Das weiße Oberteil bedeckte ihre Haut wie eine zweite, und in der Taille zerfloss es zu bronzen schimmernden Blüten. Von den Knien abwärts fächerte sich der Rock wieder ein wenig auf. Schwarz glimmende Ornamente sandten ein sanftes Leuchten aus.
Atemlos drehte sich Levia ein klein wenig nach rechts, dann wieder nach links. Ihr unverändert weizenblondes Haar war zu einem schlichten Dutt zurückgesteckt. Bronzefarbene Kontaktlinsen leuchteten aus dramatisch umrandeten Augen, Wangenknochen stachen geradezu aus blasser Haut, dunkle Brauen wölbten sich über einem nahezu übernatürlichen Gesicht.
Wieder kein Ich.
Niemals. Aber zum ersten Mal schien ihr das eine akzeptable Unannehmlichkeit zu sein... schon beim Gedanken daran, dass sie dieses strahlende Etwas im Spiegel war, umspülte sie der ungläubige Stolz mit goldenen Wellen."Das ist... Mercy... das- atemberaubend." Fasziniert tasteten ihre Finger über ihr Kinn. Die des Wesens im Spiegel taten dasselbe.
"Gern geschehen, Levi. Ich denke, so kann man dich unter die Leute gehen lassen." Mercy musterte zufrieden ihr Werk. "Jetzt musst du dich nur noch angemessen verhalten-" Ein scharfer Blick- "damit es auch du bist... und nicht nur eine angemalte Puppe. Oder eine einzige Beleidigung für-"
Genervt verdrehte Levia die Augen. "Alles klar, kommt nicht wieder vor. Wobei mir in diesem Aufzug ohnehin niemand ein schlechtes Wort abnehmen würde."
"Die Schneiderin muss großartig sein, ja..." Träumerisch lehnte sich Mercy gegen eine Kommode und breitete die Arme aus. "Du darfst fliegen, Levi! Endlich fliegen! Das ist eine unfassbar große Chance für dich. Mach sie nicht kaputt, oder du verlierst deine Federn."
Selbstzufrieden schloss sie die Augen und ließ den Kopf nach hinten fallen.
Levia strich fasziniert über den Stoff...Ein melodischer Vierton-Laut vibrierte durch die Luft.
Mercy quitschte aufgeregt und zerrte ihr Kleid zurecht, dann eilte sie zur Tür, um den wartenden Scurio hereinzulassen- ein in einen klassisch marineblauen Anzug gehüllter Mann mit makellosen Gesichtszügen und einem sympathischen Lächeln, das unnatürliche Wärme ausstrahlte.
Noch bevor Levia ihn überhaupt mustern konnte, hatte ihm Mercy bereits die Tasche mit den anderen Kleidungsstücken in die Arme gedrückt und mit ihrem iPersonal einige Anweisungen übermittelt.
"Ich soll Miss Pernal zum Wagen begleiten", setzte der Roboter in die Luft. Etwas an seiner durchaus offenen Aura rief in Levia den heftigen Drang nach Bewunderung für seinen Schaffer hervor- was nur ließ ein Antlitz so sprechen, das nur aus Kunststoff und Metallen bestand? Ein Gehirn solche Reaktionen entwickeln, das auf Drähten und Funken basierte?
"Ja, ich komme." Sie hob erneut den Blick zu dem Geschöpf im Spiegel, dessen Augen funkelten wie Sterne auf weichem Samt. "Ich glaube... ich bin bereit."Dass dieser Abend einer gehobenen Klasse gehörte, zeigte schon das Gefährt: anstatt sie mit einer Bubble zu eskortieren, geleitete sie der Scurio zu einer luxuriösen Limousine. Der schwarze Lack glänzte in den letzten Sonnenstrahlen dieses Jahres, und die verspiegelten Glasscheiben zogen bereits einige neugierige Blicke auf sich... ganz zu schweigen von Levias futuristischem Aufzug. Sie genoss die brennenden Blicke mit einer solchen Intensität, dass es fast schon weh tat.
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Morpheus
Science FictionLondon, 2102. Alle Welt schläft, seit Morpheus den iQaster auf den Markt gebracht hat: ein Gerät, in dem das Bewusstsein des Menschen gespeichert wird und es ihm ermöglicht, jahrelang zu überdauern. Die Entwicklung trifft auf eine Welle ungezähmter...