
Vereinzeltes Kichern drang an meine Ohren, als ich meinen, zugegeben ziemlich albernen Namen nannte, aber das war mir in diesem Moment egal. Das einzige worauf ich jetzt hoffte, war, dass der Lehrer kein Arschloch war und mich angemessen empfangen würde. Dieser löste sich kurz darauf aus seiner Erstarrung und schenkte mir ein freundliches Lächeln, das ich erleichtert erwiederte.

"Herzlich Willkommen auf der Jefferson High, Samantha.", begrüßte er mich strahlend mit einer sehr wohlklingenden Stimme. Ein zweites Mal an diesem Morgen bedankte ich mich und wurde von Mr. Monroe dazu aufgefordert mir einen freien Platz im Raum zu suchen.
Dann drehte ich mich um und wagte zum ersten Mal einen Blick auf meine neuen Mitschüler.

Ich wurde in meinen Vorahnungen kein Bisschen enttäuscht, als ich den vielen neugierigen Augen der Jugendlichen im Raum begegnete, die mich von Kopf bis Fuß ungeniert musterten.
Doch ich zögerte nicht lange, als ich einen freien Platz in der Mitte des Raumes erblickte und durchquerte zügig das Klassenzimmer. Zwar waren mir die anderen freien Plätze in der letzten Reihe auch aufgefallen, aber ich saß nicht gerne ganz hinten, schließlich ging ich nicht ohne Grund zur Schule.

Dann setzte ich mich auf den freien Platz und ließ meine Tasche von der Schulter gleiten.
Doch was mich überraschte war das Raunen, dass wie Wellen durch die Schülerreihen zog. Wieder begegnete ich den Blicken der anderen, doch diesmal musterten sie mich nicht mit Neugierde, sondern mit Fassungslosigkeit und fast schon Belustigung.

Ich hatte absolut keine Ahnung woran das lag und entschied mich dann dafür es zu ignorieren, als Mr. Monroe den Faden wieder aufnahm und den Unterricht fortführte.

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