Kapitel 34 - Was nun?

804 32 3
                                    

Ich wusste nicht, wie lange ich so da saß, wie eingefroren, mit dem Fotoalbum in meinen Händen. Es war so ... surreal. Das konnte einfach nicht die Wahrheit sein. Und doch war sie es. Eine gefürchtete und verrückte Todesserin zur Mutter, einen Todesser zum Vater und die Malfoys als meine restliche Familie. Wie konnte das sein?

Langsam und automatisch klappte ich das schwarze Fotoalbum zu, blickte noch ein letztes mal auf das Familienfoto, ehe ich das Buch zurück ins Regal stellte. Wie sollte ich mich nun ihnen gegenüber verhalten? Sollte ich weiterhin so tun, als sei nichts gewesen?

Narzissa wusste es! Sie wusste es die ganze Zeit über! Und sie hatte nichts gesagt. Obwohl mich das alles genauso was anging, wie sie und Draco. Draco war mein Cousin. Doch er schien ebenso nichts darüber zu wissen. Allerdings erinnerte ich mich daran, dass er mich bei unserem ersten Zusammentreffen so angesehen hatte, als würde er in mir jemanden erkennen. - Ohne allerdings zu wissen, wen.

Stumm vergrub ich mein Gesicht in meinen Händen. Wieso? Wieso war alles so? Wieso war mein ganzes verdammtes Leben eine verdammte Lüge? Warum musste alles immer so kompliziert sein?

Ich bemerkte nicht, wie ich langsam einschlief. Mein Kopf sank nach unten, das schwarze Fotoalbum fiel aus dem Regal, genau auf den Zeitungsartikel. Das letzte, was ich mitbekam war, wie jemand den Raum betrat und jemand mich hochhob und mit mir die Bibliothek verließ. Draco. Nach dieser kurzen Erkenntnis war ich vollkommen weg und verfiel in einen festen, traumlosen Schlaf.


Ich wachte in meinem Bett wieder auf. Verschlafen versuchte ich, die Augen offen zu halten und bemerkte die Gestalt, die mit verschränkten Armen lässig an der Wand lehnte.

"Du bist wach.", sagte der Blonde und kam auf mich zu. Dabei ließ er mich die ganze Zeit nicht aus den Augen.

"Draco, was machst du hier?", murmelte ich ziemlich fertig und ließ mich wieder müde ins Bett sinken.

Er ließ mich nicht aus den Augen, analysierte jede meiner Bewegungen. "Du warst in der Nacht in der Bibliothek."

Sofort war ich wach und saß kerzengrade im Bett. Misstrauisch musterte ich Draco. "Ich bin gerne da, wenn ich nicht schlafen kann."

"Das ist es nicht. Du warst an dem Regal, wo unsere privaten Bücher und andere Sachen lagen. Mutter lässt nicht einmal mich daran."

Zum Glück. Er wusste es nicht! Mir fiel ein Stein vom Herzen. Ich kam ja nicht einmal selbst damit klar. Erleichtert ließ ich mich zurück ins Bett fallen. Draco warf mir einen merkwürdigen Blick zu. Sie verschweig es ihm. Sie verschwieg es ihm tatsächlich. Wenigstens Draco hätte Narzissa davon erzählen sollen. Schließlich war er ihr Sohn.

"Du benimmst dich merkwürdig.", stellte Draco fest und musterte mich.

Ich seufzte. "Dazu habe ich jeden Grund."

"Ich denke nicht, dass du es mir sagen wirst, habe ich Recht?"

Ich nickte. Draco drehte sich um und ging zur Tür. Kurz bevor er mich alleine ließ, drehte er sich noch einmal zu mir um und sagte: "Ich werde es ihr nicht verraten." Dann war er weg. Ich lächelte leicht. Auf Draco war Verlass. Aber eines Tages würde er es erfahren. Und ich konnte nicht sagen, wie er reagieren wird. Auch musste ich zugeben, dass ich mich vor den Reaktionen der anderen fürchtete.

Würde man mich hassen?

Ich hasste es, darüber nachdenken zu müssen. Ich wollte es nicht, doch ich tat es automatisch. Ich quälte mich aus dem Bett, zog mich um und ging hinunter, wo auch schon die drei Malfoys warteten. Eine Hauselfe eilte umher, um den Tisch zu decken. Sie war der Ersatz für einen Hauselfen namens Dobby, der letztes Jahr wohl befreit wurde. Lucius sprach nicht gerne darüber.

"Guten Morgen.", grüßte mich Narzissa lächelnd, doch ihr Lächeln erblasste schlagartig, als sie meinen Blick sah, den ich ihr zuwarf. Draco blieb dies nicht unbemerkt und aufmerksam sah er mich an, um vielleicht zu erkennen, weshalb ich so auf seine Mutter reagierte.

Meine Tante. Ich konnte es immer noch nicht glauben.

Und Draco mein Cousin.

Ich ließ mich auf meinen Platz sinken. Ohne ein Wort zu verschwenden, fing ich an zu essen. Ein angespanntes Schweigen legte sich über uns. Lucius schien auch bemerkt zu haben, dass heute etwas anders war, doch er sprach es nicht an.

Als ich gerade aufgegessen hatte, erhob ich mich ohne ein weiteres Wort und verließ den Raum.

"Was ist denn mit Kendra los?", hörte ich Lucius noch fragen.

Narzissa schwieg erst, doch dann sprach auch sie. "Sie ähnelt ihr so sehr. Und so wie ich sie kenne, ist Kendra wütend." Und ob ich wütend war.

"Mutter, wovon redest du?", vernahm ich Dracos Stimme, doch Narzissa antwortete ihm nicht. Sie schwieg. Ich stieg die Treppen hinauf und blieb vor der großen, schwarzen Doppeltür stehen. Verstohlen sah ich mich um. Niemand war mir gefolgt. Ich stieß die Tür auf und schloss sie hinter mir wieder. Vor mir ragten Bücherregale zur Decke hinauf. Zielstrebig ging ich nach hinten durch, zu dem Bücherregal, wo ich gestern den Zeitungsartikel und das Fotoalbum gefunden hatte.

Was hatte Draco eigentlich mitten in der Nacht in der Bibliothek vorgehabt? Er hatte mich dort schließlich gefunden.

Meine Hand legte sich auf das Fotoalbum und zog es aus dem Regal. Blätterte Seite für Seite weiter. Ich sah viele Bilder von Narzissa, Bellatrix Lestrange und Draco. Auf nicht wenigen von denen war ich zu sehen. Doch das letzte Bild, auf dem ich zu sehen war, war das, von meinem ersten Geburtstag. Es gab auch ein Bild, wo nur die Lestrange-Todesser drauf waren und in ihren Armen lag ich.

Wie konnten das meine Eltern sein? Doch es musste die Wahrheit sein. Ich sah die Furch in den Blicken der anderen, wenn sie mich sahen. Doch auf den Bildern sahen mich die beiden so liebevoll an. Wie konnte das sein? Bellatrix Lestrange war laut dem Zeitungsausschnitt eine verrückte und erbarmungslose Todesserin. Sie hat Nevilles Eltern gefoltert, bis sie ihren Verstand verloren hatten. Wie konnten das meine Eltern sein?

Ich klappte das Buch wieder zu und legte es zurück. Ich sollte mir das nicht mehr antun. Ich sollte so tun, als hätte ich es nie herausgefunden. Aber ich konnte mich in Narzissas Nähe nicht normal verhalten. Wie sollte ich auch? Sie war verdammt noch mal meine Tante und wusste das auch!

Wütend erhob ich mich. Ich musste mich zusammenreißen, um nicht einfach alle Bücher aus dem Regal zu reißen. Meine Hände hatte ich zu Fäusten geballt, sodass meine Fingerknöchel weiß hervortraten.

"Hey, Kendra, was ist denn heute mit dir los?", ertönte da auf einmal eine Stimme hinter mir. Aus Reflex zog ich meinen Zauberstab und ehe ich mich versah, hatte ich Draco meinen Zauberstab an die Kehle gedrückt. Dieser sah ein wenig überrascht aus.

Langsam hob er seine Hände und sah mich aus seinen grauen Augen an. "Kendra, es bin nur ich."

Langsam ließ ich meinen Zauberstab wieder sinken.

"Was ist nur mit dir los? Gestern warst du doch nicht so." Aus einem undefinierbaren Blick sah er mich an. Sein Blick fiel auf den Zeitungsartikel zu meinen Füßen. Kurz sah er mich noch an, dann wollte er den Artikel aufheben. Doch ich kam ihm zuvor, riss den Artikel von ihm weg und rannte aus der Bibliothek. Ich spürte seinen bohrenden Blick in meinem Nacken und ich wusste: Draco Malfoy würde nicht aufgeben, bis er wusste, was mit mir los war.

Kendra Lestrange (Harry Potter FF) *abgebrochenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt