Kapitel 1; Allein

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AVA

Genervt kickte ich die leere Dose vor meinen Füßen weg, die in hohem Bogen über das Feld flog und mit einem metallenen Klirren auf dem Boden landete. Die Hände in den Hosentaschen meiner dunklen Jeans vergraben, schlenderte ich zu den Zuschauerbänken und ließ mich auf einem Platz in der ersten Reihe nieder.

Ich hatte mich schon wieder mit meiner Mutter gestritten und verdammt noch mal ich würde mich bis an mein Lebensende mit ihr streiten, wenn sie mich nicht endlich in Ruhe ließ.

Ständig diese Enttäuschung in ihren Augen, wenn sie darüber spricht, was doch aus ihrem braven Mädchen geworden ist, dass dabei ist seine Zukunft wegzuschmeißen.

Ich habe ihr gesagt, sie soll die Klappe halten, ich habe sie angeschrien, ich habe sie beleidigt. Verdammte scheiße, fluchte ich, wieso blickt sie nicht endlich, dass mein altes Ich zusammen mit meinem Vater vor einem Jahr gestorben ist?

Doch ganz tief in meinem Inneren, wusste ich, dass sie Recht hatte. Ich schmiss meine Zukunft achtlos weg, ohne auf irgendwelche Konsequenzen zu achten.

Aber was sollte ich denn machen? Ein guter Abschluss würde meinen Dad auch nicht wieder zurückbringen.

Ich seufzte. Insgeheim tat es mir unglaublich leid, dass ich meine Mutter so behandelte, schließlich hatte sie ihren geliebten Mann verloren.

Aber sie war eine unglaublich starke Frau, weshalb ich sie wahnsinnig bewunderte. Sie hatte nicht aufgegeben, als der Krebs Dad dahinraffte. Ganz im Gegenteil. Sie arbeitet jetzt nur noch mehr in ihrer Anwaltskanzlei, ist ein hoch angesehenes Mitglied der Stadtgemeinde und setzt sich jetzt auch öffentlich gegen Krebs ein.

Und was tat ich? Partys feiern und mich ständig in Schwierigkeiten bringen, nur weil ich mit dem Schmerz nicht klar kam. Aber die Leute sahen mich nur mitleidig an. Sie nahmen mich nicht mehr ernst. Doch das machte  mich nur noch rasender. Und so fiel ich in einen Teufelskreis, der mich nun schon seit einem Jahr gefangen hielt.

Ich blickte auf die leere Fläche des Fußballfeldes, welches als einziges noch die Macht hatte, meine Lebensgeister zu wecken. Ich war eine begnadete Fußballspielerin und war noch besser als jeder Junge auf der Jefferson High.
Und als positiver Nebeneffekt wurde ich dadurch auch ziemlich beliebt.

Ich verstand sie fast nicht, die Bewunderung, die man mir entgegenbrachte. Sie alle liebten mich aufgrund meines Talents, feierten mich sogar wie einen Nationalhelden. Und ich erfüllte noch dazu jedes weitere Klischee: Nicht hässlich, nicht arm und nahezu perfekt.

Bis auf diese eine Sache: meine Schwäche für Frauen. Oder anders ausgedrückt für ihren Körper.

Ich wollte mir gar nicht ausmalen, was passieren würde, wenn meine Mutter es erfahren würde.

Mein Blick schweifte zu dem roten Backsteingebäude. Eigentlich sollte ich jetzt dort sein und ich weiß, Schwänzen ist nicht gerade die feine Art, aber ich konnte heute nach dem Streit einfach nicht zur Schule gehen.

Also stand ich auf und verließ das Schulgelände.

H(er)oes | gxg #Wattys2018Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt