Kapitel 10; Begegnung

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AVA

Ich nahm Anlauf, holte mit einem Bein aus und kickte den Ball in das Tor, der mit einem lauten Wuuuuusch an der Torwärtin vorbeiflog. Kira hatte sich in die falsche Richtung geworfen, ich hatte sie perfekt getäuscht und der Ball war ohne zu zögern in sein Ziel geflogen.

Trainer Foster pfiff ab und schickte uns vom Spielfeld. Das Training war für heute beendet und wir gingen in die Umkleiden zurück, um uns von unserer dreckigen Fußballkleidung zu befreien.

Während ich mich umzog driftete ich mit meinen Gedanken wie so oft in letzter Zeit ab und dachte nach.
Entgegen meiner Erwartung hatte ich den Samstag in dem Laden meines Onkels überlebt. Tatsächlich sogar merkte ich, dass Sam auf mich noch anziehender wirkte, als ich gedacht (und befürchtet hatte). Ich wusste nicht genau woran das lag, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass sie so anders als die ganzen anderen Jugendlichen hier war. Sie schien eine innere Ruhe und Selbstsicherheit auszustrahlen, die nicht nur mir, sondern auch all den anderen aufgefallen war. Doch genau darin lag das Gefährliche in ihr. Sie wirkte so anziehend. Selbst auf mich. Ganz besonders auf mich.
Aber ich durfte diese trügerische Entwicklung nicht zulassen. Wahrscheinlich plante sie, heimlich die ganze Schule zu unterjochen, um mich zu stürzen, dachte ich grimmig. Mit ihren unschuldigen, großen tiefblauen Augen und den langen Wimpern konnte sie einem regelrecht eine Art Unschuld vortäuschen. Aber ich wusste es besser. Denn falls sie etwas plante, würde ich es niemals zulassen.

SAM

Ich band die Schnürsenkel meiner Laufschuhe zusammen, richtete mich auf, stöpselte meine Kopfhörer ein und verließ die Wohnung. Das Treppenhaus endete kurz darauf und ich verließ das Gebäude.

Dann joggte ich um die Ecke des Wohnhauses, darauf bedacht, die Entgegengesetze Richtung, als zu meinem Arbeitsplatz, einzuschlagen.

Anfangs war es immer eine Qual und meine brennende Lunge erinnerte mich unsanft daran, dass ich mein Lauftraining aufgrund des Umzugs weit hinausgeschoben hatte. Doch als sich mein Körper allmählich an den gleichmäßigen Rhytmus, den meine Beine mir vorgaben, gewöhnte, fiel jegliche Last, die sich mir seit Wochen aufgebürdet hatte von mir ab. Jetzt war ich frei. Jetzt konnte ich die Sam sein, die ich sein wollte. Unbeschwert und mit mir selbst im Einklang. Ein Zustand, zudem ich immer seltener zurückfand. Nichtsdestotrotz fühlte es sich unglaublich berauschend an, wie als wäre es das erste Mal, dass ich laufen würde.

Mein Atem rauschte in meiner Brust und ich konnte das Blut in meinen Ohren hören. Dann schweiften meine Gedanken ab. Ich dachte an Mom. Ich dachte an ihre neue Familie und an meine kleinen Halbgeschwister, die ich so liebte. Ich konnte sie nicht dafür hassen, dass sie existierten und dadurch meine Familie zertört hatten. Ich joggte zwischen den Hochhäusern entlang, bis sich das Wohngebiet langsam lichtete. Zwar kannte ich mich in dieser Gegend überhaupt nicht aus, aber ich hatte einen ziemlich guten Orientierungssinn und war mir sicher, dass ich später leicht zurückfinden würde.

Ich folgte meinem Weg eine weitere Viertelstunde mit der Musik meiner Lieblingsbands als Begleiter und Motivatoren. LinkinPark und TwentyOnePilots weckten in mir immer wieder aufs Neue meine Lebensgeister. Dann drehte ich ab und schlug einen neuen Weg ein und hoffte dabei mich dem Stadtzentrum zu nähern, anstatt mich weiter davon zu entfernen.

Ich hatte Glück. Ein paar Songs später fand ich mich in Einkaufsstraßen mit großen Hochhäusern wieder, die Blicke der Leute ignorierend, die mich interessiert anstarrten, als ich an ihnen vorbeijoggte.

Ich näherte mich einer Straße, in der sich augenscheinlich der Eingang einer großen Schoppingmall befand, als ich plötzlich am Eingang Ava entdeckte, die neben einem ihrer Fußballkameradinnen stand und sich mit ihr unterhielt.

H(er)oes | gxg #Wattys2018Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt