AVA
Mein Herz hatte einen Satz gemacht, als ich die Nachricht von Sam gelesen habe. Ich konnte immer noch das Pochen in meiner Brust spüren und ein sanftes Gefühl in meinem Bauch.
Sam hat sich Sorgen um mich gemacht. Und zwar so sehr, dass sie dich selbst darüber vergewissern wollte, ob es mir gut ging.
Zugegeben, die Englisch Literatur Stunde war an diesem Tag ein wenig nervenaufreibend gewesen. Nichtsdestotrotz hatte sie mir auch etwas gebracht. Sams kleinen Zettel habe ich tief in die Brusttasche meiner Lederjacke geschoben. Es kam mir fast so vor, als könnte ich das Papier durch den dicken Stoff hindurch spüren, aber wenn ich mich eines Besseren besann, so wurde mir klar, dass das unmöglich war. Ich saß in meinem Wagen, den ich versuchte durch das Chaos des Schulparkplatzes hindurchzumanövrieren. Mir war ein dümmliches Grinsen ins Gesicht geschrieben und ich war gerade dabei, an zwei großen Trucks vorbeizufahren, als ich plötzlich einen dumpfen Schlag an dem Kotflügel meines Autos hören konnte. Da es im Vergleich zu den anderen Amerikanischen Wagen, ziemlich klein war, hörte ich den Schlag lauter, als er gewollt und zuckte zusammen, während ich auf meine Bremse trat. Ich fuhr in Schrittgeschwindigkeit und blieb abrupt stehten, als ich Peter durch meine Frontscheibe erkannte. Er hatte auf mein Auto geschlagen, um auf sich aufmerksam zu machen. Ich konne sehen, wie er um den Wagen herum ging, die Tür öffnete und sich neben mich auf den Beifahrersitz fallen ließ. Seinem Blick nach zu urteilen schien er darüber verärgert, dass ich ihn wohl davor die ganze Zeit nicht bemerkt hatte. Aber ich stellte mich dumm und fragte:"Soll ich dich nach Hause bringen?"
Fast hätte ich lauthals losgelacht, als ich den Ausdruck auf seinem Gesicht betrachtete, startete aber dann wortlos den Motor, der mit einem angenehmen Zurren ansprang, dass mich immer wieder an das Schnurren eines Kätzchens erinnerte, und fuhr los.
Es herrschte eine Weile Stille zwischen uns, während ich endlich den immer noch überfüllten Parkplatz unserer Schule verließ.
"Was ist eigentlich los mit dir?", fragte mich Peter dann nach einer kleinen Weile, die Stille im Wagen nicht mehr aushaltend. Mein Blick klebte an der Straße vor uns und ich erwiderte in dem unschuldigsten Ton den ich drauf hatte: "Was meinst du jetzt speziell?"
"Nichts speziell.", fasste er sich kurz. "Alles. Dein Verhalten, du. Verdamm schau mich an wenn ich mit dir rede!", entfuhr es ihm dann, da ich immer noch nicht auf seine Worte zu reagieren schien. Ich verkniff mir die Bemerkung, dass ich meine Aufmerksamkeit lieber auf den Verkehr richten sollte und warf ihm einen flüchtigen Seitenblick zu.
"Wie kommst du darauf, dass etwas nicht in Ordnung sein sollte?"
Und dann hörte ich Peters Seufzen und konnte aus dem Augenwinkel sehen, wie er seinen Kopf an die Stütze des Sitzes lehnte und seine Augen schloss.
"Verdammt noch mal Ava, ich bin dein Bester Freund. Natürlich habe ich etwas bemerkt.", sagte er und klang dabei erschöpft. Ich biss mir auf meine Unterlippe. Ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte, also schwieg ich weiter.
"Erinnerst du dich noch daran, was wir einander geschworen haben?", setzte er dann nach einer Weile wieder an und diesmal entfuhr mir ein Glucksen. "Natürlich weiß ich das noch! Wie könnte ich das jemals vergessen?"
"Genau das habe ich mich auch gefragt.", antwortete er und in seiner Stimme klang eine undefinierbare Traurigkeit mit, als er unseren gemeinsamen Schwur zitierte: "Bro's before Hoe's".
Er wusste es. Verdammte scheiße. Er wusste es, bevor ich es erst einmal selbst richtig wusste.
"Du hast dich verliebt.", stellte er nüchtern fest. Ich wusste dem Ganzen nichts hinzuzufügen, schließlich konnte ich meinen Besten Freund schlecht anlügen, ohne dass er es sofort bemerken würde und so gab ich die Idee, zu protestieren, lange schon auf, bevor sie sich überhaupt in meine Gedanken schleichen konnte.
Das Schweigen zwischen uns kam mir plötzlich ziemlich erdrückend vor und ich war schon fast davon überzeugt, dass mir Peter jetzt unsere jahrelange Freundschaft kündigen würde, als er plötzlich etwas sagte, dass mich sehr überraschte: "Sie ist hübsch."
Ich musste schlucken. In der Tat. Sie war hübsch. Und ich lächelte Peter an, der mein Lächeln erwiederte. "Jaah. Das ist sie.", hörte ich mich sagen und ich war mir sicher, dass sich wieder dieses verträumte, doofe Grinsen auf mein Gesicht geschlichen hatte. Dann hielt ich vor Peters Haus an. Wir sahen einander an. "Ava?", fragte er mich und ich warf ihm einen fragenden Blick zu. "Pass auf wegen....du weißt schon, wegen Jane. Ich glaube sie wird nicht so nachsichtig mit dir sein."
SAM
Ava hatte zwar auf sie Botschaft meines Zettels nicht geantwortet, aber ich konnte es ihr nicht verübeln. Schließlich hatte er seinen Zweck erfüllt und ihr ein Lächeln ins Gesicht gezaubert. Ein lautes Grummeln in meiner Magengegend machte mich darauf aufmerksam, dass es Zeit wurde nach Hause zu fahren und das Abendessen für mich und meinen Vater vorzubereiten. Die Fahrt zu der Wohnung verlief ruhig und als ich die Treppe des Wohnhauses bis hinauf zu der Wohnungstür hinaufstieg erwartete ich einen ganz normalen, entspannten Abend Zuhause. Meine Vorstellung verpuffte jedoch wie eine Staubwolke ins Nichts, als ich die Tür aufstieß und mich einer bizarren Szene gegenübersah: Meine Eltern saßen einander gegenüber an unserem Küchentisch. Jeder normale Mensch meinen Alters hätte kein Problem mit dieser Situation gehabt, da meine Mutter aber meine Familie zerstört hatte, konnte ich mich mit diesem neuen Anblick nicht anfreunden. Zumal ich meine Mom noch nie in unserer neuen Küche gesehen habe und sie auch völlig fehl am Platz wirkte. Die Wohnungstür hinter mir viel mit einem Klicken ins Schloss und ich ließ meine Tasche zu Boden gleiten. Ich beschloss den Schock, meine Mutter so plötzlich vor mir zu sehen, runterzuschlucken und hängte meinen Schlüssel an den Wandhaken und verstaute daneben Jacke und Schuhe. Dann überquerte ich mit einem Schritt, den es nur brauchte, den kleinen Eingangsflur und stand auch schon vor dem Tisch, an dem meine Eltern saßen. Meine Mutter stand von ihrem Platz auf, ich konnte den geschockten Ausdruck in ihrem Gesicht ausmachen, als sie mich musterte.
"Deine Haare-", setzte sie an. "Was ist mit deinen Haaren passiert?", bei diesen Worten stand sie auf und berührte mit ihren Fingerspitzen meine Kurzhaarfrisur.
"Hab sie abgeschnitten.", antwortete ich ihr so trocken wie ich nur konnte. Die Traurigkeit stand ihr ins Gesicht geschrieben. Jeder liebte meine unglaublich langen braunen Haare. Ich hatte sie, seit ich vierzehn war nicht mehr schneiden lassen und meine Mutter erfreute sich jedes Jahr über die wunderschöne glänzende Länge, die meinen Kopf stets zu bedecken pflegte. Sie nannte mich damals immer 'Mein Mädchen', als sie mir mit ihren zierlichen Händen durch meine Haare fuhr.
Tatsächlich ähnelte ich ihr unglaublich, da sie in der Blüte ihrer Jugend auch sehr lange Haare hatte. Doch genau diese Ähnlichkeit wurde mir zuwider, als sie beschloss mich und Dad zu verlassen und ein neues Leben, fernab von unserer Familie anzufangen. Welche Frau tat so etwas grausames, schreckliches, unglaublich dummes......
Ich sah ihr in ihre blauen Augen, die heller als meine waren. Mit den Jahren verloren sie die Klarheit, die nun meine Augen ausfüllte. Sanfte Lachfältchen schmiegten sich an ihre Haut, die mich an die einst magischen Zeiten unserer Dreisamkeit erinnerten.
Nachdem sie ausgezogen war, uns mit der Miete allein ließ, die mein Vater nun nicht mehr selbst stemmen konnte, suchte ich mit dem letzten Rest meines Ersparten einen Friseur auf und wies ihn an, meine Haare radikal zu kürzen. Und es hatte gut getan, so verdammt gut, all die Jahre mit einem persönlichkeitsdefinierenden Teil von mir abzulegen.
Und nun stand sie vor mir, meine Mutter, die mit nur einer egoistischen Entscheidung mein ganzes Leben verändert hatte, die mich dazu zwang nach besagtem Friseurbesuch umzuziehen und nochmal ganz neu, ganz von vorne anzufangen.
Mein altes Leben wünschte ich mir mit jeder Zelle meines Herzens zurück und das hätte sich auch niemals geändert. Nur begann mir mein Neuanfang langsam zu gefallen. Und daran konnte Mom nichts ändern. Ich wusste, wieso sie gekommen war.
"Willst du mit zu mir und-", weiter kam sie nicht, denn ich hatte sie bereits unterbrochen.
"Nein Mom, ich werde nicht zu dir und deinem neuen Lebensgefährten ziehen. Ich habe mich entschieden: ich werde bei Dad bleiben. Egal was passiert."
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H(er)oes | gxg #Wattys2018
Romance**************************************** "Ein bissche depressiv, aber trotzdem entspannt, denn glückliche Menschen sind nicht interessant." - KRAFTKLUB **************************************** Genau so würde sich Ava beschreiben, denn ganz so glückl...