⏳XXI - Dorian⏳

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Zwei Jahre. Zwei Jahre schon hatte er kein einziges Wort mehr mit... mit Levia gewechselt. Und dann stand auf einmal ihr Exfreund auf der Türschwelle und schaffte es, ihn mit so wenigen Worten aus der Bahn zu werfen.
Faye zitterte in seinen Armen, seine jüngere Schwester presste ihren dunkelbraunen Schopf gegen seine Schulter und verbarg ihr Gesicht in seinem Shirt. Ein kurzer Blick nach rechts versicherte ihm, dass Damien sich seiner Mutter angenommen hatte. Junias grazile Hände lagen in seinen, während er leise mit ihr sprach.
Eine Welle der Zuneigung erfasste Dorian, als ihm klar wurde, dass der selbe Widerspruch, der ihn innerlich zerriss, auch an seiner Wahrnehmung zerrte. Ihnen beiden hatte Levia weh getan, so unglaublich weh... und dennoch.
Dennoch.
Dennoch hatten sie beide einen Teil ihrer Seele verloren.

Dorian würde nicht weinen. Er weinte nicht mehr, seit Levia gegangen war, seit sie... Geral im Stich gelassen hatte...
Damien unterbrach seine aufkeimende Verzweiflung, indem er eine Frage in den Raum stellte. "Soll ich auf Edmund warten und es ihm sagen?"
Es ist in Ordnung, sagte sein Tonfall, sagte es direkt zu Dorian, und die Worte schmiegten sich an ihn, klopften gegen die hoffnungslos dünne Wand, die er sorgsam um das Stückchen seines Geistes, das Levia gehörte, errichtet hatte. Es ist einfach. Du konntest nichts tun. Du trägst nicht die Schuld daran.
Faye hob ihren Kopf. Mit einem leichten Anflug von Wut auf Levia folgten Dorians Augen der perfekten, kleinen Silberperle, die über ihre Wange rollte... und dann war die Stimme wieder da. Damiens Stimme. "Ich kann ihn auch in seinem Büro aufsuchen, um..." Nicht deine Schuld, Dorian. Nicht. Deine. Schuld.
Junia lächelte zittrig. "Das... das musst du nicht, Damien. Ich werde später ohnehin hinfahren, ich sage es ihm selbst." Sie schob den Stuhl bereits zurück, als sie mit schwankender Stimme ihr obligatorisches Angebot machte. "Du bleibst doch zum Essen?"
"Danke, nein, Junia. Ich muss zurück in die Redaktion." Er stand ebenfalls auf. "Lasst es mich wissen, falls ihr etwas brauchen solltet. Jeder von euch." Auch du, Dorian. Wenn du nicht mehr kannst, dann melde dich. Ich kann dir helfen.
"Danke", wisperte Faye, und Junia nahm Damien sanft am Ellenbogen. "Dann bringe ich dich... wohl zur Tür." Sie kämpfte um ihre Augen, darum, dass sie trocken blieben.

Dorian schloss erneut seine Arme um Faye. Ein leises Schluchzen erhob sich von seinem Oberarm, wo sie ihr Gesicht versteckt hielt.
Levia. Levia. Lizabeth hatte er sie früher genannt, vor Jahren, endlosen Jahren... sie hatte ihren Zweitnamen damals gehasst, und die alberne Verniedlichungsform sowieso. Aber das alles war vor Geral gewesen.
Aber irgendjemand muss doch etwas wissen, drängte eine Stimme tief in seinem Inneren. Irgendjemand muss doch wissen, wer die Schuld daran trägt, dass Faye um einen Menschen weinen muss, den sie eigentlich hasst.
"Ich will sie doch noch einmal sehen", wisperte sie, als hätte sie seine Gedanken gehört. "Gott, ich wollte doch nie, dass wir uns für... für immer trennen. Ich habe sie geliebt, sie war meine... meine Schwester..."
Mit sanfter Bestimmtheit legte Dorian seine Finger unter ihr Kinn und zwang sie, zu ihm hochzusehen. Er fixierte ihre grauen Augen- Levia hat die selben, sie hat Haar wie du und Augen wie Faye- und sprach langsam und betont. "Es ist alles gut, Kleines. Levia war kein guter Mensch. Es ist schlimm, dass sie weg ist, aber es gibt Schlimmeres. Es ist geschehen."
Erneut füllten sich ihre Augen mit Tränen, und unweigerlich stieg eine Frage in Dorian auf. Würde sie es genauso leicht aufnehmen, wenn du verschwunden wärst? Sich einfach damit abfinden mit nichts als ein wenig Wasser in den Augen? Er hasste sich dafür, dass er so dachte, hasste sich, hasste Faye- aber du kannst sie nicht dafür hassen, dass sie um Lizabeth weint, du kannst sie nicht hassen, weil sie nur weint- was sollte sie denn tun?
Und trotzdem schob er sie sanft von sich genoss das kurze Gefühl der Kontrolle, als sie sich einen Moment lang widersetzte und sich an ihn klammerte, bis er sie dazu zwang, loszulassen. Dann wandte er sich um. Damien konnte noch nicht weg sein, er musste noch- da-

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